Arbeit unter Wasser:Tauchen wie James Bond

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Das Ausbildungszentrum in Percha ist das einzige der Bundeswehr im Binnenland. Im Starnberger See üben Soldaten das Aufspüren von Kampfmitteln, bereiten aber auch für die Pioniere den Brückenbau vor

Von Otto Fritscher, Starnberg

Sie nennen es einfach den "Scooter". Das Ding sieht ein bisschen aus wie ein Torpedo, und es könnte durchaus zum Arsenal von James Bond gehören. Der Scooter kommt im Wasser zum Einsatz, ein Taucher kann sich dranhängen, und dann wird er mit Motorkraft geschwind zu seinem Einsatzort transportiert. "Ja, wir haben hier modernstes technisches Gerät, aber das dient nicht zum Krimis drehen, und auch nicht zum Spaß, sondern zur Ausbildung von Tauchern", sagt Stephan Kühlmann, ein drahtiger Mittvierziger in der Flecktarn-Uniform der Bundeswehr. Er ist Chef oder Platzkommandant, wie es bei der Bundeswehr heißt, des Taucherausbildungszentrums (TAZ) in Percha, das zu den Pionieren in Ingolstadt gehört.

"Nein, wir bilden hier keine Kampfschwimmer aus, das ist der Marine vorbehalten, und wir sprengen im Starnberger See auch nicht", erklärt Kühlmann. Es sind sogenannte Pioniertaucher, die vor Percha seit 1960 im See unter Wasser gehen, bis zu einer maximalen Tiefe von 50 Metern im klaren Wasser. Ihr Auftrag ist es, die Pioniere beim Bau von Pontonbrücken über Flüsse oder Seen zu unterstützen, Hindernisse beiseite zu räumen, und "Kampfmittel" unter Wasser aufzuspüren, womit Kühlmann Minen und Fliegerbomben meint. Auch im Starnberger See habe man "schon so einiges gefunden", sagt Kühlmann vage, und führt dann "Fässer mit unbestimmtem Inhalt", der zurzeit geprüft wird, ein Gebiss, Töpfe und Handys an.

Alles klar, und der Tauchgang beginnt.

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(Foto: Nila Thiel)

Hauptmann Stephan Kühlmann ist Platzkommandant im Taucherausbildungszentrum der Bundeswehr in Percha.

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(Foto: Nila Thiel)

Schnelle Boote bringen die Soldaten zum Einsatzort.

Zehn Mann sind die Stammbesatzung des TAZ, und regelmäßig kommen die Soldaten der Pioniertaucherzüge aus Minden und Havelberg zur Aus- und Weiterbildung an den Starnberger See - es sind die einzigen Pioniertaucherzüge innerhalb der Bundeswehr, und in Percha ist das einzige TAZ im Binnenland. Für die Taucher ist der Starnberger See übrigens ein "Bergsee", weil er auf rund 600 Metern über Normalnull liegt - das muss bei den Tauchgängen berücksichtigt werden. "Zwischen neun und 54 Tagen dauern die Lehrgänge", erklärt Hauptmann Kühlmann. Nach der Grundausbildung, die im Schwimmbecken stattfindet, müssen die Taucher erstmals im Starnberger See ins Freiwasser. Als Basisstation dienen die beiden "Arbeitsflöße", die von den Starnbergern allerdings "Hausboote" genannt werden. Auf dieser Plattform können bis zu 16 Taucher arbeiten, wobei sie bei ihren Tauchgänger immer mit einer Leine mit einem Soldaten auf dem Floß verbunden sind. Zusätzlich gibt es eine Sprechfunkverbindung. Und ein Sicherungstaucher sowie eine Dekompressionskammer an Land stehen für Notfälle bereit, etwa wenn ein Taucher einen Notaufstieg macht. "Gott sei Dank hatten wir bisher keine schweren Unfälle", sagt Kühlmann. "Sicherheit hat oberste Priorität." Und: "Draufgänger können wir hier nicht gebrauchen." Unter Wasser müsse man "ruhige und überlegt handeln, sonst ist die Atemluft zu schnell verbraucht."

Zur Ausbildung gehört auch das "Strömungstauchen" in einem Fluss. "Dann fahren wir mit einem Lkw an die Isar oder die Loisach", erklärt Kühlmann. Bei einer Wasserströmung zu arbeiten, nach Munition zu suchen oder gar mit einem Schweißgerät oder einem Trennschleifer zu hantieren - "da musst du ganz schön fit sein." So steht auch drei Mal die Woche Sport auf dem Dienstplan. Kühlmann selbst dürfte mit gutem Beispiel vorangehen, er ist Langstreckenschwimmer, der 42 Kilometer am Stück geschafft hat, und er geht einmal im Jahr mit den Kollegen vom österreichischen Bundesheer zum Eistauchen im gefrorenen Durachsee. "Da brauchst du schon gute Nerven, wenn du weißt, dass über dir eine 20 Zentimeter dicke Eisdecke ist, und Du das Loch, das zum Tauchen ins Eis gesägt worden ist, wiederfinden musst", sagt Kühlmann.

Das ist kein Hausboot, sondern das Arbeitsfloß der Bundeswehr-Pioniere. (Foto: Nila Thiel)

Überhaupt kommt es schon mal vor, dass Soldaten erst bei ihren ersten Tauchversuchen merken, dass sie doch nicht so für den Einsatz unter Wasser geeignet sind. Jeder Taucher wird gefragt, ob er sich fit fühlt - und Nein zu sagen, wäre ja eine vermeintliche Schwäche. "In Wirklichkeit ist die reale Selbsteinschätzung eine Stärke und ungemein wichtig", sagt Kühlmann. Ina Herrmann, die einzige Frau an diesem Tag auf dem Arbeitsfloß, nickt. Sie ist Taucherärztin, normalerweise bei der Marine in Hamburg, aber abgestellt für diesen Lehrgang am Starnberger See.

Getaucht wird manchmal in einem Neoprenanzug, manchmal aber auch mit einem festen Taucherhelm und einem Trockenanzug. "Mit dem Brustgewicht kommen da schon mal 80 Kilo Ausrüstung zusammen", sagt Kühlmann. Und dazu natürlich die enormen Druckverhältnisse unter Wasser. Mit Atemluft versorgt werden die Soldaten unter Wasser mittels eines Schlauchs, der mit dem Arbeitsfloß verbunden ist, die Sauerstoffflaschen auf dem Rücken dienen nur für den Notfall. Wer zu lange tiefer als 30 Meter im Wasser bleibt, kann schon mal den Tiefenrausch bekommen - "da wird man rammdösig, so etwa, wie wenn man langsam betrunken wird", erklärt Kühlmann. "Das Risiko muss man kennen."

Dienstbeginn ist um 7.15 Uhr, Dienstschluss um 16 Uhr. Nur wenn, wie es mehrmal im Jahr geschieht, sich ausländische Generäle über die Taucherausbildung informieren, oder die Dienstaufsicht kommt, kann es schon mal später werden. Wenn es dann noch ein schöner Tag ist, bekommt Hauptmann Kühlmann von seinen Vorgesetzen hin und wieder diesen Satz zu hören: "Sie haben ja einen einmalig schönen Standort hier am Starnberger See, eigentlich müsste man Ihnen den Urlaub streichen." Doch Kühlmann lacht und widerspricht noch schnell einem Vorurteil: "Wir laufen im Sommer nicht nur in der Badehose rum und grillen. Die Ausbilddung läuft rund ums Jahr bei fast jedem Wetter."

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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