Süddeutsche Zeitung

Auftritt in Andechs:Syrische Verwandtschaft

Der Kabarettist Christian Springer serviert ein paar Überraschungen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Andechs

Christian Springer räumt auf mit dem bayerischen Nationalstolz: Die bayerischen Berge seien nicht von der CSU aufgeschüttet worden und die Zugspitze sei zum ersten Mal nicht von einem Garmischer, sondern von einem Belgier bestiegen worden. Der BMW sei von einem Berliner erfunden worden und Audi komme aus Zwickau. Selbst das Bier sei schon vor 4000 Jahren in Babylonien gebraut worden. Die Kultur hätten nicht die Römer zu uns gebracht, sondern ihre Truppen, und das seien syrische Bogenschützen gewesen. Da diese 300 Jahre lang mit bayerischen Frauen Kinder gezeugt hätten, trage so mancher Trachtenvereinsvorsitzende wohl mehr arabisches Blut in sich, als ihm bewusst sei. Also Vorsicht, wenn syrische oder afghanische Flüchtlinge zu uns kommen: Es könnte sich um Verwandtschaft handeln, warnte Springer am Donnerstag bei seinem Auftritt im Florian-Stadl in Andechs.

Mit seinem neuen Programm "Viel los" trat er erstmals nach der durch die Corona-Pandemie bedingten Zwangspause wieder vor Publikum auf. Wenngleich die Pandemie nicht das Hauptthema seines Programms war ("man mag es nicht mehr hören"), appellierte er an die Besucher, die Künstler zu unterstützen: "Gehen Sie zu den Geigern, Sängern, Kabarettisten und in Ausstellungen; erst dann leben wir wieder". In Andechs blieben im Saal viele Reihen leer.

Springer bringt sein Publikum zwar zum Lachen, wirkt aber selbst selten heiter und entspannt. Eher wie ein Grübler und Zweifler, der den Finger in die Wunde legt, indem er Fakten präsentiert, die vielen unbekannt sind. Er sei allergisch gegen Menschen, die behaupten, dass man nicht mehr sagen dürfe, was man denke, erklärt er und lobt die Meinungs- und Kulturfreiheit in Deutschland.

Als Beispiel dafür, dass man trotz unterschiedlicher Auffassungen durchaus miteinander leben könne, nennt er den CSU-Politiker Horst Seehofer. Als dieser noch Ministerpräsident war, erzählt Springer, habe er ihm einen 80 Seiten langen Brief geschrieben, der "nicht nur nett" gewesen sei. Als er Seehofer dann auf dem Nockherberg begegnete, habe dieser zu ihm gesagt, jetzt sei es an der Zeit, auch dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder einen Brief zu schreiben. "Ich kann nur hier stehen, weil wir hier eine Meinungsfreiheit haben", resümiert Springer.

Der Kabarettist, der sich auch als liebenswerter Grantler und Wiesn-Kritiker "Fonsi" einen Namen gemacht hat, verzichtete auf Kommentare zur aktuellen Politik. Wie sollte er auch, immerhin hat er in seinem neuesten Buch ein Ende der Welt mit einer 95-jährigen Bundeskanzlerin Angela Merkel vorausgesagt. Er muss sich erst auf einen neuen Kanzler Olaf Scholz ("das perfekte Jesuskind") einstellen und darauf, dass die FDP ("die Heiligen Drei Könige") wieder mitregiert.

Söder weist der Kabarettist übrigens die Rolle des Herodes zu. Man darf gespannt sein, wie Springer die Politik der neuen Regierung erklären wird, wenngleich er dem Publikum rät, nicht auf die Kabarettisten zu zählen, wenn es um die Zukunft geht.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2021
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