Ausstellung:Schicht für Schicht

Dießen: Taubenturm Carmen Jäckel

Ohne Titel: eines der Gemälde, das Carmen Jäckel derzeit im Dießener Taubenturm zeigt.

(Foto: Nila Thiel)

Carmen Jäckel zeigt ihre Ölgemälde im Taubenturm Dießen

Von Katja Sebald, Dießen

Man könnte eilig an diesen Bildern vorüber gehen. Gedeckte Farben auf allen drei Etagen des Dießener Taubenturms. Mittlere bis kleine Formate. Nichts, was nach Aufmerksamkeit schreit. Und doch hat es die Malerei von Carmen Jäckel in sich - auch im wörtlichen Sinn.

Carmen Jäckel, 1964 in Mömlingen bei Miltenberg geboren, sie studierte bei Rudi Tröger und Jerry Zeniuk an der Münchner Akademie. Sie lebt heute in Entraching. Als Person ist sie ebenso zurückhaltend wie ihre Bilder, die sie ohne Titel in die Welt hinaus schickt und nur selten in Ausstellungen zeigt. Auf den ersten Blick könnte man diese Bilder, allesamt in Öl auf Leinwand entstanden, vielleicht für großzügig impressionistische Landschaftseindrücke halten, jedoch ohne flirrendes Sonnenlicht, ohne leuchtende Farben und ohne Glitzern auf Wasserflächen. Stattdessen das verwaschene Blau von Hortensien im Schatten oder von welkenden Glyzinien, der blasse Ton von fast verblühtem Flieder, vielleicht das morbide Rosé von englischen Rosen vor dunklem Buchsbaum, silbrige Weiden über einem trüben Teich - aber alles in so engen Bildausschnitten, dass man, abgesehen von den Farben, keinen Bezug zur Realität herzustellen weiß.

Aber Jäckel ist keine Blumenmalerin und erst recht keine Pleinair-Malerin. An ihren Bildern arbeitet sie viel länger als nur einen Frühling oder einen Sommer, und die Eindrücke, die sie aus der sie umgebenden Natur am ländlichen Ammersee-Westufer empfängt, finden allenfalls in stark verdichteter Form Eingang in ihre konsequent abstrakt gedachte Malerei. Ihre Bilder entstehen in langen, oft jahrelangen Arbeitsprozessen durch fortwährendes Auftragen und Abtragen von dicken, pastosen Farbschichten.

Einmal gefundene Oberflächenstrukturen aus groben Pinselstrichen mit beinahe reliefartiger Qualität werden wieder zerstört, und es entstehen neue Strukturen aus vertikal oder horizontal verlaufenden Spachtelspuren. Es werden tiefer und noch tiefer liegende Schichten freigelegt, sodass sich im Bild andersfarbige Bildräume öffnen.

Ganz bewusst spielt die Künstlerin mit Wahrnehmungsgewohnheiten, indem sie mal dem darunter, mal dem darüber Liegenden den Vorrang gibt. Sie selbst hat eine Vorliebe für alte Textilien, nicht zufällig erinnern ihre Farben an leicht verschlissene Stoffe. Und nicht zufällig entfalten sich auch in ihren Bildern gewebeartige Strukturen, die ebenso dicht wie offen sind.

Vielleicht sind darin auch die Erinnerungen an einen blühenden Garten verwoben, und vielleicht enthalten sie auch Verweise auf die Welt der Dinge. Sie verbergen diese aber unter ihren vielen Übermalungen, wie sie auch nur an einigen wenigen Stellen, am Rand der Leinwand etwa oder an einem winzigen freigelegten Fleck, einen Blick auf die klaren, leuchtenden Farben gestatten, die Jäckel auf den Malgrund aufträgt, bevor sie überhaupt mit dem eigentlichen Bild beginnt. Bevor eine ihrer Bildgeschichten zu konkret wird, verunklärt Jäckel sie mit neuen Pinselstrichen, mit weiteren groben Texturen, die von nichts als von der Malerei erzählen wollen. Es entstehen Bilder, die es in sich haben, und die für den Betrachter, hat er sich erst einmal auf sie eingelassen, eine immer wieder neue Herausforderung darstellen.

Die Ausstellung von Carmen Jäckel ist nur noch am kommenden Wochenende, 15. und 16. Juni, samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr im Taubenturm beim Marienmünster Dießen zu sehen.

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