Das Zuhause der Alt-Katholiken in Bad Tölz liegt ein wenig versteckt an der Benediktbeurer Straße. Ein schönes, altes Haus mit einer Glaspforte, hinter der die kleine Tennerkapelle zu sehen ist. Im Leben der Kurstadt wird die Filialgemeinde selten wahrgenommen, nun aber rückt sie in die Schlagzeilen: Anselm Bilgri, ehemaliger Prior des Klosters Andechs, ist zu den Alt-Katholiken übergetreten.
"In dieser Kirche ist all das verwirklicht, was auch meine Vision von Katholizismus in der modernen Welt ist", begründet der frühere Benediktiner-Mönch seinen Übertritt. Für Peter Priller, Priester der Alt-Katholiken, ist dieser Schritt "gar nicht so spektakulär". Dennoch freut er sich darüber: "Es ist gut, das gibt uns einen gewissen Bekanntheitsgrad." Und manch einem vielleicht einen Grund, sich etwas näher mit dieser selbständigen katholischen Kirche zu befassen.
Er glaube "nicht mehr an den aufrichtigen Reformwillen der römisch-katholischen Kirche", sagt Bilgri. Als Benediktiner war er bis 2004 als Cellerar der Abtei St. Bonifaz und als Prior im Kloster Andechs tätig, ehe er im Streit mit dem neu gewählten Abt Johannes Eckert aus dem Orden austrat. Er blieb Priester, war aber vor allem als Buchautor, Coach und Vortragsredner tätig. Ende vorigen Jahres trat er ganz aus der römisch-katholischen Kirche aus.
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Der gehörte auch Priller einmal an. Vor 30 Jahren wurde er zum Priester geweiht, wonach er drei Jahre lang in Bad Tölz als Kaplan und dann ein halbes Jahr in Wolfratshausen wirkte, ehe er sich zu seiner Homosexualität bekannte. Die Folge: Friedrich Kardinal Wetter suspendierte ihn, wenig später folgte die Exkommunikation.
Vor ein paar Jahren war Bilgri schon einmal zu Besuch bei den Tölzer Alt-Katholiken, damals feierte er die Christmette mit. Man sei zwar miteinander bekannt, "aber dick befreundet bin ich mit ihm jetzt nicht", sagt Priller.
Die Tölzer Alt-Katholiken gehören als Filialgemeinde zum Pfarramt München und sind für drei Landkreise zuständig. Sie zählen etwa 100 Mitglieder, die ehrenamtlich von Priller als Kurat betreut werden. Mit vier, fünf Familien sei man vor allem in Lenggries stark vertreten, sagt er. Die Alt-Katholiken spalteten sich nach dem Ersten Vatikanischen Konzil im 19. Jahrhundert von der römisch-katholischen Kirche ab, weil sie unter anderem das Unfehlbarkeits-Dogma des Papstes ablehnten.
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Etliche Lehren sind zwar identisch geblieben, etwa der Glaube an die Dreifaltigkeit und an Christus als Gott und Mensch, auch die Marienverehrung gibt es. "Aber ohne krasse Auswüchse", schränkt Priller ein. "Wir haben keinen Fatima-Rosenkranz." Auf der anderen Seite sind die Alt-Katholiken trotz ihres Namens um einiges moderner als die römische Kirche.
"Unser Name ist in der Tat problematisch", sagt Priller. Denn oftmals werde man in die erzkonservative Traditionalisten-Ecke gerückt, gar als Lefebvre-Anhänger gesehen. Dabei haben die Alt-Katholiken eine synodale Struktur, ihr Bischof wird gewählt, seit 1996 dürfen auch Frauen dort alle Weihe-Ämter ausüben, gleichgeschlechtliche Paare werden getraut. Ein Pflichtzölibat für Priester gibt es nicht.
All dies hat auch Bilgri angesprochen. Er ist nicht der einzige Prominente bei den Alt-Katholiken. Priller zufolge gehörten einst auch der Komponist Richard Strauss, die Schauspielerin Paula Wesely und der Modedesigner Karl Lagerfeld zu ihnen. In Bad Tölz fristet die kleine Gemeinde nicht mehr wie ehedem ein pures Außenseiterdasein. Dazu trägt auch ein besseres Verhältnis zur katholischen Pfarrgemeinde Maria Himmelfahrt bei, seit Peter Demmelmair dort Stadtpfarrer ist. Seit Allerheiligen dürfe man etwa den Gottesdienst in der Tölzer Franziskanerkirche feiern, betont Priller. Die Tennerkapelle ist in Corona-Zeiten dafür zu klein.