Im ehemaligen Getreidespeicher des Gestüts Isarland ist auch in diesem Sommer Kunst zu sehen. "Es ist wieder mal ein richtig großes Familienfest", sagt die Künstlerin und Galeristin Alinde Rothenfußer, die als Ableger ihrer Münchner "Galerie Orplid" auch "Orplid in Isarland" betreibt. Dort zeigt sie heuer unter dem Motto "Künstler aus der Umgebung" insgesamt 36 verschiedene zeitgenössische Positionen: Ruth Kohler aus Münsing ist als Grande Dame der abstrakten Malerei ebenso vertreten wie Bernd Zimmer aus Polling und die frischgebackene Tassilo-Preisträgerin Elena Carr aus Starnberg.
Das ebenso idyllisch gelegene wie düstere Gestüt Isarland ist eine Schöpfung des Nazi-Emporkömmlings und Hitler-Duzfreunds Christian Weber: Unter der Ägide des rüden Pferdeknechts wurde es in den Jahren 1939 bis 1942 errichtet, Träger war der von ihm selbst gegründete "Verein zur Förderung der Pferdezucht in Bayern". Die mittlerweile denkmalgeschützte dreiflügelige Anlage, die ursprünglich von einer axialen breiten Zufahrtsallee erschlossen wurde, ist ein Paradebeispiel für den alpenländischen Heimatschutzstil in der NS-typischen, pathetisch-monumentalen Ausprägung. In den Feldern des Fachwerks finden sich heute noch eingeschnittene Runenzeichen, im geschnitzten Gebälk des Lagerhauses noch die gereckten Fäuste ehemaliger Fahnenträger. Rothenfußer präsentiert dort in den Sommermonaten eigene Arbeiten sowie die befreundeter Künstler und langjähriger Wegbegleiter, in diesem Jahr hat sie erstmals auch junge Münchner Akademieabsolventen eingeladen.
Im Erdgeschoss feiert diese Ausstellung die Malerei: Man betritt den ersten von vier übereinander liegenden großen Ausstellungsräumen mit Blick auf ein Landschaftsbild von Zimmer in Gelb- und Grüntönen. Daneben haben die dunklen, beinahe abgründigen Gemälde von Peter Casagrande Platz gefunden. Es ist, als würde sich der Raum an dieser Wand öffnen und in den Bildern fortsetzen. Auch die farbstarken Gemälde von Kohler lehnen an den Wänden und ragen beinahe raumhoch auf. Es sind dynamische und enorm vitale, stets von der Farbe ausgehende Bildkompositionen. Wie hingeworfen, aber doch punktgenau und enorm präsent wirken die wilden blautonigen Berglandschaften von Ernst Heckelmann.
Im ersten Stock empfangen drei beinahe monochrom schwarze Blätter von Walter Tafelmaier den Besucher. Ihre höchst subtilen, dabei ausdrucksstarken Zeichnungen geben den Ton für diese Etage vor; eingestimmt wird man bereits durch die dicht an dicht gehängten Bilder von "Alinde", so der Künstlername der Kuratorin. Es sind kleinformatige Zeichnungen, die auf stark verfremdeten Fotografien entstehen und sich zu erzählerisch-figürlichen Bildwelten fügen. Auch die feinsinnigen Druckgrafiken von Sabine Beck haben hier einen Platz im Treppenhaus gefunden. Drinnen dann eine ganze Reihe der "Angstzeichnungen" von Peter Zeiler: Kleine und sehr dichte Radierungen, die mit wenigen Strichen existenzielle Lebenssituationen auszudrücken wissen und tief unter die Haut gehen. Wie eine kleine Zeichnung im Raum hingegen erscheint das gestrickte, fischreusenartige Haus von Monika Supé.
Auf dem Weg nach oben könnte es passieren, dass man an der grandiosen Arbeit von Elisabeth Heindl vorbeigeht, so dezent ist ihr Eingriff in die bestehende Raumsituation: Die Installation aus dünnen farbigen Metallplatten an Fäden bildet mit ihrer filigranen Konstruktion und ihrer feinen Glätte einen hochästhetischen und reizvollen Kontrast zur maroden Oberfläche der Mauer. Im Halbdunkel des Dachgeschosses geleiten dann die geheimnisvoll leuchtenden, von den Balken herabschwebenden Fotoarbeiten von Inge Doldinger den Besucher zum einzigen Fenster auf dieser Etage. Und durch dieses Fenster, so scheint es, sind die "Fremdlinge" von Max Wagner hereingekommen: Diese eigenartigen Wesen wie von einem anderen Stern sind kaum einen halben Meter groß und aus Ton geformt, sie bilden ein eindringlich-freundliches Heer, das wohl nicht zufällig an die berühmte Terrakotta-Armee in Zentralchina erinnert.
Das betongrau-kühle Kellergeschoss hat die Jüngeren unter den ausstellenden Künstlern zu meist installativen Arbeiten inspiriert: Nadja Baschang zeigt Fotos von Prothesen in Leuchtkästen und Elena Carr einen ebenso spröden wie poetischen "Schlafraum". Keine Familienfeier ohne Generationenkonflikt: Die Kuratorin fand die jungen Künstler viel zu "verkopft" und hat dem Raum nachträglich mit ihren Fotos die ihr eigene Fröhlichkeit verliehen.
Die Ausstellung ist bis 14. Oktober jeweils samstags und sonntags, 14 bis 18 Uhr, sowie nach Vereinbarung unter Tel. 0172/96 21 480 zu besichtigen.