VerkehrNeue Bahnbrücke in Königswiesen wird eingeschoben

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Bisher fährt die S-Bahn noch über die alte Brücke aus sdem Jahr 1907. Das neue Bauwerk direkt daneben wird gerade für den Einschub im September vorbereitet
Bisher fährt die S-Bahn noch über die alte Brücke aus sdem Jahr 1907. Das neue Bauwerk direkt daneben wird gerade für den Einschub im September vorbereitet (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Ersatzbau auf der S-Bahnlinie 6 ist fast fertig und wird demnächst an seinen vorbestimmten Ort gebracht. Davor wird es noch einmal richtig laut in dem Ort südlich von Gauting. Direkte Anwohner bekommen daher ein Hotelzimmer spendiert.

Von Michael Berzl, Gauting

Am Ortseingang von Königswiesen, etwa eineinhalb Kilometer südlich von Gauting, stehen gerade zwei Bahnunterführungen direkt nebeneinander: ein mehr als hundert Jahre altes Bauwerk mit schwarzen, verschmutzten Wänden, eng und niedrig – das kann bald weg. Und nur wenige Meter entfernt die neue Brücke: deutlich größer, blanker Beton. Sie wird die alte ersetzen. Angesichts der Größenunterschiede erscheint das kaum möglich. Wie soll das passen?

Wie es doch geht, wird von Freitag, 12. September, anzusehen sein. Ein halbes Jahr nach Beginn der Bauarbeiten an der Zugstrecke in Richtung Mittenwald im Abschnitt zwischen Gauting und Starnberg steht mit dem Einschub der neuen Betonkonstruktion der spektakuläre Höhepunkt bevor. Die Zugstrecke ist dann für ein paar Tage komplett gesperrt.

Bis dahin sind noch einige Arbeiten zu erledigen. Neben blauen Büro- und Werkzeugcontainern, die auf der gesperrten Fahrbahn – einer wichtigen Ortsverbindung – stehen, dudelt aus dem Baustellenradio Bayern-3-Musik, weiter oben wird noch betoniert. Auf der Ebene, auf der einmal Schienen verlaufen werden, verstreichen sechs Arbeiter mit gelben Gummistiefeln den nassen Beton, der per Kran geliefert wird.

Auf der anderen Seite der Bahnlinie wurde ein Hang abgegraben, um Platz zu schaffen für eine Behelfsstraße nur für die Anwohner, wenn Lastwagen das Abbruchmaterial abtransportieren. Fußgänger können die Baustelle derzeit noch in einem hölzernen Tunnel durchqueren, der mit Leuchtstoffröhren beleuchtet ist. Auf mehreren Schildern wird darauf hingewiesen, dass Radfahrer dort absteigen müssen.

Währenddessen verfolgt eine Anwohnerin am offenen Fenster ihres Hauses direkt an den Gleisen mit gemischten Gefühlen die Arbeiten. „Ich bin hier in der Pole-Position“, sagt sie und lacht. Seit 48 Jahren wohne sie hier, erzählt sie, dass die Brücke irgendwann erneuert wird, wisse sie seit Jahrzehnten. Das sei keine Überraschung. Und jetzt passiert es eben. „Ich muss das jetzt halt ertragen, aber es ist auch gut, wenn es wieder vorbei ist“, sagt sie. Und: „Ich bewundere die Logistik, die Ingenieurleistung, die dahintersteckt“.

Ihr und einigen weiteren Anwohnern stehen während der Abbrucharbeiten im September ein paar Tage mit Höllenlärm bevor. Wenn sie möchte, darf sie auf Kosten der Bahn deswegen vorübergehend in ein Hotelzimmer umziehen. Das ist keine nette Geste des Unternehmens, sondern so im Planfeststellungsbeschluss notiert, der Grundlage für die Brückenerweiterung ist.

Die Hauser Straße ist seit einem halben Jahr für Autos gesperrt. Für Fußgänger wurde ein kleiner Holztunnel gezimmert; Radler müssen dort absteigen.
Die Hauser Straße ist seit einem halben Jahr für Autos gesperrt. Für Fußgänger wurde ein kleiner Holztunnel gezimmert; Radler müssen dort absteigen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Einen besonderen Service gibt es auch für Schüler, die östlich der Bahnlinie wohnen und daher während der Sperrung vom MVV-Bus abgeschnitten sind. Sie können in der ersten Unterrichtswoche nach den Sommerferien mit dem Taxi nach Gauting fahren. Der Baustellenbereich ist in der Zeit vom 11. bis 19. September auch für Fußgänger und Radler nicht mehr passierbar.

Der Abbruch der alten Brücke über die Hauser Straße und der Einschub des neuen Bauwerks ist der spektakulärste Abschnitt von Arbeiten, die Anfang dieses Jahres begonnen haben und inklusive aller Änderungen an Fahrbahnen erst im nächsten Jahr abgeschlossen sein werden.

Nach Überzeugung der Verantwortlichen bei der Bahn war das alles unvermeidlich; die Lebensdauer der bestehenden Brücke aus dem Jahr 1907 sei erreicht, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Der „zentrale Meilenstein“ ist demnach zeitlich genau befristet: von Freitag, 12. September, um 2 Uhr nachts bis Dienstag, 16. September, um 4 Uhr am frühen Morgen. Am Samstag, Sonntag und Montag fahren dort keine S-Bahnen und Züge.

Bereit für den Einschub: Die alte Bahnbrücke wird abgebrochen, die neue Unterführung wird breiter und höher.
Bereit für den Einschub: Die alte Bahnbrücke wird abgebrochen, die neue Unterführung wird breiter und höher. (Foto: Michael Berzl)

Bisher war die Durchfahrtshöhe auf 3,80 Meter beschränkt – mit etwas Luft nach oben, wie ortskundige Lastwagenfahrer wussten. Der Verkehr musste mit einer Ampel geregelt werden, weil die Durchfahrt so eng war, dass zwei Autos im Begegnungsverkehr kaum aneinander vorbeikamen. Die neue Bahnbrücke wird deutlich größer. Künftig ist die Durchfahrt 4,50 Meter hoch, die Unterführung wird neun Meter breit und entspricht damit vorgegebenen Förderrichtlinien. Die Fahrbahn wird abgesenkt und zweispurig ausgebaut. Künftig gibt es auf beiden Seiten je einen Gehweg und nicht nur auf einer Seite wie bisher.

Die Gesamtkosten zusammen mit den Umbauten an den Straßen und Gehwegen belaufen sich nach Angaben des Starnberger Landratsamtes voraussichtlich auf 8,75 Millionen Euro. Etwas mehr als ein Drittel der Summe übernehme die Bahn, genauer: die DB Infrago AG, teilt Behördensprecherin Barbara Beck mit. Knapp zwei Drittel der Kosten entfallen demnach auf den Landkreis als sogenannter Straßenbaulastträger. Allerdings dürfe der Kreis wiederum mit einem Zuschuss von bis zu 40 Prozent von der Bezirksregierung rechnen.

Viele Königswieser hätten das Geld gerne gespart und die alte, vergleichsweise enge und niedrige Unterführung behalten, eben weil da nicht alles durchpasst. Matthias Ilg, ein Gegner des Ausbaus, Sprecher der Bürgerinitiative „Gegenverkehr“ und Gemeinderat der Grünen in Gauting, hält den Neubau für überflüssig: „Die alte Brücke steht doch noch da wie eine Eins. Da fahren die Züge mit der Maximalgeschwindigkeit von 140 Kilometern pro Stunde drüber.“

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Zudem befürchtet er, dass eine Ersatzumfahrung für das vom Durchgangsverkehr geplagte Starnberg entsteht, wenn die Unterführung in Königswiesen erst breiter und höher ist. Die Initiative hatte sich lange gewehrt, Unterschriften gesammelt, bis vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig prozessiert, ist aber unterlegen. Der Widerstand der Königswieser gegen eine neue Brücke hat schon eine lange Vorgeschichte. Laut Ilg gab es schon in den Achtzigerjahren einen Versuch, das Bauwerk zu erneuern, damals sei das aber auf juristischem Weg verhindert worden.

Frühestens Ende nächsten Jahres ist die Straße fertig

Die nächsten Monate werden zeigen, welche Auswirkungen der Ausbau der Bahnüberführung in Königswiesen tatsächlich hat. Die Anwohnerin, die am nächsten an der Unterführung wohnt, könnte sich sogar vorstellen, dass es eine Entlastung im Vergleich zum vorherigen Zustand gibt, wenn der Verkehr wieder fließt, weil dann keine Lastwagen mehr mit laufendem Motor an der roten Ampel stehen. Bis die Arbeiten komplett abgeschlossen sind, dauert es bis weit ins nächste Jahr.

Im November übernimmt das Staatliche Bauamt Freising von der Bahn das Regiment an der Baustelle. Zunächst wird für die Winterpause von Dezember bis März eine provisorische Durchfahrt hergestellt; wie lange die Unterführung dann tatsächlich für den Verkehr freigegeben ist, hängt sehr vom Wetter ab. Voraussichtlich von März an ist dann die Hauser Straße wieder komplett gesperrt.

Dann beginnen Arbeiten an den Straßen und Böschungen im Umfeld der Bahnbrücke, diverse Leitungen werden neu verlegt, was „ebenfalls noch weitreichendere Arbeiten erforderlich“, macht, wie Michael Meister, Sprecher des Bauamts mitteilt. Er rechnet damit, dass dort frühestens Ende kommenden Jahres wieder Autos fahren können.

Zugleich beginnt nur etwas unterhalb von Königswiesen, ebenfalls im kommenden Jahr, die nächste Baustelle. Wann genau, steht bis jetzt nicht fest. Die Kreuzung mit der Straße nach Starnberg soll mit einer Ampelanlage versehen werden, nachdem die ursprünglichen Pläne für einen Kreisverkehr gescheitert waren.

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