Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Mein kleines Museum - Sammler und ihre Schätze:"Kunst ist ein positives Lebensgefühl"

Joachim und Dagmar Kaske interessieren sich seit ihrer Jugend für Bilder und Skulpturen. Inzwischen umfasst die Sammlung des Berger Ehepaares mehr als 400 Werke - und lagert aus Platzgründen zum Teil in der Garage.

Von Tim Pohl

Die vielen Skulpturen im Garten verraten es schon, bevor man das Haus überhaupt betritt: Hier in der Villa am Berger Seeufer muss ein begeisterter Kunstsammler wohnen. Und auch als Joachim Kaske die Tür öffnet, fühlt es sich an als wäre dies der Eingang zu einem Kunstdepot. An jeder freien Stelle hängt ein beeindruckendes Bild oder steht eine verspielte Skulptur. Schnell wird einem klar, dass hier eine wertvolle Kunstsammlung existiert, die ganz individuell auf ihren Sammler zugeschnitten ist.

Kaske ist heute knapp 70 Jahre alt. Angefangen zu sammeln hat er bereits im Jahr 1970 - mit 17 Jahren. Und das nicht allein - seine spätere Frau Dagmar kannte er damals schon. "In den ersten Jahren haben wir querbeet ohne konkreten Schwerpunkt gesammelt", erinnert sich Kaske. So erwarben sie beispielsweise viele Werke von Michael Mathias Prechtl oder der Kölner Künstlerin Luisa Schatzmann. Nach zehn Jahren verfestigte sich der Fokus der beiden Sammler und sie konzentrierten sich vor allem auf moderne und zeitgenössische Kunst. Werke von Ernst Barlach, Käthe Kollwitz und Max Ernst fanden in dieser Zeit ihren Weg in die Hände der Eheleute Kaske.

Zwischen 2005 und 2008 betrieb Kaske seine eigene Galerie: "Das war eine hochinteressante Zeit", sagt er. "Zahlreiche Ausstellungen waren mit Konzerten von klassischer und zeitgenössischer Musik verbunden." Vor allem deutsche Künstler stellten hier ihre Werke aus - als Gegenleistung für die Reichweite vergrößerte sich die Sammlung Kaske um je ein Werk pro Künstler. "Einige Künstler von damals sind im Laufe der Zeit bekannter geworden, andere Künstler weniger. Ihre Werke sind jedoch allesamt schätzenswert", so der Kunstliebhaber.

Kaske ist vielen in der Region wohl auch bekannt, da er bis 2015 den Vorsitz des Kulturvereins Berg inne hatte. Während seiner Amtszeit organisierte er 25 Ausstellungen mit vorwiegend örtlichen Künstlern. Kein Wunder also, dass sich unter den Werken seiner Sammlung auch die Arbeiten vieler regionaler Namen wie Hannelore Jüterbock, Juschi Bannaski oder Roman Woerndl befinden. Denn eine Sache war Kaske schon seit Beginn seiner Sammlertätigkeit immer besonders wichtig: "Bekannte Namen hängen bei uns direkt neben unbekannteren Namen. Wenn ein Künstler gut ist, behandeln wir ihn auf Augenhöhe mit den großen Namen unserer Zeit." So kommt es, dass regionale Künstler direkt neben Werken von Andy Warhol hängen.

Seit den 2010er Jahren lag ein starker Fokus der Sammlung auf zwei Künstlergruppen: der Gruppe "ZEN 49" unter der Leitung des Malers Rupprecht Geiger, die bis 1956 aktiv war, sowie "ZERO", die als Zusammenschluss der Künstler Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker diente. Die gesammelten Werke der "ZEN 49" mündeten 2018 in einer Ausstellung im Museum Penzberg. Aktuell liegt der Schwerpunkt auf abstraktem Expressionismus. "Wir haben besonders eine Liebe zu den Werken von Charles Pollock, Hassel Smith, Augustus Francis und insbesondere Mark Harrington entwickelt", sagt Kaske.

Die Auswahl und Motivation zum Erwerb der Werke ist laut Kaske wenig greifbar: "Man hat im Laufe der Zeit viele Werke in Museen gesehen und hat irgendwann angefangen, schlechte Kunst von guter zu unterscheiden." Wenn einen das Gefühl beschleicht, ein bestimmtes Bild unbedingt haben zu wollen, dann werde diesem auch nachgegangen. Ein besonderer Vorteil: "Meine Frau und ich haben einen fast deckungsgleichen Geschmack", so Kaske. "Sie hat mich schon oft davon abgehalten, schlechte Kunst zu erwerben." Auch seine drei Kinder seien von der Kunst begeistert. Einige seiner Sammlerstücke hängen inzwischen in deren Wohnungen.

Die Sammlung ist in einem Buch zusammengefasst, es heißt "Wanderjahre"

Für Kaske ist das platztechnisch gesehen eine Erleichterung. Denn die insgesamt 400 Werke finden keinesfalls alle Platz an seinen Wänden. Viele Werke lagern deshalb in der Garage auf seinem Grundstück. Damit diese nicht in Vergessenheit geraten, hat Kaske seine Sammlung in einem Buch zusammengefasst. Das drei Kilogramm schwere, im Hochformat gedruckte Buch trägt den Namen "Wanderjahre". "Die Sammlung steht sinnbildlich für eine Wanderung, bei der man neue Eindrücke erlebt, aus Erlebnissen lernt und sich immer weiter entwickelt. Dies spiegelt sich in den erworbenen Werken wider."

Selbst künstlerisch tätig geworden ist Kaske in all der Zeit nie. Für ihn steht das Erleben der Kunst im Vordergrund. "Kunst ist für mich ein positives Lebensgefühl. Sie bereichert das Leben und lässt einen über viele Dinge hinwegkommen." So war die Beschäftigung mit der Kunst für Kaske ein wichtiger Pfeiler während der Trauerbewältigung nach dem Tod seiner beiden Brüder, die beide jeweils bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind.

Seine Sammlung sieht Kaske noch lange nicht am Ende. Seit einiger Zeit haben die Eheleute ein Interesse für gegenständliche Kunst entwickelt. Und so wird sicherlich bald ein neues Jahr der Wanderschaft beginnen.

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