Ausländerbeirat:"Man muss das Fremde entfremden"

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Taj Blaschke weiß wie es sich anfühlt, nicht akzeptiert zu sein. Deshalb engagierte sie sich in dem Starnberger Gremium. Nun hört sie nach 15 Jahren auf.

Interview Von Carolin Fries, Starnberg

Integration ist ihre Leidenschaft: 15 Jahre hat sich die Schweizerin und Amerikanerin Taj Blaschke im Ausländerbeirat des Landkreises für Menschen aus anderen Nationen eingesetzt, sechs Jahre davon als Vorsitzende. Zusammen mit 14 weiteren Gremiumsmitgliedern vertrat sie die Interessen von etwa 17 000 Menschen aus 153 Nationen. Zum Jahresende gibt die 59 Jahre alte Diplom-Chemikerin, die in Starnberg eine Hausverwaltung leitet, ihr Amt an Jasmina Prokic ab.

SZ: Sie leben seit 24 Jahren in Starnberg. Was hat Sie damals veranlasst, für den Ausländerbeirat zu kandidieren?

Taj Blaschke: Anfangs waren ja nur Vertreter aus Gastarbeiterländern im Gremium, erst 2003 wurde die Satzung geändert. Da habe dann auch ich einen Brief bekommen und bin damit zum Landratsamt gegangen. Ich wollte wissen, was das bedeutet. "Sie helfen Menschen aus dem Ausland bei den Behördengängen", hat man mir gesagt und ich dachte nur: Hätte man mir damals geholfen - ich wäre wahnsinnig dankbar gewesen.

Das heißt, Sie hatten selbst Probleme?

Mit den Behörden zu arbeiten, ist nicht einfach. Alleine die sprachlichen Barrieren! Ich konnte zwar ein wenig Deutsch, aber kein Bayerisch. Doch vor allem war da das Gefühl, nicht akzeptiert zu sein. Außer bei der Post: Dort war man immer nett zu mir.

Wurden Ihnen dann Personen zur Betreuung vermittelt, oder kamen diese von alleine auf Sie zu?

Das war unsere erste Hürde: Wie machen wir uns bekannt? Also haben wir eine Broschüre in dreizehn Sprachen übersetzen lassen, um uns und unsere Arbeit vorzustellen.

"Gesellschaftlich sind wir schon sehr weit": Taj Blaschke engagierte sich 15 Jahre lang im Starnberger Ausländerbeirat. Zum Jahresende gibt die Diplom-Chemikerin ihr Amt ab. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Mit welchen Projekten ging es dann weiter?

Wir haben aus dem "Tag der Ausländer" 2004 das internationale Straßenfest gemacht. Das wurde unsere Visitenkarte. Darüber hinaus gab es viele Miniprojekte zur Integration: Zum Beispiel einen Malwettbewerb in allen Grundschulen des Landkreises unter dem Titel "Wie siehst Du Deutschland?", jährlich Advents- und Nikolausfeiern und 2016 ein internationales Kräuterfest, das insbesondere die vielen Asylbewerber angesprochen hat.

Apropos Asylbewerber: Wie hat die starke Zunahme der Antragsteller Ihre Arbeit verändert?

Das Ausländeramt im Landratsamt belastet das seit 2011 sehr. Den Ausländerbeirat weniger. Wir wurden anfangs vor allem gefragt, wenn es sprachliche Probleme gab, weil es in unserem Gremium eine professionelle Übersetzerin gibt. Aber: Wir sind kein Übersetzungsbüro, das läuft inzwischen nicht mehr über den Ausländerbeirat. Es ist im Prinzip wie mit allen ausländischen Mitbürgern. Wer Hilfe braucht, kann sich melden. Viel federn da allerdings die Helferkreise ab.

Wie viele Menschen berät der Ausländerbeirat im Jahr?

Ich habe aufgehört zu zählen. Es sind viele. Und ganz unterschiedliche Anliegen. Das häufigste sind Probleme mit der Aufenthaltsgenehmigung - was auch daran liegt, dass die Behörden so überlastet sind. Aber es gibt auch ganz andere Fälle, in die wir eingebunden werden, wie etwa eine geplante Zwangsverheiratung. Pro Jahr sind es insgesamt etwa 100 Fälle, um die wir uns kümmern. Dabei sprechen die Betroffenen ihre Betreuer selbst an und fragen um Hilfe.

Warum hören Sie jetzt auf?

Ich komme aus Hollywood. Man muss erkennen, wann es an der Zeit ist zu gehen. Sie müssen wissen: Ich war sehr aktiv und prominent. Und als Vorsitzende ist es sehr viel Arbeit.

Wie viel Zeit haben Sie in das Ehrenamt investiert?

30 Prozent meiner Zeit. Mindestens.

Wurden Sie für Ihren Einsatz für Ausländer jemals angefeindet?

Nein. Manchmal hatte ich den Eindruck, man nimmt uns nicht ernst. Dagegen habe ich lange angekämpft. Inzwischen haben wir einen ausgezeichneten Ruf.

Nach 15 Jahren Erfahrung: Wie funktioniert Integration?

Es ist harte Arbeit. Man muss das Fremde entfremden. Von beiden Seiten aus. Sehr gut geht das bei gemeinsamen Festen und der Vermittlung von Traditionen. Es ist ganz einfach: Man hat keine Angst vor dem, was man kennt.

Es gab auch einmal unruhige Zeiten: 2016 hat Michael Sinclair aus Protest gegen das bayerische Integrationsgesetz das Gremium verlassen. Haben Sie ihn verstanden?

Nein. Er wollte gegen das Integrationsgesetz protestieren und den Ausländerbeirat da nicht mit hineinziehen. Ich habe seither nichts mehr von ihm gehört.

Wie politisch ist Ihr Gremium?

Wir sind überhaupt nicht politisch. Dürfen es auch nicht sein.

Nun steht ein Umbruch an. Mit Ihnen verlassen 13 Mitglieder das Gremium, weil ihre Amtszeit endet. Was sind die größten Herausforderungen fürs neue Team?

Das Wichtigste ist eine gute Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde. Bis Juli 2017 hat das super funktioniert, dann gab es im Landratsamt viele Wechsel, man kennt uns und unser Angebot kaum noch. Hier müssen neue Beziehungen aufgebaut werden. Gesellschaftlich sind wir schon sehr weit. Grundsätzlich muss man festhalten: Es gibt kein Land, in dem es keine Probleme bei der Integration gibt.

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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