Ausstellung:Spaltung im Atombunker

Künstlergruppe Aukio feiert ihr zehntes Jubiläum in schwierigen Zeiten

Von Katja Sebald, Pähl

Die Anfahrt ist immer noch schwierig, denn das "Aukio" ist eigentlich ein weißer Fleck auf der Landkarte. Navigationsgeräte kennen die Adresse "Kerschlacher Forst 1" nicht, und Handys haben dort mitten im Wald sowieso keinen Empfang. Nicht zuletzt war es die abgeschiedene Lage des ehemaligen "Warnamts X", die Marlies Zahn-Ebert sofort begeisterte: Mit anderen Künstlerinnen und später auch Künstlern mietete sie sich vor zehn Jahren in den Verwaltungsgebäuden des ehemals streng geheimen Atombunkers ein, eines architektonischen Relikts des Kalten Krieges. An diesem Wochenende feiert die Künstlerkolonie "Aukio" ihr zehnjähriges Bestehen, 25 der mittlerweile etwa 40 Künstler öffnen ihre Ateliertüren. Und auch einige ehemalige Mieter stellen noch einmal mit aus.

Anfangs hatten sich die Künstlerinnen als reine Zweckgemeinschaft verstanden. "Wir haben nicht vor, zusammen zu arbeiten", sagte eine von ihnen damals, aber sie ist längst nicht mehr dabei. Auch Auli Klee, die den finnischen Namen "Aukio" für Lichtung vorgeschlagen hatte, lebt inzwischen wieder in Finnland. Von der Autodidaktin bis zur Akademieabsolventin war damals alles vertreten - und das ist auch heute noch so. Aber es findet ein reger Austausch statt, einige Malerinnen treffen sich regelmäßig, um über ihre Bilder zu sprechen. "Die Beziehungen zwischen den einzelnen Künstlern sind sehr unterschiedlich", sagt Organisatorin Marlies Zahn-Ebert. Farbmalerei ist die am meisten vertretene künstlerische Position, aber auch Bildhauer, Installationskünstler und Fotografen arbeiten im "Aukio". Das ehemalige Casino ist inzwischen zum Herzstück des Gebäudes geworden, hier trifft man sich zu Malkursen und anderen Veranstaltungen, an diesem Sonntag wird dort das Jubiläum mit einer Matinée gefeiert: 14 "Ehemalige" stellen hier aus, es gibt einen Rückblick auf zehn Jahre "Aukio", Jazzmusik und natürlich auch ein Buffet.

Ausstellung: Die Tutzinger Künstlerin Heide Schmidt-Lippe zeigt ihre gelben und schwarzen Masken.

Die Tutzinger Künstlerin Heide Schmidt-Lippe zeigt ihre gelben und schwarzen Masken.

(Foto: Arlet Ulfers)

Rundum zufrieden ist Marlies Zahn-Ebert, wenn sie zurückblickt: "Viele Künstler haben sich hier von den ersten Anfängen entwickelt und sind an die Öffentlichkeit getreten." Besonders freut sie sich darüber, dass "die Gruppe lebt" und auch immer wieder junge Künstler dazukommen.

In jüngster Zeit hat sich allerdings ein Schatten über die blühende Lichtung gelegt: Nach dem Tod des früheren Eigentümers Hartgar Peterseil, der sich auf dem Atombunker eine Blockhütte als Jagddomizil errichtet hatte, ist die Situation für die Künstler schwierig geworden: "Er hat uns immer gefördert und unterstützt", sagt Zahn-Ebert, "der neue Eigentümer aber hat uns die Miete um dreißig Prozent erhöht, viele Künstler können das nicht zahlen und müssen sich etwas Neues suchen." Am liebsten würde sie für die ganze Gruppe ein neues Domizil finden, sie ist sich sicher, dass alle mitgehen würden, wie sie sagt.

Zahlreiche Besucher aber erwarten die Künstler an diesem Wochenende: Wie immer, wenn sie ihre Ateliers öffnen, kommen viele auch, um den ungewöhnlichen Ort zu sehen: Gerade einmal zwölf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte man in der jungen Bundesrepublik mit dem Aufbau eines flächendeckenden Warnsystems zum Schutz der Zivilbevölkerung im Falle eines Luft- oder ABC-Angriffs begonnen. In den zehn sogenannten Warnämtern, die einer strengen militärischen Geheimhaltung unterlagen und deshalb auf dem gesamten Bundesgebiet verteilt in dichten Wäldern versteckt errichtet wurden, sollten im Verteidigungsfall knapp 200 Mann starke Belegschaften Unterkunft finden, um die Bevölkerung mittels Rundfunk und Sirenen vor Gefahren zu warnen. Die zehn baugleichen Bunker waren mit Notstromaggregaten, Vorräten und Krankenstationen auf einen dreißigtägigen autarken Betrieb ausgerichtet. Das Warnamt X im Kerschlacher Forst, angeblich auf dem höchsten Punkt zwischen Ammersee und Starnberger See, war zuständig für ein Gebiet, das ungefähr dem Freistaat Bayern entspricht. Sehr abgelegen ist der Ort noch immer, geheim allerdings nicht mehr: Von der B2 weisen mittlerweile immerhin zwei Schilder den Weg zum "Aukio".

Ausstellung: Marlies Zahn-Ebert organisiert die Jubiläumsausstellung im Kerschlacher Forst.

Marlies Zahn-Ebert organisiert die Jubiläumsausstellung im Kerschlacher Forst.

(Foto: Arlet Ulfers)

Die Ateliers sind an diesem Wochenende samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr geöffnet, am Sonntag findet von 12 Uhr an eine Matinée statt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: