Ausstellung:Fliegende Eisenstäbchen

Kunstanarchist Johannes Constantinides und Maler Stefan Wehmeier präsentieren im Starnberger Kulturbahnhof in der aktuellen "Nah - fern"-Ausstellung eine höchst spannende Gratwanderung

Von Katja Sebald, Starnberg

Jetzt hat also der Münchner "Kunstpirat" Johannes Constantinides ausgerechnet mit einem U-Boot den Bahnhof in Starnberg geentert - trotz der hohen Ansprüche, die von den drei Kuratorinnen der Reihe "nah - fern" an die Künstler gestellt werden, die sie in die zur Kunsthalle mutierten ehemaligen Schalterhalle bitten. Begleitet wird der Kunstpirat auf seinem Eroberungszug vom Maler Stefan Wehmaier, der mit seinen Bildern von Bergmassiven und schneebedeckten Gipfeln sozusagen ein Fachmann für das "Hohe" ist.

Hohe Kunst schafft der 1945 in Piräus geborene Zypriot Johannes Constantinides mindestens seit 1970. Als Student von Hermann Kaspar hatte er sich damals um ein DAAD-Stipendium beworben und eine Absage erhalten mit der ausdrücklichen Empfehlung, sich nicht nochmals zu bewerben: Die Anforderungen an ausländische Studierende für ein solches Stipendium seien "sehr hoch", hieß es zur Begründung. Constaninides fragte daraufhin zurück, wie hoch genau die Ansprüche seien, er habe nämlich einen Apparat gebaut, der kleine Eisenstäbchen acht Meter in die Luft schleudern könne. Und falls das immer noch nicht ausreichend hoch sei, könne er auch das ganze Jury-Gebäude in die Luft springen lassen. Absage und Antwort hat der in der Münchner Szene als "Hansi" Constantinides bekannte Kunstanarchist fast fünfzig Jahre später noch einmal auf die Publikation zur aktuellen Ausstellung drucken lassen; auch den Schussapparat für hohe Kunst besitzt er noch und führt ihn auch gerne vor.

Starnberg: nah & fern 'ECHO'

Der Münchner „Kunstpirat“ Johannes Constantinides (im karierten Hemd) will seine Installation samt Boot auf dem dunklen „Grund“ der Starnberger Schalterhalle als Hommage an Lothar-Günther Buchheim verstanden wissen.

(Foto: Nila Thiel)

Constantinides schafft nach eigener Aussage "Kunst für Kunstanalphabeten" und verleiht zuweilen ausgewählten Personen aus Kulturpolitik und Staatswesen das "Kunstblindenabzeichen". Nach Starnberg aber ist er in einem monumentalen Papierboot gereist, dass sich dank eines selbstgebauten Periskops auch für den Einsatz in großer Tiefe eignet. Seine Installation auf dem dunklen "Grund" der Schalterhalle will er als Hommage an Lothar-Günther Buchheim verstanden wissen, der 1940 ebenfalls für kurze Zeit Student von Hermann Kaspar war - damals freilich unter gänzlich anderen politischen Vorzeichen.

Die "Landstriche" von Stefan Wehmeier füllen eine ganze Wand der Schalterhalle. Wehmeier, Jahrgang 1955, lebt und arbeitet in Windach am Ammersee. Landschafts- und Natureindrücke bestimmen seine künstlerische Arbeit. In Starnberg zeigt er eine Auswahl von Papierarbeiten, die er unter dem Titel "Landstriche" zusammenfasst: Es handelt sich dabei um Zeichnungen, die mit ebenso fahrigen wie sensiblen Strichen die Umrisse von Bergformationen abbilden und extrem sparsam koloriert bestimmte Landschaftsstimmungen oder Lichtsituationen evozieren. Eine Reihe größerer Arbeiten aus dem Jahr 2014 wird von einigen kleineren Blättern begleitet, die erst im vergangenen Jahr entstanden sind und als schlüssige Fortsetzung verstanden werden könnten: Es geht jetzt endgültig nicht mehr um die Wiedergabe einer gesehenen Landschaft, sondern vielmehr um eine höchst spannende Gratwanderung zwischen Auflösung und Verdichtung. Durchaus reizvoll nehmen sich diese "Kritzeleien" vor den vielfach verwundeten Wänden des maroden Ausstellungsraums aus.

Starnberg: nah & fern 'ECHO'

Zwei Fachmänner für hohe Kunst: Stefan Wehmeier (links) malt schneebedeckte Gipfel, Johannes Constantinides führte 1970 mit einem Schussapparat hohe Stipendiatskriterien ad absurdum.

(Foto: Nila Thiel)

Ergänzt werden sie auf der gegenüberliegenden Seite des Raums von drei großen Gemälden in Öl auf Leinwand. Eines davon zeigt unter dem Titel "Glauninger Massiv" dramatisch zerklüftete Berggipfel und schneebedeckte Hänge in subtilen Abstufungen zwischen Weißgrau, Gelbweiß und Grünweiß. Die anderen beiden stellen surreal anmutende baumbestandene und nebelverhangene Landschaften dar.

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Juni jeweils donnerstags und freitags von 16 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen.

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