Nicht nur um den Tod des Märchenkönigs am 13. Juni 1886 ranken sich unzählige Geschichten und Mythen. Auch zum Ableben Bernhard von Guddens, der zusammen mit dem König im Starnberger See ums Leben kam, gibt es Spekulationen. Eine davon ist, dass der Psychiater vom König ermordet wurde, weil er seine Flucht vereiteln wollte. Daraufhin habe der König sich umgebracht, weil er nicht damit leben konnte, einen Menschen auf dem Gewissen zu haben.
Eine andere weitverbreitete These, die sich bis heute hartnäckig hält, ist, dass der Nervenarzt den König ermordet haben könnte. War Gudden also selbst ein Opfer oder ein Königsmörder? Unter der Ungewissheit und dem Verdacht hat die Familie Gudden schwer gelitten – und leidet bis heute. Nicht zuletzt deshalb, weil der Ruf ihres Ahnen auf die letzten Tage seines Lebens reduziert wurde, seine erheblichen beruflichen Verdienste als anerkannter Psychiater nach seinem Tod nur noch wenig Beachtung fanden.
Der Präsident der Verwaltung des Herzogs von Bayern, Stephan Freiherr von Warsberg, glaubt, dass die Verletzungen, die Bernhard von Gudden erlitten hat, seine Nachkommen noch bis heute schmerzen. Deshalb habe das Haus Bayern ein Zeichen gesetzt und kurz vor dem gemeinsamen Todestag am 13. Juni eine Gedenktafel für den Psychiater an der Votivkapelle in Berg anbringen lassen.

„Professor Bernhard von Gudden. Königlicher Obermedizinalrat. Direktor der Bayerischen Kreisirrenanstalt. Träger des Verdienstordens der Bayerischen Krone. Wegbereiter für eine gewaltfreie und respektvolle Behandlung seiner Patienten“, steht auf der Tafel, die kürzlich im Beisein von Mitgliedern der Familien Wittelsbach und Gudden durch Pfarrer Mathias Klein-Heßling vom Pfarrverband Aufkirchen in einer Andacht gesegnet wurde.
„Die Tafel soll an einen großartigen und verdienten Menschen erinnern, der früh sein Leben verlor. Unsere Familie gedenkt seiner in Respekt, Liebe und Dankbarkeit“, erklärte der Ururenkel Bernhard von Guddens, Wolfgang Gudden, der ebenfalls Psychiater ist. Er dankte Franz Herzog von Bayern, der die Gedenktafel gespendet hat.
Die Bronzetafel wurde von Marcus Morell gestaltet und in der Kunstgießerei Marc-Andreas Hofmeister gegossen. Nun steht sie vor der Votivkapelle, die von Prinzregent Luitpold zum Gedenken an König Ludwig II. gestiftet und von 1896 bis 1900 im byzantinistisch-romanischen Stil nach den Plänen der Architekten Julius und Rudolf Hofmann erbaut wurde.

In Ufernähe im Starnberger See weist ein Kreuz auf die Stelle hin, wo König Ludwig II. gestorben ist. Die Idee, dass man auch den Psychiater würdigen könnte, kam auf, als Unbekannte vor einem Jahr zum 200. Geburtstag Bernhard von Guddens neben dem Kreuz für den König auch eines für den Nervenarzt anbrachten. Es wurde schon nach wenigen Tagen – ebenfalls von Unbekannten – wieder abgebaut. Bei der Familie Gudden habe die Votivkapelle und der Park davor nie im Fokus gestanden, da sie eine Weihestätte der Wittelsbacher sei, erklärte Warsberg. Doch die Vorkommnisse um das zweite Kreuz habe bei Franz Herzog von Bayern den Anstoß gegeben mit der Familie Gudden Kontakt aufzunehmen. Und man habe große Resonanz von dieser erfahren.
Durch das Aufstellen der Gedenktafel 139 Jahre nach seinem Tod könnte Bernhard von Gudden endlich rehabilitiert werden, als Psychiater und Wissenschaftler, dessen Arbeit für die damalige Zeit wegweisend war. Er behandelte die Patienten ohne Gewalt und Zwang und betrieb Forschungen am menschlichen Gehirn. Gudden behandelte schon Ludwigs Bruder Otto I., der ebenfalls entmündigt worden war, als man bei ihm eine Geisteskrankheit festgestellt hatte.

Die Spekulationen um die Todesumstände von König Ludwig II. und seinem Psychiater werden allerdings bleiben, da einige Fragen weiterhin ungeklärt sind. Sowohl der König als auch der Nervenarzt trugen ihre Taschenuhren bei sich, als man ihre Leichen aus dem Starnberger See zog. Die Uhr des Königs war an diesem Pfingstmontag des Jahres 1886 um 18.53 Uhr stehen geblieben, die des Psychiaters jedoch erst um 20.06 Uhr.
Diejenigen, die ohnehin ein Komplott vermuten, schließen daraus, dass der König und der Nervenarzt zu unterschiedlichen Zeiten im See gestorben sind. Weil es seinerzeit noch keine wasserdichten Uhren gab, sehen sie es als unmöglich an, dass das Uhrwerk des Psychiaters im Wasser mehr als eine Stunde länger funktionierte als das des Königs. Gerade die Fans des Monarchen sehen es als Bestätigung, dass der König rund eine Stunde vor Gudden starb und deshalb unmöglich seinen Psychiater umgebracht haben konnte.

Eine weitere Unstimmigkeit wird darin gesehen, dass der hoch anerkannte Psychiater bei König Ludwig eine schizoide Störung attestiert hatte, ohne ihn untersucht zu haben. Zuvor war es durch die Bausucht des Königs und dem damit verbundenen Schuldenberg zu Streitigkeiten mit der bayerischen Regierung gekommen. Das hatte den Ministerratsvorsitzenden Johann von Lutz dazu bewogen, den König für regierungsunfähig erklären zu lassen.
„Seine Majestät sind in sehr weit vorgeschrittenem Maße seelengestört, und zwar leiden Allerhöchstdieselben an jener Form von Geisteskrankheit, die den Irrenärzten aus Erfahrung wohl bekannt mit dem Namen Paranoia bezeichnet wird“, urteilte Bernhard von Gudden in seinem Gutachten. Doch warum hatte sich der renommierte Psychiater bei Ludwig II. auf eine Ferndiagnose eingelassen? Immerhin hatte das Gutachten für den König fatale Folgen; Gudden war quasi für die Absetzung des Königs verantwortlich. Diese Entmündigung nach Aktenlage ist noch heute Anlass für Diskussionen und Kritik – nicht nur bei den Königstreuen.
Im kommenden Jahr soll es wieder eine Feier in Berg geben
Doch nun, nach 139 Jahren, sollen nicht mehr die Zweifel überwiegen, sondern die Gemeinsamkeiten. Es soll beider Persönlichkeiten gleichermaßen gedacht werden. Wie Stephan Freiherr von Warsberg betonte, wird die Herzogliche Verwaltung weiterhin Kontakt zur Familie Gudden halten, die auch zur Gedenkmesse am Todestag Ludwigs II. eingeladen ist. Seit Jahren fand die Gedenkfeier am 13. Juni an der Votivkapelle in Berg statt. Die Anwesenheit der Königstreuen, der Trachtenvereine sowie der Guglmänner – einem Geheimbund, der die wahren Todesumstände von Ludwig II. aufdecken will – zogen jedes Jahr Hunderte Schaulustige an. Nach den Vorkommnissen mit dem zweiten Kreuz für Bernhard von Gudden war sie im vergangenen Jahr ausgefallen. Auch dieses Jahr wird es an der Kapelle keine Gedenkfeier geben.
Doch kommendes Jahr, wenn sich der Todestag zum 140. Mal jährt, soll die Gedenkfeier neu ausgerichtet werden und eventuell wieder in Berg stattfinden. Laut Warsberg laufen bereits Gespräche mit der Gemeinde, mit dem Aufkirchener Pfarrer sowie dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Nach Angaben der Verwaltung des Herzogs von Bayern wird die diesjährige Gedenkmesse zum Todestag am Freitag, 13. Juni, in der Kirche St. Michael in München stattfinden, wo Ludwig II. bestattet ist. Sie beginnt um 18 Uhr. Jeder sei willkommen, betonte Warsberg.