Ausstellung:Kampf und Elend

100 Jahre nach Kriegsende zeigt Ortsarchivar Erich Rüba, welche Wunden der Erste Weltkrieg in Weßling riss. Dokumentiert sind Soldatenschicksale an der Front und das Zwangsarbeitslager auf Gut Mischenried

Von Patrizia Steipe, Weßling

Freiwillig hatte sich der Maler Heinrich Brüne aus Oberpfaffenhofen am 11. August 1914 zum Kriegsdienst gemeldet. Patriotisch gesinnt sei er "unter die Fahnen gegangen, um alles vergessend nur meinem geliebten Vaterland gewissenhaft meine Schuldigkeit als Angehöriger zu entrichten", schrieb er in einem Brief an seine Frau Sophie. Bald schon kam die Ernüchterung. Die ersten Soldaten waren gefallen. Bereits am 28. August 2014 starb Martin Spiegl; Anselm Plonner traf es am 5. September 1914 und Franz Xaver Diller am 29. September 2014. Am 7. Februar 1915 schrieb Brüne an seine Frau: "... wann wird dieser Krieg einmal sein Ende finden, dieses furchtbare Zerreißen und Zerfetzen der warmblütigen Menschenleiber?" Die Briefe sind Teil der Ausstellung "1914-1918 - Künstler an der Front" in der Weßlinger Gemeindegalerie.

Ausstellung zum Ende des 1. Weltkriegs

Von vielen Familien hat Ortsarchivar Erich Rüba Exponate für die Ausstellung "1914-1918 - Künstler an der Front" erhalten.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ortsarchivar Erich Rüba hat die Exponate anlässlich des Endes des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zusammengestellt. Neben Gemälden örtlicher Künstler, die Soldaten in Schützengräben, Aquarelle aus einem Kinderkrankenhaus und die Skizze "abgekämpfte Landser (Will Haas) zeigen, hat Rüba Dokumente, Fotos und Alltagsgegenstände zusammen getragen. Zum Beispiel ein Büchlein mit Soldatenliedern aus dem Jahr 1914: "Stolz ziehen wir in die Schlacht", lautet der Titel. Es findet sich auch aber das "Trost- und Gebetbüchlein für die Gefangenen des Völkerkrieges - Ich war gefangen". Es gehörte Georg Sigl, der nach 1528 Tagen in französischer Gefangenschaft 1918 in die Heimat zurückgekehrt war. Fündig geworden ist der Ortsarchivar im Münchner Kriegsarchiv, im Pfarrarchiv und im Gemeindearchiv. "Als Sammler kommen die Sachen direkt auf einen zu, wenn man die Augen offen hält", verriet Rüba. Er selbst hat erst vor kurzem passenderweise beim Unkraut jäten ein im Erdreich vergrabenes Bajonett gefunden. Die rostige Stichwaffe hat jetzt einen Platz in der Ausstellung gefunden. Jahrelang hat die hölzerne Beinprothese von Martin Seibert an der Rückwand zwischen seinem Wohnhaus und der Scheune gelehnt. Ein Granatsplitter hatte dem Bauernsohn die schwere Verwundung zugefügt. In der Ausstellung ist das Foto der Prothese zu sehen.

Ausstellung zum Ende des 1. Weltkriegs

Mit wehenden Fahnen zogen Soldaten auch in den Seekrieg.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Garten der Gemeindegalerie stehen 40 Holzkreuze mit den Namen der 13 Weßlinger, 20 Oberpfaffenhofener und sieben Hochstadter Soldaten, die im Krieg gefallen sind. Ihre Bilder finden sich bis auf drei, die Rüba nicht auftreiben konnte, auf einer Übersichtstafel, aber auch teilweise auf den Sterbebildchen wieder: "In treuester Pflichterfüllung den Heldentod für's Vaterland" liest man dort. Nur ein Gefallener wurde in der Heimat begraben. Maria Wunderl hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihren Mann, der im Feldlazarett im Elsass gestoben war, heimzuholen.

Ausstellung zum Ende des 1. Weltkriegs

40 Männer aus Weßling, Oberpfaffenhofen und Hochstadt sind im Krieg gefallen, symbolisiert durch 40 Holzkreuze.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Verluste haben weitreichende Spuren in den Orten hinterlassen. "Ganze Hofstrukturen wurden durcheinander gebracht", erzählte Rüba. Bauern wie Anton und Maria Vogl verkauften ihren Grund, weil es keine Erben mehr gab. Einige Weßlinger Familien konnten Feldpost für die Ausstellung beisteuern. Da sieht man einen schneidigen Soldaten und liest Worte wie "kann's denn wohl was Schönres geben als den edlen Soldatenstand".

Auch wenn die Männer in den Krieg gezogen waren, musste auf dem Land die Arbeit weiterlaufen. Auf Gut Mischenried wurde 1916 ein Zwangsarbeiterlager eingerichtet. Etwa 100 Arbeiter aus Frankreich und Russland sollten hier Gräben ausheben, um das Aubachtal zu entwässern. "Die Arbeit soll mit Kriegsgefangenen gemacht werden, also ziemlich billig. Auch steht ein großer Staatszuschuss in Aussicht. Nur wenige sind dagegen", schrieb damals Pfarrer Anton Ferstl in seinen Aufzeichnungen. Der Winter 1917 war bitterkalt. In Briefen klagten die Soldaten über Hunger und Kälte, den Kriegsgefangenen im Mischenrieder Lager ging es kaum besser. Am 23. März 1917 wurde es aufgelöst.

Gegen Ende des Krieges wurden noch alle Reserven mobilisiert. Die Weßlinger mussten ihre Kirchenglocken zum Einschmelzen abgeben. Auf dem Foto in der Gemeindegalerie sieht man den Bahnhofsvorsteher Simon Sailer an der Laderampe von der Frachthalle am Bahnhof Weßling in mitten von größeren und kleineren Bronzeglocken. Ortsgeistlicher Ferstl berichtete im Februar 1918: "Heute kamen zwei Arbeiter der Firma Hamm, um unsere Glocken abzunehmen; gestern waren sie in Oberpfaffenhofen, Grünsink und Etterschlag vorgestern, Walchstadt kommt übermorgen dran".

Die Ausstellung in der Weßlinger Gemeindegalerie, Hauptstraße 57, ist bis 27. Januar 2019 jeweils freitags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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