Man stelle sich vor: Ein Hubschrauberpilot gerät im Rettungseinsatz in ein furchtbares Unwetter. Regen prasselt gegen die Panoramascheibe, Blitze durchzucken den Himmel, zur Rechten und zur Linken ragen Bergmassive empor, der Wind ist böig und die Sicht miserabel. Stress pur also für den Kapitän. Ein Szenario wie dieses zu meistern, will geübt sein. Zum Beispiel in den Trainingscockpits zur Pilotenausbildung der Firma "Reiser Simulation and Training".
Das Unternehmen mit Sitz in der Gemeinde Berg entwickelt, konstruiert und fertigt Simulationscockpits für Rettungshubschrauber in der zivilen Luftfahrt, ob für den ADAC oder die Deutsche Rettungsflugwacht (DRF), sowie für das Kampfflugzeug Eurofighter. Zu den Nischenprodukten der Firma zählen aber auch Hubschrauber-Nachbauten wie die des Nato-Transport-Helikopters NH90, an dem Techniker ausgebildet werden. Im Gegensatz zur ihren flugfähigen Verwandten lassen sie sich beliebig oft zerlegen und wieder zusammenschrauben. Ein echter Wartungstrainer. Der Clou dabei: Jedes Bauteil gleicht dem Original - hat also dieselben Maße, dasselbe Gewicht, dieselbe Optik und den identischen Schwerpunkt. Der originale Transport-Helicopter wird gescannt und dann Bauteil für Bauteil am Computer konstruiert. Was ein bisschen wie Malen nach Zahlen ist.
Die Corona-Pandemie beutelt die Luftfahrtbranche massiv. Doch die Auftragsbücher der Firma Reiser sind nach Angaben der beiden Geschäftsführer voll. "Kurzarbeit war keine Minute Thema bei uns", sagt Florian Reiser, 39, der im Führungsduo für die Finanzen und das Controlling zuständig und Prokurist ist. Das liege unter anderem daran, dass sich das Unternehmen auf Rettungsflieger spezialisiert habe und damit auch systemrelevant sei. "Wir fühlen uns als Nischenanbieter sehr wohl. Damit erzielen wir auch hohe Marktanteile." Nicht viele Firmen im Luftfahrtsektor könnten momentan von sich behaupten, dass es ihnen gut gehe, ergänzt Roman Sperl, der als Geschäftsführer für das operative Geschäft, die Technik und den Vertrieb verantwortlich zeichnet. "Hätten wir auf die Verkehrsfliegerei gesetzt, würde das heute ein großes Problem für uns darstellen."
Derzeit hat das mittelständische Unternehmen 180 Festangestellte, dazu kommen von Fall zu Fall 40 Dienstleister. Die Firma zählt zu den größten Arbeitgebern in Berg. 45 Mitarbeiter kommen direkt aus der Gemeinde. Was das Team betrifft, sind sich die Geschäftsführer einig: "Sie sind alle Enthusiasten." Sie alle verbinde die Liebe zur Luftfahrt. Etlich haben einen Pilotenschein. Und wer glaubt, das Unternehmen sei von Männern dominiert, der irrt: 33 Prozent der Beschäftigten sind Frauen.
Viele Bauteile für die Simulatoren werden im Hause selbst konstruiert und gefertigt. Aber einige müsse man auch zukaufen. Das erschließt sich, wenn man erfährt, dass beispielsweise der Wartungshubschrauber 16 000 Teile hat, wie Sperl sagt. Dabei achtet die Unternehmensführung allerdings darauf, dass die Zulieferbetriebe aus dem Münchner Umland kommen, schon der Entfernung wegen. "Die Konstruktionsplanung erfolgt komplett in 3D", erzählt Firmengründer und Beiratsmitglied Wolfgang Reiser, 67. So können die Mitarbeiter problemlos auch im Home-Office zugreifen. Etwa die Hälfte der Belegschaft arbeitet derzeit wegen der Corona-Krise zu Hause. Viele Meetings finden virtuell statt.
Im vergangenen Jahr seien zwei Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet worden. Sie hätten sich außerhalb des Unternehmens angesteckt, erzählt Sperl. Weitere Infektionen innerhalb der Firma habe es nicht gegeben. "Die Auflagen machen das Arbeitsleben nicht gerade einfacher", sagt der 51-Jährige. Unter normalen Umständen sind auch Reisen an der Tagesordnung - etwa, um die Trainings-Cockpits beim Auftraggeber an Ort und Stelle zu montieren. Jetzt minimiere man die Kontakte natürlich weitgehend. Messen habe es seit Ausbruch der Pandemie so gut wie keine gegeben, sagt Sperl. Für die Kunden hat das Unternehmen in diesem Jahr Online-Events veranstaltet. Sechs bis acht Wochen im Jahr ist Sperl unter normalen Umständen im Ausland unterwegs. Die Kunden kommen aus der ganzen Welt. Der Jahresumsatz beläuft sich laut Firmengründer Reiser auf rund 40 Millionen Euro.
Bekanntlich haben beispielsweise die Autos in der jüngeren Vergangenheit an Größe zugelegt. Aber nicht nur sie, auch Helikopter haben es ihnen gleichgetan - wie der Rettungshubschrauber des Typs H145. Für eben diesen Hubschrauber-Simulator benötigt die Firma eine zweite Halle. Diese sei nötig, um die Geräte in Mörlbach fertigen, justieren und in Betrieb nehmen zu können. Das werde nicht nur von den Auftraggebern gefordert, sagt Wolfgang Reiser, sondern ergebe auch aus technischer Sicht Sinn. Denn die Simulatoren müssten von den Fachleuten des Hauses aufwendig justiert werden, ehe sie in Betrieb gehen und von den Testpiloten des Auftraggebers abgenommen werden könnten.
Die jetzige Halle ist dafür zu niedrig. Zwar ist die künftige Halle bereits im Bebauungsplan für den Betrieb enthalten, aber der Plan stammt von 2011 und sieht nur Gebäude mit einer Höhe von bis zu 9,25 Meter vor. Nötig ist jetzt aber ein Gebäude mit 10,5 Meter Höhe. Darum hat Reiser beantragt, den Bebauungsplan zu ändern. Derzeit läuft das Verfahren. Summa summarum ein ganz schön großer Aufwand wegen eines einzigen Meters. Die Investitionssumme für die Halle beläuft sich auf fünf Millionen Euro.
Den Riesen-Simulator H 145 muss man sich als übergroße graue Metallkugel auf Beinen vorstellen, die sich in alle Richtungen bewegen kann. Denn "für die Piloten darf es keinen Unterschied geben, ob sie in einem Simulator sitzen oder in einem echten Helikopter", sagt Sperl. Er vergleicht das zehn bis 13 Millionen Euro teure Gerät gern mit einer Kaffeemaschine mit Kapselbetrieb. Denn die einzelnen Cockpits im Inneren der Metallkugel lassen sich austauschen wie Kapseln. Man spricht von Wechselcockpits. "Wir haben das System perfektioniert", sagt Wolfgang Reiser. Für den Kunden hat das System den Vorteil, dass er nicht für jeden neuen Helikopter einen neuen Simulator braucht, sondern lediglich ein Cockpit. Das spart Geld. Denn auch die Etats der Kunden seien heute enger kalkuliert. Die Simulatoren dieser Art baut man natürlich nicht am laufenden Band. Die Serie sei überschaubar, heißt es, so ein Stück pro Jahr.
Unterdessen hat Ingenieur Andreas Dämmig auf dem Pilotensitz im Entwicklungssimulator Platz genommen und überprüft die Software noch einmal. Schließlich muss sie sich im Simulator haargenau so verhalten wie in einem echten Hubschrauber. Und in der Halle schrauben und feilen Mitarbeiter unterdessen an Simulatoren für Transport- und Rettungshubschrauber, am Eurofighter-Cockpit sowie am Trainingsflugzeug PC21.