Ausstellung:Fenster zur Scheinwelt

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Die Münchner Künstlerin Isabella Berr zeigt im Haus der bayerischen Landwirtschaft Bilder, die ihre Motive nicht abbilden, sondern verschleiern und wie gemalt wirken

Von Katja Sebald, Herrsching

Der Irrtum, dass Fotografien objektive Abbildungen der Realität sind, ist so alt wie die Fotografie selbst. Wir, die wir im Zeitalter einer nie versiegenden Bilderflut leben, sollten es längst besser wissen - und wollen doch immer noch glauben, dass uns Fotos die Wahrheit zeigen.

Isabella Berr führt mit ihren "fotografischen Bildern" diese Idee der Objektivität gleichsam ad absurdum: Ihre Arbeiten gleichen eher Traumsequenzen denn Abbildungen, eher impressionistischen Gemälden denn Fotografien.

Eine Auswahl dieser ungewöhnlichen Bilder ist jetzt im Haus der Bayerischen Landwirtschaft in Herrsching zu sehen. In technischer Hinsicht sind die Fotos von Isabella Berr, die 1963 in Schongau geboren wurde und in München lebt, schnell erklärt: Sie fotografiert mit einer Digitalkamera, bearbeitet ihre Aufnahmen digital hinsichtlich Ausschnitt, Kontrast, Tonwert sowie Farbsättigung, druckt sie dann auf mattes Fine-Art Papier, montiert sie auf Alu-Dibond und versiegelt sie zum Schluss noch mit einer matten Acrylglasscheibe.

Als wären es Gemälde: Isabella Berr stellt in Herrsching ihre stark verfremdeten Bilder aus wie das mit dem Titel "Gedanken verloren". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auch das Spektrum ihrer Motive ist relativ überschaubar: Die weitaus meisten Bilder zeigen Menschen, und es scheint, als wären es Menschen, die ihr mehr oder weniger zufällig vor die Kamera gelaufen sind. Es sind Passanten, man erahnt architektonische Hintergründe von Bahnhöfen und Flughäfen, vielleicht auch einfach nur öffentlichen Gebäuden. Ein kleinerer Teil der Fotos bildet landschaftliche Gegebenheiten ab, Boote auf Seen oder einfach nur Grashalme vor einem mattblauen Himmel.

Das Spannende an diesen Fotografien aber ist es, dass sie Motive eher verunklären als abbilden. Diese Aufnahmen wirken nahezu ausnahmslos so, , als habe die Fotografien durch Wasserdampf, eine Nebelwand oder durch eine beschlagene Scheibe geblickt.

Es gibt Spiegelungen, manchmal auch Wassertropfen oder Schlieren und Wischspuren auf diesen Scheiben. Konturen verschwimmen, Vordergrund und Hintergrund werden zu einer einzigen Bildfläche aus helleren und dunkleren Partien. "Zwischenwelt/Engel" hat Isabella Berr eines dieser Fotos genannt, "Schein und Sein" ein anderes.

Isabella Berr steht vor dem Bild "Schwerelos 1". (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Solche Titel legen die Vermutung nahe, dass auch die Künstlerin selbst sich in ihren Bildwelten wie im Traum bewegt und erst nach der Aufnahme das eigentliche Bild findet. Das Bildmotiv und die "Realität", die es "abbildet", sind nicht zu fassen, sondern weichen gleichsam zurück. Wenn Fotografie normalerweise ein Fenster zur Welt ist, dann sind diese Bilder ein Fenster zu einer Welt, die es nicht gibt, sondern die der Betrachter sich selbst ergänzen, erträumen oder schlicht auch erfinden muss.

Die Aufnahmen, die in dieser Ausstellung gezeigt werden, sind denkbar ungeeignet, um als Beweis dafür zu dienen, was sich in einem bestimmten Moment ereignet hat. Sie sind vielmehr surreale Bilder von möglichen Ereignissen.

Bis 26. Juni im Haus der Bayerischen Landwirtschaft , Montag bis Freitag 7.30 bis 19 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen nach Absprache.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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