Ausstellung in Feldafing:Wunderkammer der Kuriositäten

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Das Stipendiaten-Paar Yolanda Tabanera und Pablo Milicua zeigt im Palmenhaus der Villa Waldberta seinen "Alpentraum". Die Ausstellung ist ein Dokument der Sammelleidenschaft, zu den Exponaten gehören Kuhglocken genauso wie Collagen und Barockengel.

Von Katja Sebald, Feldafing

Seit Mitte Juli sind Yolanda Tabanera und Pablo Milicua als "Künstlertouristen" im bayerischen Voralpenland und in Tirol unterwegs. Nichts ist vor ihrer Forscher- und Sammelleidenschaft sicher: Sie waren auf dem Heiligen Berg und in der Wies, in Dießen und in Oberammergau. Sie haben Stuck, Marmor und Lüftlmalerei, Perchten, Kuhglocken, Lederhosen, Barockengel, Fatschenkindl und "Heilige Leiber" fotografiert. Sie haben Grauenhaftes in Souvernir-Shops eingekauft und Wunderbares aus dem Wald geschleppt. Jetzt zeigen sie ihre Fundstücke unter dem Titel "Alpentraum" im Palmenhaus der Villa Waldberta in Feldafing.

Eine Wand voller Schätze: Yolanda Tabanera und Pablo Milicua zeigen in Feldafing ihre Fundstücke. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Wir sind ein Ehepaar, aber eigentlich kein Künstlerpaar", sagt Yolanda Tabanera. Im Rahmen eines Stipendiums der Stadt München arbeitete sie erstmals mit ihrem Mann Pablo Milicua an einem gemeinsamen Projekt - allerdings unter den denkbar schwierigen Bedingungen dieses Sommers. Sie hatten an ausgedehnte Flohmarktstreifzüge und Volksfeste gedacht, an eine große Ausstellung, zu der sie andere Künstler einladen wollten, und an einen offenen Raum der Begegnung. Wegen der Corona-Pandemie ist es vorerst nur ein Traum en miniature geworden: Eine kleine und bezaubernde Rauminstallation, Wunderkammer und Forschungslabor zugleich, vielleicht auch Entwurf für das, was in besseren Zeiten noch folgen könnte.

Die Collage "Alpentanz" mit Schuhplattlern ist von Milicua. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Sogenannte Kunst- und Wunderkammern entstanden an den europäischen Fürstenhöfen des 16. Jahrhunderts. Sie versammelten alles, was als Kunst galt, und alles, was der Zeit wesentlich erschien: Gemälde, Kupferstiche und Plastiken, Bücher aller Wissensgebiete, Münzen und Medaillen, astronomische Geräte, Globen, Atlanten, aber auch Skelette, Fossilien und Mineralien, Drechselarbeiten aus Elfenbein, kunstvoll gravierte Straußeneier, kostbar gefasste Kokosnüsse und anderes Kurioses oder Exotisches.

Das Keramik-Objekt mit Muscheln und nachgebildeten Tierzähnen stammt von Tabanera. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Für die beiden spanischen Künstler ist die süddeutsche Ausprägung des Barock ebenso kurios und exotisch wie die alpenländische Volkskunst und die Erzeugnisse einer Jodelbayernindustrie, die von den Hotspots des Fremdenverkehrs in die globalisierte Welt hinausgetragen werden. Mit dem Blick von außen hinterfragen die beiden Traditionen und Folklore, Darstellungskonventionen und Praktiken des Brauchtums, sie stellen neue Zusammenhänge her und lassen uns Vertrautes auf wirklich wundersame Weise fremd erscheinen. Alpenpanoramen aus Papier und riesenhafte Hirschgeweihe, Postkarten und Zeitungsausrisse, Kitsch und Kostbarkeiten, kleine Plüschmöbelchen aus dem Keller der Villa, Zeichnungen, Collagen, Amulette, Glasobjekte sind zu einem ebenso feinsinnigen wie hintersinnigen Kosmos der Merkwürdigkeiten angeordnet.

Für Yolanda Tabanera, 1965 in Madrid geboren, war es nicht der erste "Zusammenstoß" mit der bayerischen Kultur: Sie studierte Ende der 1980er Jahre an der Münchner Akademie und kehrte seither immer wieder für Ausstellungsprojekte nach Deutschland zurück. Ihr kreatives Spektrum beschränkt sich nicht auf Malerei, sie arbeitet auch mit Fundstücken und handwerklich hergestellten Objekten. Pablo Milicua wurde 1960 in Bilbao geboren, wo er eine deutsche Schule besuchte. Auch seine künstlerische Praxis basiert auf dem Sammeln von Fundstücken und verschiedenen Materialien, die er mit Assemblage- und Collagetechniken neu arrangiert.

Die Ausstellung "Alpentraum" ist am Freitag, 4. September, am Montag, 7. September, und am Dienstag, 8. September, jeweils von 17 bis 19 Uhr zu sehen. Einlass ist jeweils zur vollen und halben Stunde. Nur nach Anmeldung und Bestätigung unter villawaldberta@muenchen.de.

© SZ vom 04.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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