Süddeutsche Zeitung

Archäologie:Der Stempel eines römischen Arztes

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Gautinger Fund zeigt die frühere Behandlung von Augenkrankheiten

Von FLORIAN J. HAAMANN, Gauting /Gilching

Unter der Erde liegen Schätze verborgen, die viel über die Entwicklung der Gegend und der menschlichen Zivilisation erzählen. Mit seiner archäologischen Abteilung schafft es der Historische Verein Fürstenfeldbruck, dass diese Schätze geborgen, erforscht und erhalten werden. In einer Ausstellung präsentiert der Verein in 31 Gemeinden mindestens je ein für den Ort bedeutendes Fundstück - darunter ein mehr als 3000 Jahre alter bronzener Radanhänger im Gilchinger Rathaus und in der Gautinger Kreissparkasse ein römischer Augensalbenstempel.

Der seltene Stempel wurde 2003 bei einer Notgrabung in Gauting entdeckt. Zwar gibt es aus dem Mittelmeerraum schon mehrere Hundert Exemplare, allerdings wurden nördlich der Alpen bisher erst vier Stempel entdeckt - inklusive des Gautinger Fundes. Gauting war in der Römerzeit ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt innerhalb der Provinz Raetien. Dort liefen die Straßen von Kempten und die Verbindung zwischen der Provinzhauptstadt Augsburg und Salzburg zusammen.

Augenerkrankungen waren auch in der Römerzeit ein verbreitetes Problem. Ein einheitliches Gesundheitssystem gab es nicht. Behandelt wurden die Menschen von herumreisenden Ärzten, die ihre Medikamente selbst herstellten. Die Stempel wurden in die breiigen Salben gedrückt, diese dann getrocknet. Vor der Verwendung wurde ein Stück abgebrochen und mit Wasser oder Öl wieder geschmeidig gemacht. Die Stempelung diente zur Werbung für den Arzt und zur Kennzeichnung des Produkts.

Der Gautinger Stempel ist etwa vier mal drei mal vier Zentimeter groß und besteht aus Speckstein. Er hat die Form eines Keils. Auf den beiden Seiten befinden sich mehrere Inschriften - wie bei Stempeln üblich in Spiegelschrift. Die Inschrift "Diasmyrines" weist auf eine Salbe aus Myrrhe hin. Diese erfreute sich in der Antike großer Beliebtheit als Heilmittel vor allem bei Entzündungen und Wunden sowie gegen Gicht und Kopfschmerzen. Nachgewiesen ist ihre antimikrobielle, fiebersenkende, schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung. Die zweite Inschrift lautet "Nardinun", wobei die Forscher davon ausgehen, dass sich dabei ein Rechtschreibfehler eingeschlichen hat. Richtig müsste es "Nardinum" heißen. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Salbe und zwar um eine auf Basis der indischen Narde-Pflanze. Ihr Öl musste von weit aus dem Osten importiert werden und war entsprechend kostbar.

Die dritte Inschrift weist auf den Namen des Arztes hin: "VERECU(NDUS)". Wofür die ebenfalls dort zu findende Abkürzung "Po" steht, ist umstritten. Möglicherweise für den Gentilnamen, ähnlich dem heutigen Familiennamen. Denkbar wären "Polleius", "Pompeius" oder "Poblius".

Teilweise wirken die Inschriften sehr unbeholfen und die Forscher gehen auch davon aus, dass mehrere Nachbesserungen vorgenommen worden sind. Deshalb vermuten sie auch, dass der Augensalbenstempel im Laufe der Zeit mindestens einmal den Besitzer gewechselt hat. Der erste Arzt handelte vermutlich mit der Myrrhesalbe. Nach dem Verkauf des Stempels wurde sein Name möglicherweise abgeschlagen, was die Keilform des Stempels erklären würde. Dafür wurden die zweite Salbe und der Name des neuen Besitzers ergänzt.

Ausstellung "Bodenschätze" des Historischen Vereins, noch bis 30. August. Der Augensalbenstempel ist zu sehen in der Kreissparkasse in Gauting, Bahnhofstraße 13. Geöffnet Montag bis Freitag von 8.45 bis 12.15 Uhr, zusätzlich donnerstags von 13.15 bis 18 Uhr. Der Radanhänger wird zu den regulären Öffnungszeiten im Gilchinger Rathaus gezeigt. Alle Orte unter www.historischer-verein-ffb.de. Von 2. bis 27. September sind alle Exponate gesammelt im Brucker Landratsamt zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2019
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