Berg:Gefährlicher Weg in den See

Vom Ei zur Renke: Die Fischereigenossenschaft "Würmsee" kümmert sich um den Fischbesatz im Starnberger See.

Benjamin Engel

Vor dem Bruthaus der Fischereigenossenschaft "Würmsee" direkt neben Schloss Unterallmannshausen schwimmen zwei Enten im Starnberger See. Sie warten darauf, dass ihnen Bruthausbetreuer Johann Schuster das Fressen praktisch direkt vor den Schnabel spült. Denn der Fischer ist gerade dabei, die Eierschalen aus den großen Becken abzusaugen, in denen sich auch Millionen etwa zehn bis zwölf Millimeter großer Renkenlarven tummeln. Dass er dabei einige Larven erwischt, muss er verschmerzen. Denn sonst würde das Becken überlaufen, wie der 69-Jährige erklärt. So können sich die Enten auf ein gefundenes Fressen freuen, spült Schuster die Eierschalen samt Larven doch in den Bach, der unter dem Bruthaus hindurch direkt in den Starnberger See fließt. Bis Ende nächster Woche werden die Fischer der Genossenschaft rund 25 bis 30 Millionen Renkenlarven im Starnberger See aussetzen. Das tun sie, damit es im Sommer genügend der beliebten Speisefische im See gibt. Überleben werden nur die wenigsten. "Etwa ein bis drei Prozent kommen durch", schätzt Schuster. Dies hänge auch davon ab, wie viele Nährstoffe der See produziere. Je schneller er sich erwärmt, desto besser. Doch nicht nur das Nahrungsangebot wird über das Schicksal der Brut entscheiden. Hinzu kommen all die vielen Raubfische wie Waller, Hechte und Barsche. Auch Wasservögel setzen den Larven stark zu. "Wenn wir die direkt am Ufer im See verteilen, würden sich sofort 100 Möwen darauf stürzen", erklärt Schuster. Deshalb setzten die Fischer die winzigen Fischlein mitten im See aus. Denn die Vögel richteten ihr Hauptaugenmerk auf den Uferbereich, in dem nach Angaben von Schuster auch die Barsche ihren Lebensraum haben. Nach dem sogenannten "Laichfischen" im vergangenen Dezember reiften die befruchteten Renkeneier rund drei Monate lang im Nebenraum bei einer Kühltemperatur von ein bis zwei Grad Celsius. So entstünden praktisch keine Keime und Krankheiten, erklärt Schuster. Zudem strömen seitdem mit Hilfe von Pumpen pro Minute zwölf bis 14 Liter Wasser aus dem Starnberger See durch die Behälter, um die Eier mit genügend Sauerstoff zu versorgen. Jetzt haben sich die orangefarbenen Eier pechschwarz gefärbt und die Schlüpfphase ist im vollen Gange. Viel Arbeit für Schuster, der schon seit zwei Wochen jeden Tag im Bruthaus beschäftigt ist. Nach und nach hat er die Kühlung abgestellt. Durch die Behälter fließt dann nur noch das rund vier Grad kühle Seewasser. Von dieser Temperatur an schlüpften die Larven, wie Schuster erklärt. Die Fischlein schwimmen über Rohre in die großen Becken im zweiten Raum des Fischbruthauses. Der Arbeitstag beginnt für Schuster derzeit schon um 4.30 Uhr und endet erst gegen Abend. Auch wenn er zwischendurch zum Fischen oder Räuchern das Bruthaus immer wieder verlasse, müsse er in der Schlüpfphase einfach so lange da sein und aufpassen, erklärt Schuster. Gegen 4.30 Uhr schaltet der Fischer erst einmal für 20 Minuten das Licht an. "Das reicht aus, damit die Larven bis Mittag schlüpfen", sagt er. Ansonsten herrscht in dem Raum mit den reifen Eiern vollkommene Dunkelheit. Das unterdrückt den Schlüpfimpuls, eine absolute Notwendigkeit angesichts von Millionen Renkeneiern. Um dieser Massen überhaupt Herr werden zu können, stellt der Allmannshauser Fischer immer nur bei drei bis vier Behältern gleichzeitig die Kühlung ab. Die anderen kühlt er weiterhin bei Temperaturen von ein bis zwei Grad Celsius. "Dadurch kann ich das Schlüpfen um rund zwei Wochen hinauszögern." Ob sich die ganze Mühe überhaupt lohnt? Im See legten die Renken zwar viel mehr Eier ab. Dort gebe aber auch viele Tiere, die gerne Laich oder kleine Fische fräßen und so den Bestand dezimiren. Im Bruthaus könnten die Eier sich dagegen wie in einem Schutzraum zu Larven entwickeln, sagt Schuster. Außerdem erhalte auch Karl Birzle, der auf Gut Nussberg bei Seeshaupt Fische züchte, Larven aus dem Bruthaus. Von Mitte bis Ende Juni könne die Fischereigenossenschaft dann nochmals 500 000 fünf bis sechs Zentimeter große Sömmerlinge im See aussetzen, von denen schätzungsweise 20 bis 30 Prozent überlebten. Trotz der vielen Arbeit denkt der Allmannshauser Fischer, der in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, noch lange nicht ans Aufhören. "Das Bruthaus ist mein Hobby", sagt er.

Berg: Millionen von durchsichtigen Renkenlarven schlüpfen in diesen Tagen. Johann Schuster achtet darauf, dass die winzigen Fische gute Bedingungen haben und in Etappen reif werden. Foto: Hartmut Pöstges

Millionen von durchsichtigen Renkenlarven schlüpfen in diesen Tagen. Johann Schuster achtet darauf, dass die winzigen Fische gute Bedingungen haben und in Etappen reif werden. Foto: Hartmut Pöstges

(Foto: Hartmut Pöstges)
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