Auftakt der Ammerseerenade:Halleluja auf dem Heiligen Berg

Ammerseerenade,  Kirill Troussov und John Davis

Daumen hoch: Sänger John Davis (links) und Geiger Kirill Troussov bei der Ammerseerenade.

(Foto: Vincenz Casagrande)

Beim Eröffnungskonzert in Andechs gibt's eine Mischung aus Pop und Klassik

Von Reinhard Palmer, Andechs

Russian Classic meets US-Pop", so der Titel des Eröffnungskonzerts der 5. Ammerseerenade, schien zunächst so etwas wie Äpfel und Birnen in einem Kompott zu sein. Obwohl John Davis ein ebenso großartiger Soul-, Blues- und Gospelsänger ist wie Kirill Troussov ein brillanter Geiger, war die Mischung fraglich. Aber letztlich lieferte Juri Gilbo wohl die richtige Perspektive im recht gut besuchten Andechser Florianstadel. Nein, er sagte nichts, aber er dirigierte die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg in beiden Konzerthälften mit Elan und treffsicherer Verve. Und das sollte wohl heißen: Ob Klassik oder Pop spielt keine Rolle, solange beide Qualität haben und mit Leidenschaft, ja Hingabe interpretiert werden.

Um das glaubhaft zu vermitteln, ging Gilbo in Sachen Temperament mit gutem Beispiel voran. Dabei spielte es keine Rolle, welche Nationalität die Komponisten haben - zumal das Konzert weder ein russischer noch ein US-amerikanischer Komponist eröffnete. Edward Elgar war ein Brite, wie er im Buche steht. Seine frühe Streicherserenade e-Moll op. 20 war dennoch ein guter Start, was die Dramaturgie des Abends betraf. Vergnüglich und geschmeidig fließend meisterte das Orchester den Einstieg. Gilbo feuerte an, ließ die Musik aber auch immer wieder in zarter Empfindsamkeit weit zurücksinken, um dann wiederum in die satte Richtung auszupendeln.

Für Tschaikowsky ließen sich die Musiker etwas besonders einfallen: Sie veränderten die Reihenfolge von Drei Stücke op. 42 "Souvenir d'un lieu cher" und fügten das Valse-Scherzo op. 34 an. So entstand ein wunderbares viersätziges Violinkonzert, das Troussov als Solist mit glühender Dramaturgie anzufüllen verstand. Der in Leningrad (St. Petersburg) geborene Troussov liebt die großen Wirkungen und die effektvolle Finesse, wofür er bei Tschaikowsky reichlich Material fand, präzis in Spieltechnik wie Disziplin vom bis ins Detail aufmerksamen Orchester getragen. Das weite Wogen zwischen elegischem Sinnieren und Rücknahmen ins Empfindsame nutzte der Geiger für ein feinsinnig changierendes Auf und Ab der Gefühle. Das Scherzo geriet in seiner wilden Aufgeregtheit geradezu dämonisch, während sich die Méditation zwischen nostalgischer Melodik und Vergnügtheit bewegte. Das schmissige Valse-Scherzo machte sich ideal als bravouröses Finale, in dem Gilbo das freie Gestalten seines Solisten aufgriff. "Por una Cabeza" aus dem Film "Duft der Frauen" von John Williams lieferte ein ähnliches Ausdrucksprogramm, das aber in einem einzigen Satz einen weiten Bogen schlug, um in Paganinis "Carnavale di Venezia" in der Zugabe eine raffinierte Steigerung zu erfahren.

Eine so packende Konzertdramaturgie entwarfen die Musiker auch für John Davis. Als eine der echten Stimmen der von Frank Farian produzierten, skandalgebeutelten Milli Vanilli hatte er sich in den Neunzigerjahren einen Namen gemacht. Als stilistisch breit aufgestellter Solist reichen seine Erfolge von Soul über Rock und Pop bis hin zum Jazz. Was in seiner Stimme an Färbungen und Kraft steckt, konnte er in Andechs in voller Bandbreite demonstrieren, nicht zuletzt weil sich die mit Schlagzeug und Bläsern aufgepeppte Kammerphilharmonie auch als Bigband vorzüglich machte. Popsongs blieben zum Glück weitgehend aus, stattdessen gab's Standards aus Jazz und Musicals: ein einfühlsames "Summertime", ein bluesiges "Giorgia on my Mind". Mit einer Stimmimitation à la Louis Armstrong begann John Davis "What a wonderful World", um dem Klassiker dann aber eine eigene, soulige Stimme zu verleihen. Eine beeindruckende A-cappella-Einlage folgte mit dem Song "Sunny", in dem er zwischen dem Text auch eine Basslinie in Beatbox-Manier einflocht.

Fürs Finale betrat dann ein rein weiblich besetzter Uttinger Gospelchor die Bühne, um ganz in Weiß mit Backgroundgesang Leonard Cohens "Halleluja" zum großen Finale mit zu verhelfen. Wäre da nicht der Werbeblock für den Käse der Molkerei Andechs gekommen, hätte es sicher noch eine Zugabe gegeben. Schade.

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