Süddeutsche Zeitung

Asyl:Teures Pflaster für Flüchtlinge

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Vermittlung von Wohnraum ist besonders schwierig

Von Armin Greune, Dießen

Von den etwa 160 Geflüchteten, die in der Gemeinde Dießen leben, sind derzeit 114 anerkannte Asylbewerber mit auf bis zu drei Jahre befristetem Aufenthaltsrecht. Mehr als die Hälfte von ihnen steht in einem Arbeitsverhältnis, "viele davon im Niedriglohnsektor wie beispielsweise als Lagerhelfer, im Baugewerbe oder in der Gastronomie", berichtet Asylsozialberater Ferdinand von Liel in seinem Tätigkeitsbericht. Zu Beginn des Jahres konnten sogar noch 80 Prozent der Geflüchteten einen Job vorweisen. Der Pandemieausbruch habe "der Arbeitssituation erheblich zugesetzt", sagte er im Gemeinderat.

Die Unterstützung bei der Arbeits- und Lehrstellensuche - momentan sind vier Asylbewerber in Ausbildung - gehört zu von Liels Aufgaben. Problematischer sei die Vermittlung von Wohnraum: "Dießen ist für den Einsteig in ein neues Leben in Deutschland ein sehr teures Pflaster", sagte von Liel. Niedrige Löhne und hohe Mieten führten dazu, dass sich der Lebensunterhalt kaum bewältigen lasse. Viele Geflüchtete stünden daher vor der Entscheidung, in günstigere Gegenden umzuziehen, um ihren Lebensstandard zu verbessern, oder in prekärer finanzieller Lage am Ammersee zu bleiben, wo sie oft schon seit mehreren Jahren wohnen und Freunde haben. Acht der zwölf Familien mit Asylberechtigung sind derzeit in Gemeindewohnungen untergebracht. Die übrigen 66 anerkannten Bewerber - überwiegend alleinstehende Männer - haben zum größten Teil eigene Zimmer; 17 leben in Wohngemeinschaften, deren Räume die Gemeinde angemietet hat, 15 in einer Sammelunterkunft des Landratsamtes in Riederau.

Die derzeit größte Herausforderung neben der Wohnungssuche sieht von Liel in der Familienzusammenführung. Der Nachzug sei wegen Corona fast völlig zum Erliegen gekommen. Außerdem entstünden in der Pandemie auch bei Geflüchteten familiäre Konflikte bis zu Einzelfällen von häuslicher Gewalt, etwa wenn Arbeit und Kinderbetreuung schwer zu vereinbaren sind. Der Druck, unter dem die Asylbewerber stehen, ist groß: Für viele, die 2015 in Deutschland angekommen sind, steht nun nach fünf Jahren die Entscheidung über eine Niederlassungserlaubnis an, die unbefristeten Aufenthalt ermöglicht. Von Liel unterstützt die Geflüchteten bei Behördengängen und Schriftwechseln und ist auch für die ehrenamtlichen Helfer Ansprechpartner.

Auf die Frage von Gemeinderätin Miriam Anton (Grüne), ob aus diesem Kreis noch genug Unterstützung kommt, entgegnete von Liel: "Momentan können die Aufgaben gut verteilt werden, aber mehr Ehrenamtliche sind immer wünschenswert." Bei zwei Gegenstimmen beschloss der Gemeinderat, die im August auslaufende Asylsozialberatung um weitere zwei Jahre zu verlängern. Das Projekt ist eine Kooperation der Gemeinde mit dem Ortsverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und besteht seit September 2016. Dießen trägt die Personalkosten von 45 000 Euro jährlich, die Fachkraft für Integration besetzt dennoch die AWO. Von Liel hat die Stelle vor einem Jahr angetreten.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2020
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