Ausstellung:Gehäkelte Schmarotzer

Die beiden Künstlerinnen Judith Siedersberger und Kim Siyoung zeigen in der Starnberger Ausstellungsreihe "Nah-fern" ihre Textilkunst, Fotocollagen und Objekte

Von Katja Sebald, Starnberg

Man braucht ein bisschen Fantasie, um die titelgebenden "Parasiten" in dieser Ausstellung zu verorten. Die Textilkünstlerin Judith Siedersberger lässt derzeit freundliche Objekte mit organischen, pflanzen- oder auch gefäßartigen Formen aus den maroden Wänden der ehemaligen Schalterhalle im Bahnhof am See wachsen, Kim Siyoung zeigt dreidimensionale Fotocollagen und Zeichnungen, in denen man neben Wolkenformationen auch fellartige Strukturen entdecken könnte. Aber wo genau lauern die Schmarotzer? Und müssen wir uns womöglich vor ihnen fürchten wie vor Bettwanzen und Zecken? Sicher nicht, denn die mittlerweile 41. Ausstellung in der von den Künstlerinnen Katharina Kreye, Ulrike Prusseit und Ursula Steglich-Schaupp im Auftrag der Stadt Starnberg kuratierten Reihe ist insgesamt eher harmlos.

Judith Siedersberger wurde 1966 in Hengersberg geboren, sie lebt heute in Bamberg. Wenn man weiß, dass sie eine Ausbildung zur Korbflechterin an der deutschlandweit einzigen Schule dieser Art im oberfränkischen Lichtenfels absolvierte, bevor sie mit dem Schwerpunkt Textilkunst in Nürnberg studierte, dann sind ihre Arbeiten schnell erklärt: Im Zentrum des Ausstellungsraums zeigt sie auf weißen Podesten rote Objekte aus dichtem Korbgeflecht. Diese länglichen, an beiden Seiten offenen Gebilde mit ihren Ausbuchtungen und Verengungen lassen an eine Art Fischreusen denken. Tatsächlich aber tragen sie den Titel "Wurmlöcher". Die Künstlerin erläutert, dass sie sich von den Formen bestimmter Kalkablagerungen auf Muscheln inspirieren ließ, wie sie überhaupt oft von in der Natur Gefundenem zu ihren Arbeiten angeregt wird.

Ausstellung: Judith Siedersberger in ihrer Installation "Körper".

Judith Siedersberger in ihrer Installation "Körper".

(Foto: Arlet Ulfers)

"Behausungen" heißen die naturfarbenen Gebilde, die, würden sie nicht an der Wand, sondern stehend präsentiert, deutlich an die ursprüngliche Funktion von Korbgefäßen erinnerten. Den rückwärtigen Ausgang der Schalterhalle, den vor ihr viele andere Künstler als Kabinett für Rauminstallationen nutzten, hat Siederberger mit dunklem Stoff ausgekleidet. Vor diesem Hintergrund hat sie von der Decke hängende, aus Nylonschnur locker gehäkelte wurmartige "Körper" von unten effektvoll beleuchtet. Und schließlich ist in einer Raumecke eine Ansammlung von Blüten aus rotem Kunstfell drapiert.

Eine spannende und spannungsreiche Biografie zwischen den Kulturen lässt sich aus den wenigen Zeilen herauslesen, mit denen die junge Künstlerin Kim Siyoung in der Ausstellung vorgestellt wird. Bei der Vernissage konnte sie nicht anwesend sein, weil sie an einem Projekt in Südkorea arbeitet. Geboren 1976 in Berlin, lebte sie von 1980 bis 2000 in Korea. An der Cho-Sun Universität in Gwangju City begann sie ein Kunststudium, das sie an der Akademie der Bildenden Künste in München fortsetzen und 2007 abschließen konnte. Seither arbeitet sie in den Bereichen Collage und Zeichnung, wobei zeichnerische Strukturen auch mit Nadel und Faden auf textilem Untergrund entstehen können.

In Starnberg zeigt sie zwei ihrer größeren dreidimensionalen Fotocollagen, für die sie verschiedene Bildzitate zu bühnenartigen Anordnungen arrangiert. So lässt sie etwa hinter dem Schwarzweiß-Foto einer zerstörten Stadt riesenhafte, giftfarbige Explosionswolken aufscheinen. Eine apokalyptische Szenerie bildet auch das Zentrum einer, ebenfalls mit ausgeschnittenem Fotomaterial aufgebauten, Altararchitektur. Auf und vor dieser sakral anmutenden Bühne agiert Personal verschiedener Religionen, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Epochen treffen aufeinander. Dreidimensional, nun aber eher zu prismenförmigen Objekten gefaltet, sind auch weitere kleinere Fotocollagen, in denen das ursprüngliche Bildmotiv nurmehr eine untergeordnete Rolle spielt. Und schließlich setzen sich Wolkenformen und Faltungen auch in den Zeichnungen fort, ergänzt durch Anleihen aus Architektur und Natur.

Bis 11. November jeweils freitags 16 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags 14 bis 18 Uhr.

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