Bernried :Buchheim präsentiert seine Lieblinge

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Erich Heckels "Vier Tänzerinnen" von 1910. (Foto: Georgine Treybal)

In der Ausstellung „Inside Out?“ werden die Hauptwerke aus der Buchheim’schen Sammlung gezeigt. Für den Besucher hält sie ungewöhnliche Entdeckungen bereit.

Von Katja Sebald, Bernried

Die Wunschmaschine und der Regenschirm-Generator laufen in diesen Tagen auf Hochtouren, das „Samselsurium“ brummt. Kinder tollen durchs Museum, Mamas und Papas laufen hinterher, Omas erklären die Sams-Welt und Opas verschnaufen in der Leseecke.

Die aktuelle Paul-Maar-Ausstellung wird dem Bernrieder Buchheim Museum wohl wieder einmal einen Besucherrekord verschaffen. Bislang zählte das Museum rund 14 000 Gäste. Wesentlich stiller ist es nebenan im Expressionistensaal, wo vor dem Umbau und der damit verbundenen Schließung im kommenden Jahr in der Ausstellung „Inside Out?“ noch einmal die Hauptwerke aus der Buchheim’schen Sammlung gezeigt werden.

Für die Auswahl der Papierarbeiten wurde tatsächlich das Unterste zuoberst gewendet – und so lassen sich dort ganz ungewöhnliche Entdeckungen machen.

Der Museumsgründer Lothar-Günther Buchheim war ein leidenschaftlicher Sammler von Kunst auf Papier. Wie von ihm ursprünglich intendiert, werden nun wieder die berühmten Gemälde wie Erich Heckels „Schlafender Pechstein“, Ernst Ludwig Kirchners „Interieur mit Maler“ oder Otto Muellers „Zwei Akte im Gras“ gemeinsam mit Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken präsentiert.

Während Buchheim jedoch den Gemäldesaal nachträglich abdunkeln ließ, um die lichtempfindlichen Papierarbeiten zu schützen, hat man sich nun dafür entschieden, sie in drei Tranchen zu zeigen und so jedes Blatt nicht länger als drei Monate dem Licht auszusetzen.

"Badende Greise" von Erich Heckel. (Foto: Georgine Treybal)
"Badendes Mädchen" von Ernst Ludwig Kirchner. (Foto: Georgine Treybal)

Nach den Aquarellen und Zeichnungen im ersten Ausstellungsturnus sind nun bis Ende Oktober Holzschnitte, Radierungen und Lithografien zu sehen. Nun könnte man die Wände abschreiten, um zu studieren, welche unterschiedlichen Ergebnisse man mit den verschiedenen künstlerischen Drucktechniken erzielen kann.

Zu den Hochdruckverfahren gehört der Holzschnitt, bei dem die nicht-druckenden Formen aus der Holzplatte herausgeschnitzt werden. Besonders spannend wird es hier, wenn nicht einfach schwarze Flächen gedruckt werden, sondern auch die Maserung des Holzes auf dem Papier zu sehen ist.

Die Lithografie hingegen zählt zu den Flachdruckverfahren. Die Bildmotive werden mit einer speziellen Tusche seitenverkehrt auf eine geschliffene Steinplatte aufgebracht und dann mittels einer Presse auf Papier übertragen. Für den Tiefdruck oder die sogenannte Radierung wiederum werden der glatten, ebenen Oberfläche einer Druckplatte mittels einer Radiernadel Verletzungen in Form von Linien oder Punkten zugefügt.

Mancherorts lässt sich der Einfluss Picassos erkennen

Die so entstandenen Vertiefungen der Platte behalten die Druckfarbe, nachdem man die gesamte Platte eingefärbt und die auf der glatten, unverletzten Oberfläche stehende Farbe wieder abgewischt hat. Durch Aufpressen eines angefeuchteten Papiers erscheint die Farbe dann auf dem Druckpapier.

Die Künstler, die sich 1905 in Dresden unter dem Namen „Die Brücke“ zusammenschlossen, experimentierten mit allen drei Druckverfahren, bevorzugten jedoch den Holzschnitt, mit dem sich gleichsam „urwüchsige“ Bilder erzeugen ließen. Die Maserung des Holzes, auch Sprünge, Risse, Unebenheiten wurden in die Gestaltung einbezogen.

Mit derselben Technik und oftmals ähnlichen Motiven kamen die unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten jedoch zu völlig anderen Ergebnissen: Flächig, fast malerisch wirkt ein Frauenporträt, das Emil Nolde im Jahr 1912 schuf. Daneben hängt der „Kopf mit Halskette“ von Karl Schmidt-Rottluff aus dem Jahr 1914: Hier ist alles Linie und Kante, der Einfluss von Picasso ist unverkennbar.

"Barbierstube" aus dem Jahr 1912 von Erich Heckel. (Foto: Georgine Treybal)
"Frauenkopf III" aus dem Jahr 1912 von Emil Nolde. (Foto: Georgine Treybal/Georgine Treybal)

Bei zwei Radierungen, die jeweils eine Varieté-Szene darstellen, könnte man sogar meinen, Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner hätten die gleiche Vorstellung besucht. Beide zeigen eine leicht bekleidete Tänzerin, die den Rock schürzt. Heckel aber spannt sein Motiv eng ins Blatt ein, er betont die ausladende Bewegung, die Tanzende scheint über die Köpfe der Zuschauer zu springen. Ihre Fußspitze berührt dabei den Bildrand, der zugleich Bühnenrand ist.

Kirchner hingegen beschränkt sich auf die unbedingt notwendigen Linien und Flächen, Kleid, Kopf und Körper bleiben im Vagen. Die Figur wirkt verloren, der Künstler nimmt bereits die Tristesse vorweg, die sie hinter der Bühne erwartet.

Und nicht zuletzt gibt es auf den kleinen Blättern, an denen man unter dem Eindruck der großen Leinwände vielleicht achtlos vorbeieilen könnte, auch Wundersames und Merkwürdiges zu entdecken: Heckels kleinteilig hingestrichelte „Barbierstube“ aus dem Jahr 1912 etwa zeigt den Haare schneidenden Friseur, der sich für seinen Kunden verrenkt, außerdem einen wartenden Mann mit Hut. Und einen Glatzkopf, der aus dem Spiegel blickt, aber im Raum kein Gegenüber hat. 

Die Ausstellung „Sammlung Buchheim – Inside Out?“ ist noch bis zum 12. Januar 2025 zu sehen. Die Ausstellung „Samselsurium – Die Welt von Paul Maar“ endet am 15. September 2024.

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