Berg:Immer gleiches Ziel

Berg RH, Ausstellung Elke Link

Zu einem imaginären Spaziergang an einem verschwiegenen Waldtümpel bei Allmannshausen lädt die Übersetzerin Elke Link ins Rathaus Berg ein.

(Foto: Georgine Treybal)

Elke Link porträtiert mit dem Handy den Schwarzweiher im Reigen der Jahreszeiten

Von Katja Sebald, Berg

Es ist immer der gleiche kurze Fußweg, der gleiche Standort am Ufer, der gleiche Ausschnitt. Aber keineswegs immer das gleiche Foto. Unter dem Hashtag #purposelesswalking postet die Literaturübersetzerin Elke Link ihre Bilder vom Allmannshauser Schwarzweiher, nun zeigt sie eine Auswahl im Berger Rathaus - und ihre digitale Fangemeinde hatte sich am Sonntag zur Vernissage vollzählig im analogen Leben versammelt.

Link versteht sich nicht als Fotokünstlerin, fotografieren am Weiher sei vielmehr "eine Pause von den Worten". Sie hat dann nur ihr Handy dabei, das sie übers Wasser hält. Direkt vor Ort wählt sie eins der Bilder aus und bearbeitet es, innerhalb der Filter variiert sie Parameter. Manchmal postet sie das Bild noch im Wald, manchmal erst zuhause oder auch gar nicht, denn der Spaziergang ist "purposeless", ziellos. Link begrüßte das Publikum auch in ihrer Funktion als Dritte Bürgermeisterin der Gemeinde. Als Laudator hatte sie sozusagen als neutralen Beobachter den evangelischen Pfarrer von Berg gewählt, der seine Rede aber bewusst nicht in seiner Funktion hielt, sondern als Johannes Habdank. Und er sprach nicht über die "Künstlerin", sondern über die "Natur-Kunst-Foto-Produzentin", die freilich in einem Tümpel im Wald "Himmel und Erde vereint sieht".

Die 16 Fotografien - auf Augenhöhe in einer Reihe gehängt - ermöglichen einen imaginären Spaziergang zu jenem düsteren Moorweiher, den auch viele Einheimische nicht kennen. Bei Esoterikern wird er als "Kraftort" geführt, auch wegen der keltischen Hügelgräber in der unmittelbaren Nähe. Naturschützer wissen, dass hier einer der letzten Lebensräume eines seltenen Schwimmkäfers ist und jugendliche Schwarzfischer schätzen den verschwiegenen Ort seit Generationen. Das querformatige Auftaktbild neben der Eingangstür zeigt das schilfbewachsene und von hohen Bäumen umstandene Ufer des Weihers an einem strahlenden Tag. Alle anderen Bilder sind quadratisch und zeigen lediglich einen Ausschnitt der Wasseroberfläche.

Der konzeptionelle Ansatz des Fotoprojekts mag im immer gleichen Quadratmeter Wasseroberfläche bestehen, in dem man jedoch im Reigen der Bilder die ganze Welt entdecken kann: Die Frühlingssonne und das erste Grün. Einen Sommerregen und schwarze Gewitterwolken, eine Angel. Sonnenuntergangsglut oder Nebelgrau. Das Herbstlaub, das gerade noch golden im gespiegelten Himmel leuchtet und dann auf dem geheimnisvoll dunklen Wasser schwimmt. Der eisblaue Winterhimmel, Wolkengebirge und Stürme, schließlich die matte Eisfläche. Und dann die letzten Reste des Eises im Wasser, die noch kahlen Bäume, das letzte Winterglitzern und schon wieder das erste Grün. Wer den Schwarzweiher kennt, wird die düsteren, schwermütigen Bilder besonders schätzen. Wer ihn nicht kennt, wird sich vielleicht vor allem am wundersamen und geradezu surreal anmutenden, manchmal auch spektakulären Verschmelzen von Oben und Unten erfreuen. Die Frage, ob das Kunst ist, erübrigt sich. Sicher ist, dass die "ziellose" Fotografin die hohe Kunst des Fotografierens, nämlich im genau richtigen Moment abzudrücken, beherrscht. Und wer meint, er könne das auch, der soll es doch probieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: