Ausstellung:Momentaufnahmen aus Israel

Dießen, Ausstellung Jüdisches Leben

Straßenszenen im Großformat: der Fotograf Noah Cohen (rechts) zusammen mit dem Journalisten Alois Kramer bei der Eröffnung der Ausstellung am Freitagnachmittag.

(Foto: Georgine Treybal)

Nur für ein Wochenende sind in Dießen Fotografien von Noah Cohen und Shlomo Pozner zu sehen. Die beeindruckenden Bilder zeigen alltägliche Straßenszenen und intime Einblicke in orthodoxes Familienleben

Von Armin Greune, Dießen

Einsichten in den israelischen Alltag aus zwei ganz unterschiedlichen Blickwinkeln sind noch an diesem Sonntag von 10 bis 13 Uhr in Dießen zu entdecken. Auf Einladung des Journalisten Alois Kramer präsentieren die beiden Fotografen Noah Cohen und Shlomo Pozner Bilder aus dem Land, in dem sie aufgewachsen sind. Weil das Studio am Marktplatz 2 neben dem Lokal "La Gondola" eigentlich für Tanz-Workshops und Veranstaltungen verpachtet ist, bleibt leider nur ein ganz kurzes Zeitfenster an diesem Wochenende für die zwar zufällige und spontane, aber doch beeindruckende und interessante Gemeinschaftsausstellung offen.

Das Schlüsselbild zu ihrer Entstehung hängt an der zentralen Säule im Raum: ein Selbstporträt von Shlomo Pozner im traditionellen Gewand der orthodoxen Juden - neben ihm steht seine Partnerin im Minirock. Mit Kramers Tochter Elisabeth lebt der 25-Jährige seit einem Jahr in Berlin. Pozner stammt aus Jerusalem und ist mit elf Geschwistern in einer ultraorthodoxen Familie aufgewachsen. Das Doppelporträt, unprätentiös nur als Laserprint mit Tesafilm aufgehängt, wirkt wie eine Inszenierung fürs Familienalbum.

Aber Pozner sieht sich nicht als Regisseur, sondern eher als Dokumentarfilmer. "Ich lichte einfach ab, wähle die Ausschnitte und zeige die Realität." Seine Fotos sind intime Zeugnisse des Lebens der eigenen, streng religiösen Familie. Zu den Momentaufnahmen bei den Hochzeiten der Geschwister gehört neben feierlichen Augenblicken der Anblick einer mit schmutzigen Geschirr gefüllten Spüle. Pozner habe "stets zuerst ein Konzept im Kopf, bevor er sein Bild baut," sagte Professor Werner Kroener bei der Ausstellungseröffnung am Freitag. Jedes Element sei beabsichtigt, in den Konstruktionen verbinde der Künstler kritische Distanz zur Orthodoxie mit der Suche nach der eigenen Identität. Dass Pozners Fotos in Dießen nur als an die Wand geheftete Computerausdrucke im DIN A3-Format zu betrachten sind, war zwar nicht beabsichtigt, passe aber gut zum Schauplatz der Bilder, denn in Israel werde Improvisation groß geschrieben, sagt Kramer. Für ihn, der lange in Dießen arbeitete und in Denklingen lebt, lag es auf der Hand, Noah Cohen in die Ausstellung einzubeziehen.

Der renommierte Fotograf lebt seit 34 Jahren im Ortsteil Dettenschwang und kommt aus einem weniger von Religiosität geprägten Umfeld in Tel Aviv. Er zeigt unter dem Titel "Kaw 405 - Tel Aviv - Jerusalem" ebenso großformatige wie großartige Straßenszenen entlang der Busstrecke zwischen den größten Städten in Israel. Cohen fängt auf der Reise Bilder waghalsig-moderner Architektur ein, sucht aber eigentlich immer die Menschen.

Auf den Betrachter wirken die Bilder so lebendig, als stünde man ihnen live gegenüber: ausgelassen tanzende Mädchen, alte Araber im Café, ein Talmudschüler feixt vom Balkon herunter. Den Motiven nähere sich Cohen "mit der Haltung des Jägers, der seine Beute liebt", so Kroener: Der Künstler finde das pralle Leben "in irgendwelchen düsteren Straßenecken" und habe so vom Alltag in Israel "einen repräsentativen Ausschnitt eingefroren".

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