Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in Bayern:Erste Kontaktpersonen dürfen Haus wieder verlassen

  • Knapp 200 Menschen sind in Bayern in "häuslicher Isolierung", weil sie engeren Kontakt zu einem der Coronavirus-Infizierten hatten.
  • Zwei Wochen müssen sie daheim bleiben. Diese Zeit gilt bei Experten als maximale Inkubationszeit des Erregers.
  • Die ersten Kontaktpersonen sind nun seit einigen Tagen aus der Quarantäne befreit, teilte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit.

Von Carolin Fries und Kassian Stroh

Zwei Wochen lang durfte er nicht unter Leute, nicht aus dem Haus. An diesem Montag aber soll das vorbei sein. So hofft es der Familienvater aus dem Landkreis Starnberg - und er freue sich darauf, endlich wieder Freunde treffen zu können, wie er erzählt. Nicht, dass ihm gesundheitlich etwas fehlte. Aber vor zwei Wochen hatte er einen Bekannten getroffen, bei dem später das Coronavirus nachgewiesen wurde, ebenfalls ein Mann aus dem Landkreis, ein Mitarbeiter der Firma Webasto, wo der Erreger in Deutschland erstmals aufgetreten ist. Das reichte für das Gesundheitsamt, um eine 14-tägige Isolation zu Hause anzuordnen. Was er vermisst habe in dieser Zeit? "Normalität", sagt der Mann.

So wie ihn hat nach offiziellen Angaben knapp 200 Menschen in Bayern das Schicksal ereilt, völlig gesund zu sein, zum Schutz anderer aber daheim bleiben zu müssen. In "häuslicher Isolierung", wie das offiziell heißt. Die wird über alle verhängt, die engeren Kontakt zu einem der mittlerweile zwölf Infizierten in Bayern hatten - etwa weil sie Kollegen oder Angehörige sind. Die Dauer von zwei Wochen rührt daher, dass Experten diese Zeit als maximale Inkubationszeit des Erregers annehmen, also als Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit.

Die ersten dieser knapp 200 Personen sind nun seit einigen Tagen aus der Quarantäne befreit, wie das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf Anfrage mitgeteilt hat. Sie werden am Ende noch einmal auf das Virus getestet; ansonsten gelten laut LGL für sie aber keine Vorgaben mehr, sie werden auch nicht weiter beobachtet. Ein großer Teil der Quarantänen wird vermutlich bis Mitte der Woche aufgehoben. Auch weil die Hälfte der Isolierungen Mitarbeiter der Firma Webasto betrifft, wo der erste Fall am Montag vor zwei Wochen nachgewiesen wurde und deren Zentrale in Stockdorf am Mittwoch erstmals wieder aufmachen soll.

Normalität kehrt damit aber noch nicht zurück. Denn nach wie vor werden neue Fälle bekannt und wieder mögliche Kontaktpersonen ermittelt: Erst am Freitagabend meldete das LGL, dass auch eine 48 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck positiv getestet wurde. Sie war zuvor selbst isoliert, da sie mit einem 52-jährigen Webasto-Mitarbeiter verheiratet ist, bei dem in der vergangenen Woche der Erreger nachgewiesen wurde. Beide sind nun im Klinikum Schwabing, so wie sechs weitere Patienten auch. Allen gehe es gut, lediglich die Frau und ein weiterer Mann zeigten "grippeähnliche Symptome", heißt es aus der Klinik. Auch hier könnte für die ersten Patienten der Tag nahe sein, an dem sie das Krankenhaus verlassen dürfen: Wann der richtige Zeitpunkt dafür sei, werde "derzeit intensiv diskutiert", teilte das LGL am Wochenende mit. Dort habe eine ärztliche Expertenkommission darüber beraten. "Die Empfehlung soll in Kürze vorliegen."

Die Patienten im Krankenhaus werden deutlich strenger isoliert und überwacht als die sogenannten Kontaktpersonen. Aber auch für letztere gelten strenge Regeln: Täglich zweimal Fiebermessen, täglich ruft das Gesundheitsamt an, kontrolliert, ob man zu Hause ist und wie man sich fühlt. Kontakte zu anderen sind verboten, Hausbesuche ohnehin, das Robert-Koch-Institut des Bundes empfiehlt sogar, nicht mit dem Rest der Familie zusammen zu essen. Das aber haben, wie Betroffene berichten, die bayerischen Gesundheitsämter nicht so streng gehandhabt. Auch das LGL ließ wissen, dass letztlich die "Einschätzung der individuellen Situation" durch das örtliche Gesundheitsamt entscheidend sei.

Die Betroffenen belastet die Situation gleichwohl, so wie den Familienvater. An diesem Montag muss er noch einmal zum Test ins Gesundheitsamt. Es wird dann das dritte Mal sein, dass ein Arzt bei ihm einen Abstrich nimmt. Für die erste Probe schickte die Behörde vorvergangene Woche einen Arzt zu ihm nach Hause, zwischenzeitlich ließ er sich aus eigenen Stücken ein zweites Mal testen - zum Schutz der Familie, wie er sagt. Beide Ergebnisse waren negativ: Erreger wurden keine nachgewiesen. Trotzdem will er unbedingt anonym bleiben. Denn seine Frau und die Kinder mussten ihre Kontakte zwar gar nicht einschränken, wurden im Ort aber immer wieder geschnitten, wie der Vater berichtet. Er sagt auch: "Ich mag nicht mehr."

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SZ vom 10.02.2020/baso
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