Süddeutsche Zeitung

Berg:Abenteuer für alle Sinne

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Echolot-Festival zeigt Parallelen zwischen Barock und Gegenwart

Von Armin Greune, Berg

Novembernebel statt Julisonne: Zur vierten Auflage wird "Echolot" erstmals in den Herbst verlegt. Das experimentierfreudige Festival im Schloss Kempfenhausen findet am 15. und 16. November statt, Finissage zur begleitenden Ausstellung ist am 24. November. Diesmal stehen die vier Konzerte mit Lesung, Performances und Installationen unter dem Thema "Beyder Zeit": Man will die Epoche des Barocks mit der Gegenwart verbinden. Wieder verspricht das Programm, ein Abenteuer für alle Sinne zu werden - wenn man bereit ist, "Räume im Kopf zu öffnen", wie es Elisabeth Carr formuliert.

Die Kulturmanagerin, die das Festival mit dem Musiker Gunter Pretzel als künstlerischen Leiter und der Performerin Manuela Hartl organisiert, sieht in den "innovativen, kontrastiven und provokativen" Events keine Veranstaltungen, sondern "gestalterische Prozesse". Auch Pretzel betont, dass "Echolot immer das Suchen beinhaltet": Jeder Programmpunkt bietet noch nie Gehörtes und Gesehenes; Musik, Videos und Choreografien werden speziell für das Festival entwickelt.

Hauptgrund für die Terminverschiebung zum Jahresende sei der Bezug zum Barock: Der starke Hell-Dunkel-Kontrast im November passe hervorragend zu der Periode, die aus heutiger Sicht "ins Harmlose abzugleiten droht", findet Pretzel. Dabei sei das eine Zeit enormer Spannungen gewesen, in der jahrhundertealte Gewissheiten, Werte und Hierarchien rasch erodierten: "Die Kirche sah sich durch die Wissenschaft einer gewaltigen Existenzbedrohung ausgesetzt und versuchte, den Verstand mit Prunk und Dekadenz zu überwältigen", sagt Pretzel. Er sieht da deutliche Parallelen zur Gegenwart: Während seine Generation noch mit positiven Technik-Utopien aufwuchs, erlebe man nun, wie sich "der Fortschritt gegen uns wendet. Die massive Intervention, Wachstum zu erhalten, führt dazu, dass wir unseren elementaren Interessen zuwiderhandeln."

Zum Auftakt am Freitag wird Pretzel keine Rede halten, sondern Lyrik beider Zeiten und eine neue Komposition des Gautingers Johannes X. Schachtner mit der Viola vortragen. Darauf folgt das Gastspiel des Trio Coriolis: Die drei Streicher wollen mit Werken des Renaissance-Künstlers Heinrich Isaac und des Zwölftonmusik-Pioniers Jefim Golyscheff dank eigens für Echolot geschriebene Übergängen die "Zeiten ins schwingen und schweben bringen", sagt Pretzel. Gegen 22 Uhr sind dann noch Video-Clips mit Neuer Musik zu sehen.

Dem Hell-Dunkel-Kontrast entsprechend soll der erste Teil des finalen Konzerts am Samstag "Düsterkeit und Grauen" heraufbeschwören, sagt Pretzel: Mit dem Zither-Professor Georg Glasl werde er Musique concrète und Kompositionen von John Dowland verarbeiten. Im Anschluss begleitet der Bratschist das Akkordeonduo "Jeux d'Anches" zu Improvisationen über Barockelemente, um das Publikum "doch hoffnungsfroh ins Licht zu entlassen", wie Pretzel halbironisch anmerkt. Zuvor wird um 19 Uhr ein skurriler Star erwartet: Der Trompeter, Komponist und Multi-Instrumentalist Matthias Schriefl. Er war schon im Vorjahr bei Echolot im Schlosshof mit seinem "Sinfonischem Alpenglühen" zu Gast und wurde inzwischen gleich doppelt als Solist und Bandleader in Mannheim mit dem Neuen Deutschen Jazzpreis ausgezeichnet. Diesmal wird der bekennende Allgäuer mit dem Keyboarder Simon Rummel ein "Deep Impro" in der nur selten geöffneten Barock-Kapelle vortragen und dabei "sakrale Elemente aufnehmen, aber wieder jede Grenze verlässlich ignorieren", kündigt Pretzel an.

Zwischen den musikalischen Grenzerfahrungen ist um 20.30 Uhr die Vernissage zur begehbaren Installation vorgesehen, die Manuel Hartel in allen Räumen des Schlosses arrangiert. Auf die Flaneure warten überraschende Begegnungen mit Requisiten und Lichtspielen: Maren Montauk und David Schwarz haben für ihre Performance eigens Musik zu den Video-Installationen komponiert, auch die Eleven der Musikpädagogin Esther Schöpf sind ins Geschehen eingebunden. Im Spiegelsaal im obersten Schlossgeschoss tritt die Tänzerin und Choreografin Rosalie Wanka auf. Hartels poetische Videoprojektionen sind auch vom 17. bis 24. November, jeweils 18 bis 21 Uhr, bei freiem Eintritt zu sehen. Ansonsten kosten Tagestickets regulär 39, der Festivalpass 69 Euro - Getränke und ein handverlesenes Buffet inbegriffen: "Bei uns ist alles aus einem Guss", versichert Carr.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2019
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