Süddeutsche Zeitung

Bekannte Adresse:Wie beim Discounter, nur edel

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Beim Trachten-Secondhand-Markt des Starnberger Trachtenvereins stehen die Kunden Schlange

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Natalie Feniuk hält freudestrahlend ein Dirndl in die Höhe. Es ist so gut wie neu, elegant, mit seidig glänzendem Mieder und dazu passender Schürze. "Ich habe einen Treffer gelandet", erklärt die Starnbergerin stolz. Für das "Superschnäppchen" hat sie auf der Verkaufsaktion "Trachtengwand aus zwoater Hand" am Samstag gerade mal 45 Euro bezahlt. Jetzt könne sie sich auf der Wiesn sehen lassen, sagt die 37-Jährige. Anerkennend bleibt Irmi Fischer stehen. "Mir gefällt es selbst sehr gut", sagt sie. Fischer hat das Dirndl schweren Herzens zum Verkauf angeboten. Sie würde es gerne noch tragen, aber sie sei herausgewachsen. Nun trifft sie die neue Besitzerin hier - so ein Zufall.

Der Trachten-Secondhand-Markt, den der Heimat- und Trachtenverein Starnberg jedes Jahr veranstaltet, ist weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt als gute Adresse, um Tracht zum erschwinglichen Preis zu erstehen. Dieses Mal geht es erstaunlich ruhig zu, die Schlange vor der Türe des Vereinsheims ist nur 20 Meter lang. Es gab schon Zeiten, da kamen die Interessenten schon eine Stunde vor Eröffnung, um unter den Ersten zu sein und ja nichts zu verpassen. Denn es werden immer nur 50 Personen in den Verkaufsraum eingelassen, damit das Gedränge nicht zu groß wird. Und meistens sind die besten Schnäppchen schon nach einer Stunde weg, so wie heute etwa ein Charivari. Die Schmuckkette aus massivem Silber mit Jagdanhängern, die Männer an der Lederhose tragen, hat für 75 Euro einen Abnehmer gefunden. Hirschfänger indes gehen nicht mehr so gut, seit man sie nicht mehr auf die Wiesn mitnehmen darf. Dafür sei "der neueste Gag" ein Flaschenöffner mit Hirschhorngriff, den sich die Männer anstatt des Messers in die Tasche stecken, weiß Helferin Claudia Bill.

Der Student Florian Schwepcke aus Starnberg will sich komplett für eine Hochzeit einkleiden, zu der er eingeladen ist. Die Tracht, die der 22-Jährige zuhause hat, sei zu einfach, er suche etwas Elegantes. Schon für 100 Euro bekommt er hier Lederhose, Hemd und Janker. Das sei der Preis für eine Ausstattung, wie sie der Discounter anbietet. Das komme aber für ihn nicht in Frage, nie würde er im Wiesn-Outlet einkaufen, sagt Schwepcke. Seine Freundin Maya Amatuzzi aus Italien erzählt, dass sie für sich schon mit dem ersten Griff ein superelegantes Dirndl gefunden habe. Jetzt berät sie Schwepcke, doch der kann sich nicht entscheiden zwischen einer reich bestickten Lederhose oder einer einfachen, die aber gut sitzt.

Neben ihm betrachtet sich ein junger Mann, der seinen Namen nicht verraten will, skeptisch im Spiegel. "Ich habe halt keinen Lederhosenhintern", stellt er fest und probiert ein anderes Modell. Während die Lederhosen früher schon nach einer Stunde ausverkauft waren, biegt sich heute die etwa vier Meter lange Verkaufstheke unter Bergen von verschiedenen Modellen. Sogar edle Hirschlederne für rund 150 Euro sind darunter. Die Dirndl indes gingen laut Helferin Waltraud Altwickler superschnell weg.

Nach Angaben von Brigitte Wackerl, die die Aktion seit 13 Jahren organisiert, haben etwa 150 Leute ihre gebrauchte Tracht zum Verkauf abgegeben. Für Wackerl beginnt die Arbeit schon vier Wochen vorher, wenn sie die Verkaufsnummern vergibt. "Ich kann kein Telefon mehr hören", seufzt ihr Ehemann Hans Wackerl, der bei Beratung, Verkauf, Auf- und Abbau hilft. Wenn der Verkaufsraum mittags zugesperrt wird, muss die Kasse geprüft und nicht verkaufte Ware wieder zurücksortiert werden. Wie Elisabeth Buchner sagt, sei der Verein auf die Einnahmen dringend angewiesen. Sie kommen der Jugendarbeit zugute, denn für Kinder und Jugendliche wird die Tracht vom Verein gestellt.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2018
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