Ausstellung:Die Ferien des Zauberers

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Sammler Gernot Abendt beleuchtet in einer Ausstellung im Tutzinger Ortsmuseum Thomas Manns Aufenthalte am Starnberger See. Die Schau ist zugleich eine Zeitreise in das beschauliche Dorf nach dem Ersten Weltkrieg

Von Katja Sebald, Tutzing

Vom Tutzinger Ortsmuseum sind es nur ein paar Schritte zum altehrwürdigen "Café Hofmair", an das freilich nur noch der Schriftzug an der Fassade erinnert. Im Jahr 1920 befand sich in diesem Gebäude die "Konditorei Dreher". Und dort dürfen wir uns nun jenen distinguierten Herrn mit dem eleganten Schnauzbärtchen vorstellen, der dort ein Hörnchen verspeist oder schon auch einmal das "gute Mürbegebäck zum Thee" mit nach Hause nimmt.

Tutzings früherer Dritter Bürgermeister Gernot Abendt öffnet die Schatztruhe mit Postkarten und Briefen. (Foto: Nila Thiel)

Insgesamt vierzehn Aufenthalte des Schriftstellers Thomas Mann im "Villino" am südlichen Ortsrand von Feldafing sind für die Jahre 1919 bis 1923 belegt. Bekanntlich arbeitete Mann im Sommerhaus seines Freundes Georg Martin Richter am "Zauberberg", von dem dort aufgestellten Grammophon ließ er sich zur Niederschrift des berühmten Kapitels "Die Fülle des Wohllauts" inspirieren. Anhand seiner Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit lässt sich aber auch geradezu minutiös rekonstruieren, was er dort sonst noch machte, wo er auf seinen Spaziergängen unterwegs war, wen er besuchte, wo er einkaufte und was er aß.

Eine Zeichnung aus "Wälsungenblut". Reproduktion: Nila Thiel (Foto: Nila Thiel)

"Thomas Mann am Starnberger See" hat der Ortsgeschichtsforscher und Thomas-Mann-Sammler Gernot Abendt deshalb die aktuelle Sonderausstellung im Tutzinger Ortsmuseum überschrieben, mit der er sich den langgehegten Wunsch erfüllt, dem verehrten Dichter seine Reverenz zu erweisen.

Dass er sich schon als Jugendlicher mit Thomas Mann beschäftigte, wenn auch notgedrungen, das kann Gernot Abendt mit dem Originalbändchen von "Tonio Kröger" beweisen, das er in den Sechzigerjahren als Schullektüre lesen musste. Sein "Zauberberg-Erlebnis" hatte er dann im Alter von 27 Jahren, als er mehrere Monate in einem Lungensanatorium verbringen musste.

Im Ortsmuseum sind verschiedene Werke Thomas Manns zu sehen. (Foto: Nila Thiel)

Danach las er Thomas Manns Roman und fragte sich: "Woher weiß der das alles?" Und von da an war es um ihn geschehen. Er wurde nicht nur begeisterter Leser, sondern auch leidenschaftlicher Sammler von allem, was mit Thomas Mann zu tun hat: Erstausgaben und seltene Bücher, Briefe, Zeitungsausschnitte, Fotos und Postkarten. Dass er als Oberstleutnant der Bundeswehr im Jahr 1994 an Ort und Stelle war, als auf dem Gelände der Fernmeldeschule das "Villino", zwischenzeitlich zur Hausmeisterwohnung und dann zum Büro der Bauverwaltung degradiert, wiederentdeckt wurde, dürfte seine Begeisterung noch befeuert haben. Die aktuelle Ausstellung, die nicht nur sehr anschaulich Thomas Manns Beziehung zum Starnberger See zeigt, sondern auch eine Zeitreise in das noch beschauliche Tutzing in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg darstellt, entstand mit Unterstützung der Antiquarin Barbara van Benthem.

"Die Starnberger Sphäre zieht mich eben doch am meisten", schrieb Thomas Mann 1922 an den Schriftsteller Ernst Bertram. Aus dem Tagebuch erfahren die Ausstellungsbesucher nun auch von einem Mittagessen bei der vornehmen Frau von Prittwitz in Tutzing, die zwar eine "sympathische Aristrokratin" mit "französischen Brocken in der Rede" war, aber offensichtlich so wenig aufgetischt hatte, dass der hungrige Dichter auf dem Heimweg noch in der Konditorei einkehren musste. Zum Einkaufen im Kaufhaus Bodemann ging er oft von Feldafing zu Fuß nach Tutzing. Aber auch auf dem Fahrrad war er unterwegs, bei Regen "in Lodenpelerine und Gummischuhen". Im Jahr 1920 war er zusammen mit Lion Feuchtwanger bei Bruno Frank in Feldafing zum Abendessen eingeladen, auch Besuche bei Emma Bonn sind belegt.

Erstausgaben von Thomas Manns "Zauberberg". (Foto: Nila Thiel)

Von einer Segelfahrt nach Seeshaupt und einer nachmittäglichen Einkehr im "Hotel Simson" berichtet er, von Spaziergängen in der Waldschmidt-Schlucht, die er fälschlich als "Waldschmied-Schlucht" bezeichnet, und von Fußmärschen am See entlang in Richtung Starnberg.

Zur körperlichen Ertüchtigung in freier Natur stand ihm außerdem ein Ruderboot zur Verfügung. Nach einem solchen Sportprogramm konnte der distinguierte Herr eine ganze Terrine Nudelsuppe und zwei Pfannkuchen verputzen.

Am Abend notierte er im Tagebuch: "Es war sehr warm, ich fuhr ohne Rock und Weste und legte auch die Hosenträger ab. Da ich kein Unterjäckchen trug, war der Oberkörper, nur mit dem Hemd bekleidet, dem Luftzuge frei, was ein sehr angenehmes Gefühl ist. Für den Kulturmenschen grenzt Natürlichkeit nahe an Wollust."

© SZ vom 16.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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