Mitten in Andechs:Willkommen, Meister Adebar

Lesezeit: 2 min

Boten des Klimawandels: Bislang brütenen Störche vorzugsweise in Raisting und am Westufer des Ammersees, nun ist der erste Vogel auch im Andechser Ortsteil Erling gesichtet worden. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Während man in Raisting der Vögel allmählich überdrüssig wird, löst ein einzelner Storch in Erling Begeisterung aus: Bürgermeister Georg Scheitz bietet ihm auf dem Rathausdach Quartier an.

Von Armin Greune, Andechs

Was zehn Kilometer Luftlinie entfernt kaum mehr jemanden hinter dem Ofen hervorlockt, ist für Erling eine kleine Sensation: Zum ersten Mal seit Menschengedenken will sich wohl ein Weißstorch in Andechs niederlassen, um dort eine Familie zu gründen. Der Besucher ist höchst willkommen, allerdings war die Wahl seines ersten Quartiers etwas unglücklich: Ausgerechnet an der Hauptkreuzung, auf dem Dach des Hotels "Zur Post" begann der junge Vogel sein Nest zu bauen - ausgerechnet auf dem Abluftkamin der Wirtschaft. Ob es geklappt hätte, mit diesem kuscheligen Plätzchen eine Partnerin anzulocken, ist fraglich.

Doch auch die Gastgeber waren nach anfänglicher Euphorie von ihrem Obermieter nicht ganz so begeistert wie die übrigen Dorfbewohner. Das Frühstück vor dem Haus für die Gäste ließe sich mit den eher laxen Hygieneregeln der Störche wohl nur schwer vereinbaren. Eugen Hemberger senior nahm also den Horst also herunter und verzierte den Kamin mit einem Gestell, das weitere Ansiedlungsversuche unterbinden soll: "Da brat' mir einer einen Storch" war für ihn offenbar keine Option.

Stattdessen erklärte Bürgermeister Georg Scheitz die Suche nach einem alternativen Quartier zur Chefsache: Er nahm Verbindung zur Schutzgemeinschaft Ammersee (SGA) auf, erstand dort eine Nisthilfe, schraubte sie aufs Rathausdach und stattete sie mit Eichenreisig aus. Dem Vernehmen nach hofft Scheitz so auf eine segensreiche Wirkung für Brautpaare, die sich im Andechser Standesamt trauen lassen. Schließlich galt der Storch schon bei den Germanen als Frühjahrsbote und Bringer neuen Lebens. Keinem anderen Vogel wird hierzulande auch heute noch so viel abergläubische Verehrung entgegengebracht.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Freilich ist das mit dem Glücksbringer ein bisschen aus der Zeit gefallen. Denn der Storch ist auch ein Bote der zunehmenden Klimaerwärmung: Noch vor 20 Jahren lag das Fünfseenland wegen Spätfrösten und Frühjahrsregen außerhalb seiner Verbreitungsgrenze. In Raisting dauerte es 15 Jahre, bis die dort ansässigen Störche in nennenswertem Umfang Jungvögel großziehen konnten. Im 150 Meter höher gelegenen und klimatisch raueren Andechs kann es also noch geraume Zeit dauern, bis das Fruchtbarkeitssymbol seinem Ruf gerecht wird.

Die Begeisterung der Erlinger für die langbeinigen Vögel dürfte also noch länger Bestand haben. In Raisting, wo 2022 etwa 30 Jungstörche flügge wurden, sei hingegen zu befürchten, dass die Stimmung demnächst kippt, sagt SGA-Chef Reinhard Grießmeyer: Dort sind heuer 27 Horste von Storchenpaaren belegt. "Wir sind mehr als voll hier", sagt er. Inzwischen haben mehrere Hausbesitzer die Nester wieder von den Dächern entfernt, was die Störche freilich oft nicht davon abhält, es immer wieder aufs Neue zu versuchen.

Selbst eine Storchattrappe aus Plastik war wirkungslos. Aber davon sollten sich die Erlinger die Freude am Beobachten der attraktiven und interessanten Tiere nicht nehmen lassen: Störche bereichern das tägliche Leben im Dorf, was auch fast jeder Raistinger bestätigen kann.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Freizeit
:Leinen los auf dem Starnberger See und auf dem Ammersee

Die Saison hat begonnen. Wer eine Ehrenamtskarte besitzt, kann unbegrenzt kostenlos auf allen vier oberbayerischen Seen mit dem Schiff fahren.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: