Süddeutsche Zeitung

FFH-Managementplan:Artenvielfalt durch Landwirtschaft

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Historische Nutzungsarten haben die Landschaft zwischen Ammersee und Starnberger See geprägt. Nun sollen die ökologisch wertvollen Wiesen und Wälder als FFH-Gebiet geschützt werden.

Von Armin Greune, Andechs

Es handelt sich um einen nicht unbeträchtlichen Teil des Fünfseenlands: Das Flora-Fauna-Habitat (FFH) "Moränenlandschaft zwischen Ammersee und Starnberger See" umfasst mehr als 20 Quadratkilometer Schutzfläche in sieben Gemeinden. Entsprechend viele Grundeigentümer sind eventuell von Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung von ökologisch bedeutenden Lebensräumen betroffen. Und entsprechend groß war das Interesse am runden Tisch zum FFH-Managementplan, der nicht im Saal, sondern als Exkursion über die Höhen des Andechser Ortsteils Erling abgehalten wurde: Mehr als 60 Menschen, darunter viele Landwirte sowie Vertreter der Naturschutzbehörden und -verbände, nahmen daran teil.

Gleich zu Beginn betonte Agnes Wagner, Teamleiterin für Natura 2000-Flächen in der Regierung von Oberbayern, dass der Managementplan als Entwurf noch in Details geändert werden könne. Ziel des Runden Tisches sei es, "Akzeptanz für dieses Gemeinschaftswerk zu schaffen", man wolle Naturschutz im Einvernehmen mit den Menschen realisieren, die das Gebiet nutzen. Georg Scheitz, Biobauer und Bürgermeister von Andechs, erinnerte daran, dass bei allen "neuen Herausforderungen auch der Lebensraum des Landwirts erhalten" werden sollte.

Ein nachvollziehbarer Hinweis, denn der ungemeine Artenreichtum und die Vielfalt an reizvollen Landschaftselementen des Gebiets ist weniger der Wildnis als der jahrhundertelang ausgeübten, extensiven Bewirtschaftung zu verdanken. Dies gilt für die Blumenwiesen und Hangquellmoore der Ammerseeleite zwischen Andechs und Pähl, auf denen bei der früher ausgeübten Triftweide die Kühe jeweils nur wenige Wochen des Jahres grasten. So förderten sie selektiv seltene Kräuter oder sonst nur noch in den Alpen zu findende Pflanzen und schufen viele kleine ökologische Nischen, anstatt flächige Fraß- und Trittschäden zu hinterlassen.

Und auch die Biodiversität auf dem Bäckerbichl, einem weithin bekannten Hügel östlich von Erling, ist auf historische bäuerliche Arbeit zurückzuführen. Wäre die Natur sich selbst überlassen, hätte sich dort schließlich ein eher monotoner Buchenwald entwickelt, erläutert Burkhard Quinger den Exkursionsteilnehmern. Der Biologe hat im FFH die Biotope im Freiland kartiert und untersucht, während die Waldflächen vom Amt für Landwirtschaft und Forsten Ebersberg bearbeitet wurden. Die Moränenlandschaft zwischen den Seen weise einen im Alpenvorland einzigartigen Reichtum an Tumulus-Feldern und Drumlins auf: Diese Erhebungen seien beim Rückzug der Gletscher nach der letzten Eiszeit entstanden, erklärt Quinger. Der Drumlin "Bäckerbichl" etwa habe sich beim Abbruch eines Quadratkilometer großen Eisfeldes gebildet: dessen Schmelzwasser spülte feine Bodenanteile aus und hinterließ steinige, extrem trockene Standorte. Weil dort der Bewuchs als Einstreu für Stallvieh genutzt und lediglich ein oder zwei Mal jährlich gemäht wurde, seien dort sehr seltene Kalkmagerrasen und Trockenmahdwiesen entstanden, die sich durch besonders großen Reichtum an Wildblumen und Insekten auszeichnen.

Das gesamte Gebiet weist freilich noch wesentlich mehr schützenswerte Lebensraumtypen nach den FFH-Richtlinien auf - wie Pfeifengraswiesen und feuchte Hochstaudenfluren; Nieder-, Hoch- und Übergangsmoore; Kalktuffquellen sowie diverse Buchenwaldgesellschaften und Schluchtwälder. Mit erfasst sind auch die Naturschutzgebiete Hirschberg und Pähler Schlucht sowie kleinere stehende Gewässer wie Toteislöcher. Zu den besonders schutzwürdigen Tierarten zählen etwa Schmetterlinge, Hirschkäfer, Kammmolch und Gelbbauchunke; als bedrohte Pflanzen wachsen beispielsweise Frauenschuh Sumpfgladiole. Insgesamt umfasst das Schutzgebiet 765 Hektar Offenland und 1293 Hektar Waldflächen; der größere Teil befindet sich im Landkreis Starnberg, etwa ein Drittel entfällt auf den Landkreis Weilheim-Schongau.

Beim mehr als vierstündigen Rundgang wurde auch die Skepsis der Landwirte gegenüber dem FFH-Managementplan deutlich. Dies betraf etwa die Übergangsbereiche an den mit Verschlechterungsverbot belegten Schutzgebieten oder den bürokratischen Aufwand, der für neue Scheunen oder Betriebserweiterungen nötig sein kann. Wilhelm Seerieder, Leiter der Staatsforsten München, kritisierte, dass trotz gesetzlicher Vorgaben nichts gegen "wilde Mountainbiker" im Wald und in den Biotopen ordnungsrechtlich vorgegangen werde. Scheitz ergänzte, dass ganze Busladungen voll Besucher über den Mesnerbichl geführt würden, was dem Verschlechterungsverbot zuwiderlaufe. Schließlich wurden weitere Gespräche zwischen Landwirten und Naturschutzbehörden im Herbst vereinbart. Doch bis zum Jahresende müsse das 2004 begonnene Verfahren abgeschlossen werden - sonst drohten Strafzahlungen an die EU, mahnte Wagner.

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