Archäologie:Friedhof der ersten Zugereisten in Gauting entdeckt

Vor 1500 Jahren ließen sich fränkische Bajuwaren im Würmtal nieder. Nun haben Archäologen sieben Gräber am Krapfberg ausgegraben und sie vermuten mehr als 100 weitere. Eigentlich will die Gemeinde das Grundstück teuer verkaufen.

Von Carolin Fries

Mit dem Krapfberg assoziieren die Gautinger Verschiedenes - eine verbotene Abkürzung durch die Anlieger-frei-Zone, den wohl steilsten Anstieg im Ort, den einstigen Sitz der Tafel oder auch nur eine Anlaufstation für Pizza und Bier im dortigen "Krapf". Nun dürfen sie dieser Sammlung eine weitere Definition hinzufügen: Die Anhöhe in der Ortsmitte diente den Menschen vor knapp 1500 Jahren als Friedhof. Darauf lassen die jüngsten Grabungsfunde in der Gemeinde schließen. Der Archäologe Stefan Sandbichler hat das erhöht am Hang gelegene Grundstück der Tafel im Auftrag des Landesamts für Denkmalpflege in den vergangenen Monaten erkundet. Bei seinen stichprobenartigen Untersuchungen stieß er auf insgesamt sieben Gräber, die hier nach seiner Darstellung in Reih und Glied angeordnet sind. "Man muss davon ausgehen, dass sich auf dem Grundstück über hundert Gräber befinden", sagt er.

Ausgrabung am Krapfberg in Gauting

Zwei Grabstätten haben die Archäologen freigelegt.

(Foto: 3Archäologen)

Zwei Grabstätten hat die Grabungsfirma jüngst freigelegt. Dabei sind die Archäologen aus Moorenweis auf drei Skelette gestoßen, die aus dem sechsten Jahrhundert nach Christus stammen sollen. Es handelt sich um die ersten fränkischen Bajuwaren, die damals in Gauting gesiedelt haben müssen. "Es waren aber keine herausragend situierten Menschen, sondern ganz durchschnittliche Leute", sagt Sandbichler. Er hat auf dem 1200 Quadratmeter großen Grundstück, das der Gemeinde gehört, seit dem Umzug der Tafel im April dieses Jahres an insgesamt acht Tagen gearbeitet. In einem Grab stießen er und sein Team auf eine allein bestattete Frau, die mit einer eisernen Gürtelschnalle, Glasperlen und einer Gewandspange beigesetzt wurde. Sie soll schon zwischen 500 und 550 nach Christus in Gauting gelebt haben. Das zweite Grab war ein Mehrfachgrab, es wurde Mitte des sechsten Jahrhunderts als Familiengrab genutzt, erklärt Sandbichler. Die zwei Skelette sind deshalb nicht so gut erhalten, eines ordnet der Archäologe aber klar einem Mann zu. Als Grabbeigaben hatte dieser ebenfalls eine Gürtelschnalle sowie ein Messer bei sich.

Ausgrabung am Krapfberg in Gauting

Die Archäologen fanden ein weibliches Skelett aus dem frühen sechsten Jahrhundert.

(Foto: 3Archäologen)

Die Funde werden aktuell im Landesamt für Denkmalpflege untersucht. Dort überraschen die Gautinger Skelette nicht. "Die Befunde waren in dieser Form erwartet worden", sagt Sprecherin Dorothee Ott. Das Grundstück läge in einer sogenannten "Vermutungsfläche". "Es gibt bereits ein kartiertes Gräberfeld in der Nähe an der Bahnhofstraße", sagt Ott. Gauting sei mit der Römerstraße, die sich von Buchendorf in Richtung Gilching durch den Ort ziehe - und in Teilen auch heute noch Römerstraße heißt - nun mal ein "heißes Pflaster", was Bodendenkmäler betreffe. Sucht man unter www.denkmal.bayern.de im sogenannten Denkmal-Atlas nach Gauting, ist im Ortskern das ganze Areal rund um Rathaus und Gaststätte an der Bahnhofstraße tomatenrot als Bodendenkmal kartiert. Gleiches gilt für die Fläche rund um das auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegende Jugendzentrum.

Wer auf diesen Flächen graben will, braucht eine denkmalrechtliche Erlaubnis. Für die Gemeinde ist das alles andere als schön. Zwar freut sich Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU), dass Gauting "zu den ältesten und geschichtlich bedeutendsten Siedlungsflächen im Umkreis der Stadt München gehört". Doch eigentlich hatte man das Grundstück möglichst schnell verkaufen wollen. "Diese Maßnahme leistet einen wichtigen Beitrag zu den Konsolidierungsbemühungen der Gemeinde und entlastet die derzeit sehr angespannte Finanzlage." Doch wer will ein Grundstück kaufen, auf dem mehr als hundert Skelette liegen - und offenbar liegen bleiben sollen? Dort seien diese nun mal am besten konserviert, sagt Sandbichler. Künftige Generationen könnten diese dann mit verbesserten Methoden untersuchen.

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