Es ist schon von Weitem zu hören: das „Vroom“, das Geräusch, das eine Kettensäge verursacht, wenn sie sich ins Holz fräst. Nicht in irgendein Holz, sondern in diesem Fall in einen Eichenstamm. Wer das schon einmal selbst versucht hat, weiß, wie hart dieses Holz ist, wie schwer es ist, allein die Rinde zu entfernen. Geschweige denn, daraus irgendwann eine Skulptur herauszuschälen. Es ist wieder einmal „Kunst und Bier“, das Symposium am Fuße des Kloster Andechs. Zum 22. Mal hat eine Jury entschieden, wer an der jährlichen Aktion auf der sogenannten Maiwiese teilnehmen darf: Diesmal haben sich drei Frauen unter 45 Bewerbern durchgesetzt. In erster Linie, weil ihre Projekte so spannend sind, wie Abt Johannes Eckert sagt. In zweiter Linie, weil die Tatsache, dass es sich diesmal nur um Frauen handele, schon „eine besondere Note“ habe.
Freilich: Die Drei sind nicht die ersten Frauen, die bei „Kunst und Bier“ zeigen, dass ihre Schöpfungskraft der von Männern in nichts nachsteht. Neu allerdings ist, dass sie diesmal absolut im Mittelpunkt stehen. Das heißt: So ganz stimmt das gar nicht.
Denn geladen ist dazu diesmal auch Michael Lauss, aber quasi außerhalb der Reihe. Der Künstler aus Wegscheid hatte 2011 bei „Kunst und Bier“ die Skulptur „Ozapft wird“ geschaffen, die von allen nur noch „Lambert“ genannt wird. Weil die Skulptur einen Mönch zeigt – und dieser doch ein wenig an den 2012 mit 56 Jahren früh gestorbenen Frater Lambert Stangl erinnert, einen Mann, den im Ort wie auf dem Heiligen Berg jeder kannte und jeder kennenlernte, der sich den steilen Weg hinauf wagte: Frater Lamberts Aufgabe war es, sich um die Gäste des Klosters, um Pilger, Wallfahrer, Besucher, kurz: einfach um jeden zu kümmern. Nach seinem Tod hat das Kloster die Skulptur gekauft und seither ist sie es, die die Gäste quasi in Empfang nimmt.
„Das konnte ja keiner ahnen, dass die so lange hier herumsteht“, sagt ihr Schöpfer Michael Lauss. Er sei ja auch davon ausgegangen, dass er sein Werk nach zwei Jahren – so wie es bei diesem Symposium gesetzt ist – wieder abhole. Stattdessen hatte das Kloster die Figur nach dem Tod ihres Fraters gekauft – und Lauss ist nun, 13 Jahre später, wieder nach Andechs gekommen, um dem „Lambert“ einen neuen Unterbau zu verschaffen: „Der alte war jetzt arg verfault“. Neue Extremitäten bekomme er auch noch, sagt Lauss. Und einen neuen Anstrich, genau genommen also eine Rundumerneuerung.

Bei den drei Künstlerinnen geht es allerdings um ganz anderes: Wenn man so will, befinden sie sich mitten in einer Art Geburtsprozess, dem eine reichlich lange Schwangerschaft vorausgegangen war: „Männer gehen oft ganz anders ran: Sie sind wilder, machen einfach. Frauen sind bedächtiger, ich würde sogar sagen: Sie denken mehr, auch schon im voraus“, so beschreibt es Hubert Huber, selbst Künstler, Holzbildhauer und seit Jahren Leiter von „Kunst und Bier“ am Heiligen Berg: „Und sie trinken auch weniger Bier.“ Was sich vielleicht für Außenstehende und Nicht-Künstler etwas klischeehaft anhören mag, entspricht zumindest bei diesen drei Frauen der Realität.
Sylwia Jankowski beispielsweise. Die Idee, zumindest eine erste, vage, zu ihrem Werk „Gesponnen“ trägt sie seit längerer Zeit in sich. Genauer gesagt, seit einer Art Praktikum in einer Metallverarbeitungsfirma: „Dort fielen immer so Blechstreifen an, mit denen ich herumgespielt habe.“ Das habe sie als „verbindend“ und inspirierend empfunden. Sie verband in der Planungsphase die Streifen in eine Art Flechtwerk, schuf daraus ein Modell, das sie nun in Andechs in einer vier Meter hohen Konstruktion umsetzt. Geselligkeit, Fröhlichkeit, das Wirrwarr von Stimmen, die sich beim Geschichtenerzählen miteinander verbinden – all das solle ihre Skulptur symbolisieren, sagt die 1973 in Polen geborene freischaffende Künstlerin: „Wie eine Wolke, die über allem schwebt.“
Wenn man sie dabei beobachtet, wie sie diese Gedanken umsetzt, wird klar, dass sich hinter aller Fantasie und Kreativität auch jede Menge technischer Sachverstand verbirgt – und ordentlich Muskelkraft in ihrem zierlichen Körper: „Nein“, sagt sie und lacht: „Ein Fitnessstudio brauche ich tatsächlich nicht.“ Wahrlich nicht. Ein bisschen männliche Hilfe bei der Realisierung ihrer Idee bisweilen aber schon: „Ich brauche diesmal einfach ein paar zweite Hände.“ Gefunden hat sie die durch die Hilfe des Andechser Bürgermeisters Georg Scheitz. Er schickte ihr Walter Feigl vorbei, einst Feuerwehrkommandant in der Gemeinde, heute hütet er dort deren historische Gerätschaften in einem eigenen kleinen Museum.

Feigl trägt einen blauen Arbeitskittel an diesem Tag. Er hilft Jankowski beim Biegen ihrer Metallteile und legt auch sonst Hand an, eben dort, wo es gerade nötig wird. In seiner Rolle als Assistent der Künstlerin fühlt er sich sichtlich wohl, hier und ihr zu helfen, scheint Ehrensache für ihn sein.
Das ist nicht immer so. Lina Milse zum Beispiel, 1997 geboren, erzählt recht schnell davon, welchen Eindruck männliche Assistenten erwecken können: „Wenn ich mit einem arbeite, wird meist er zu meinem Werk befragt, nicht ich.“ Für manche ist es offenbar noch immer unvorstellbar, dass sich Frauen für körperlich schwerere Genres in der Kunst entscheiden können. Dabei würden es immer mehr, die sich für Materialien wie Holz, Metall oder Stein entscheiden. Mit Flex, Säge und schwerem Gerät hantieren, als hätten sie nie etwas anderes zuvor gemacht, sagt auch Huber. Mittlerweile gebe es auch immer mehr Frauen auf den einschlägigen Lehrstühlen an den Akademien und Fachhochschulen. „Weil sie es genauso gut können wie Männer.“
Die drei Frauen auf der grünen Wiese können das nur bestätigen – auch wenn es ihnen dabei weniger um Gleichberechtigung zu gehen scheint, sondern mehr um ihre Leidenschaft für diese Form des Ausdrucks und um die Herausforderungen, die damit verbunden sind. Die Säge beispielsweise wiegt zwar mehrere Kilos, Lina Milse empfindet das Gewicht aber nicht so: „Wenn man, wie wir auf der Berufsfachhochschule Nordische Holzbildhauerei in Flensburg, erst einmal alles mit der Hand machen muss, dann weiß man, was wirklich schwer ist: Die Säge ist für mich heute eine absolute Erleichterung.“ Man muss nicht dazu sagen, dass auch sie recht durchtrainiert wirkt. Wahrscheinlich auch ohne jeglichen Kraftsport in irgendeinem Verein oder in einem Studio.

Auch die muskulösen Oberarme von Susanne Paucker sprechen eine eindeutige Sprache, obwohl die Säge nicht unbedingt zu ihren alltäglichen Gerätschaften gehört: „Das ist etwas anderes als eine Flex“. Paucker ist eigentlich Steinbildhauerin, hat viele Jahre in Carrara verbracht und auch dort an der Akademie der schönen Künste studiert. Mittlerweile arbeitet sie aber auch mit Holz, Sand oder auch Schnee – meist auf internationalen Symposien. Sie liebt diese Zusammenkünfte mit anderen Künstlerinnen und Künstler, den Austausch und den Zeitdruck, der auch immer damit verbunden ist. Die Woche in Andechs nennt sie daher recht gemütlich: „Woanders haben wir oft nur dreieinhalb Tage.“ Und dass diesmal nur Frauen vertreten sind, ist für sie noch nicht wirklich alltäglich. Erst vor einiger Zeit sei sie die einzige Frau bei einem Symposium gewesen. Aber das sei egal, sagt sie: „Ich klopfe mich da schon durch.“
Den Künstlerinnen auf dem Heiligen Berg des Klosters Andechs kann man noch bis zum 26. August bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen: täglich von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr.