Süddeutsche Zeitung

Artenschutz im Landkreis Starnberg:Springfrösche bleiben auf der Strecke

Lesezeit: 2 min

Früher als sonst setzt heuer die Amphibien-Wanderung ein. Fatal für die Tiere: Die Durchlässe an der Weßlinger Umfahrung sind noch immer fehlerhaft.

Von Armin Greune, Wörthsee

Die Klimakrise macht den Amphibien im Fünfseenland zu schaffen. Einige haben heuer viel zu früh ihre Winterstarre abgeschüttelt: So konnten bereits Anfang Februar in Wörthsee erste Springfrösche, Erdkröten, Berg- und Teichmolche beobachtet werden. Normalerweise machen sich Kröten und Molche erst von Mitte März an auf den Weg zu ihren Laichgewässern. Bislang sind nur einzelne Tiere unterwegs: "Ich hoffe auf die innere Uhr der Amphibien und dass sich die meisten noch ein wenig gedulden," sagt Helene Falk, Geschäftsführerin des Bundes Naturschutz im Landkreis Starnberg (BN). Die große Massenwanderung erwartet sie, wenn es abends bei hoher Luftfeuchtigkeit mehr als fünf Grad warm ist.

Noch sind im Fünfseenland keine Zäune aufgestellt, die paarungsbereite Lurche vor dem Verkehr retten sollen. Wind und Schnee könnten die Aufbauarbeiten noch zunichte machen, meint Falk. In dieser Woche erwartet sie einen bestellten Zaun für die Straße, die parallel zur Autobahn zwischen Wörthsee und Weßling verläuft. Die beiden Gemeinden sind der Biodiversitäts-Hotspot im Landkreis Starnberg für Amphibien, von denen mehr als die Hälfte der Arten in Bayern als gefährdet gilt.

Überregionale Bedeutung kommt der Springfroschpopulation zu. Die Art gehört zu den ersten Amphibien, die aus der Kältestarre erwachen. Dagmar Hoppe vom BN Wörthsee erinnert sich, dass früher in milden und nassen Nächten Tausende der relativ schlanken Froschlurche in der Kuckuckstraße unterwegs waren. Ihre Zahl habe stark abgenommen: Abgeholzte Flächen in der Umgebung, lange sommerliche Trockenperioden und die durch Wärmeperioden häufig unterbrochene Winterruhe setzten die Springfrösche unter Stress.

Aber auch die immer noch mit Fehlern behaftete Amphibienschutzanlage entlang der Weßlinger Umfahrung trägt wohl zum Artenschwund bei. Dort sind auf 1,8 Kilometer Länge 42 Durchlässe für die Lurchwanderung geschaffen worden, was 1,4 Millionen Euro gekostet hat. Bei einer ersten Akzeptanzkontrolle "sind immense Zählverluste festgestellt worden", sagt der BN-Kreisvorsitzende Günter Schorn: Von 2000 Springfröschen an den Tunneleingängen wurden weniger als 1000 an den Ausgängen wiedergefunden. Eine für 2019 vorgesehene, zweite Kontrolle fand nicht mehr statt. Schorn sieht "eine riesengroße Gefahr, dass die Population ausgelöscht wird". Die Akzeptanzkontrolle sei nun für heuer geplant, sagt Julia Haider, Abteilungsleiterin beim Weilheimer Straßenbauamt, auf Nachfrage. Vorsorglich sei bereits in zehn der Amphibiendurchlässe das Bodensubstrat ausgetauscht worden: statt Kies soll nun Humus eine feuchtere Atmosphäre in den Tunneln schaffen. Nach der diesjährigen Wanderung statte man heuer weitere Durchlässe mit dem neuen Substrat aus, sichert Haider zu.

Anfang März werden im gesamten Landkreis Fangzäune und Eimer aufgestellt, wo die Amphibien-Wanderrouten Verkehrswege kreuzen - unter anderem in Andechs an der Seachtn und am Eglsee, in Herrsching an der Rieder und Hechendorfer Straße sowie am Widdersberger Weiher, vor Geisenbrunn an der Bodenseestraße, am Oberndorfer Weiher in Inning und am Maxhofweiher in Pöcking. Ehrenamtliche Lurchlotsen stehen bereit, um die Eimer morgens und abends zu kontrollieren und Kröten und Molche über die Straßen zu tragen, die eine tödliche Gefahr für die Tiere bedeuten. Falk hofft, dass sich die frühzeitig angebrochene Wandersaison heuer nicht monatelang hinzieht, "sonst ist das für unsere Helfer fast nicht machbar".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4816480
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.