Klosterbrauerei Andechs:Flasche für Flasche fließt in den Gully

Andechs Klosterbrauerei Einweihung

Die Andechser Klosterbrauerei muss derzeit mehr als 10 000 Hektoliter Bier entsorgen. Der dunkle Doppelbock und das dunkle Export sind aktuell deshalb auch nicht lieferbar. Anders als der helle Bock, der hier über die Abfüllanlage läuft, müssen diese Sorten erst nachgebraut werden.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Klosterbrauerei Andechs nimmt mehr als 10 000 Hektoliter von Großhändlern zurück, weil bei der Herstellung verunreinigtes Malz verwendet worden ist. Akute Gesundheitsgefahr besteht aber nicht.

Von Armin Greune

Die Klosterbrauerei Andechs hat durch verunreinigtes Malz einen Schaden in Millionenhöhe erlitten. Ein gutes Zehntel der Jahresproduktion wird derzeit in den Gully geschüttet, weil bei routinemäßigen Untersuchungen in den weithin bekannten Biersorten "Export Dunkel" und "Doppelbock Dunkel" überhöhte Werte an krebsverursachenden Nitrosaminen gefunden wurden. Die Brauerei hat die Rücknahme von mehr als 10 000 Hektoliter Bier veranlasst, die bereits bundesweit an den Getränkefachgroßhandel ausgeliefert worden waren.

Bei dieser Maßnahme handle es sich nicht um einen öffentlichen Rückruf wegen akuter Gesundheitsgefahr, sondern um eine sogenannte "stille Rücknahme", weil das Lebensmittel nicht zum Verzehr geeignet sei, betont Martin Glaab, der Sprecher des Klosters. Die mit Nitrosamin belasteten Proben hatten Lebensmittelüberwacher aus Bierflaschen gezogen, die in einem Münchner Verbrauchermarkt angeboten wurden. Als die Klosterbrauerei davon Mitte Dezember informiert wurde, habe man "umgehend reagiert und sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt". Mit der vorsorglichen Rücknahme wolle man jegliche Risiken für Kunden ausschließen. Die Brauerei habe auch mehr Chargen zurückgenommen als dies "aufgrund der vorliegenden Laborergebnisse nahelag".

Diese Proben ergaben Überschreitungen des sogenannten technischen Richtwerts von 0,5 Mikrogramm pro Kilo an NDMA, einem Nitrosamin (siehe Kasten). Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat in den vergangenen fünf Jahren fast 1000 Bierproben auf Nitrosamine untersucht. Nur bei acht Proben wurde der technische Richtwert überschritten. Glaab kann sich dunkel erinnern, dass die Klosterbrauerei vor etwa 15 Jahren einmal betroffen war, wobei man damals noch alle Chargen vor den Auslieferungen zurückhalten konnte - "aber einen Fall in diesem Ausmaß hatten wir noch nie".

Noch immer treffen täglich Rücklieferungen ein, so dass keine endgültigen Zahlen über das Ausmaß des Verlustes vorliegen. "Wir gehen derzeit davon aus, dass wir Biere in einem sehr niedrigen fünfstelligen Hektoliter-Bereich zurücknehmen werden", sagt der Klostersprecher. Allein der entgangene Verkaufswert im Handel beträgt bei einem mittleren Preis von 18 Euro pro Träger Bier 1,8 Millionen Euro. Dazu kommen der Aufwand für die Rücknahmeaktion sowie der Produktionsausfall. Und selbst die Entsorgung verursacht Kosten: Da das Bier nicht mal mehr als Dünger verwertet werden kann, muss es neutralisiert werden, bevor es in den Abwasserkanal geschüttet wird.

Ob die Mälzerei für den Schaden zur Verantwortung gezogen werden kann, bleibt unklar: Glaab bittet um Verständnis dafür, "dass wir uns zu offenen Rechtsfragen derzeit nicht äußern können". Als Verursacher der Verunreinigung stehe der Zulieferer auf jeden Fall fest: Nitrosamine könnten im Produktionsablauf nur bei der Malzherstellung entstehen, wenn die gekeimte Gerste nicht fachgerecht getrocknet wird. Da diese Stoffe gut wasserlöslich sind, können sie während des Brauprozesses aus dem Malz ins Bier gelangen.

Nitrosamine

Nitrosamine sind krebserregende Substanzen, die aus Nitriten (Salze der salpetrigen Säure) und Aminen (Eiweißpartikel) im sauren Milieu entstehen. Dies kann im Magen oder in industriellen Prozessen geschehen - Nitrosamine kommen aber auch in Tabak, Kosmetika, Latex und Lebensmitteln vor, vor allem in gepökelten Fleischwaren, Käse, Räucherfisch und Malzprodukten.

Die im Tierversuch festgestellte Tumorauslösung lässt sich beim Menschen als kausaler Zusammenhang wesentlich schwerer nachweisen, weil die aufgenommene Dosis gering ist und die Erkrankung oft erst nach vielen Jahren erkannt wird. "Eine grundsätzlich unschädliche Konzentration kann für Nitrosamine ebenso wenig wie für andere krebserzeugende Stoffe ermittelt werden", befindet das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Die Nachricht, dass Bier eine wesentliche Quelle für Nitrosamine sein kann, erregte Ende der 1970er Jahre großes Aufsehen. Seinerzeit enthielten Biere durchschnittlich 2,7 Mikrogramm pro Liter (µg/l) an Dimethylnitrosamin. Als Ursache für die hohe Belastung wurde das Trocknen von Malz mit offener Flamme erkannt. Dank veränderter Verfahren liegen die Mittelwerte nun bei 0,1 µg/l. Der Richtwert von 0,5 µg/l soll die Aufnahme über Bier für den Verbraucher begrenzen, er ist an den technischen Möglichkeiten der Mälzereien orientiert. arm

Beim Brauen der beiden beanstandeten Sorten werden spezielle dunkle Malze verwendet. Die Klosterbrauerei wird derzeit von sechs Mälzereien in Süddeutschland beliefert. Insbesondere der Doppelbock mit 7,1 Prozent Alkohol, Röstnoten, Karamellaroma und deutlicher Süße wird von Bierconnaisseuren weltweit hoch geschätzt. Doppelbock Dunkel und Export Dunkel sind derzeit noch nicht wieder lieferbar, in dieser Woche traf aber eine neue Malzlieferung im Kloster ein. Weil die beiden Sorten besonders lang kalt vergoren werden und lagern müssen, dauere es noch einige Wochen, bis sie wieder in den Handel kommen. Wie hoch ihr Anteil an der Gesamtproduktion von "stabil über 100 000 Hektoliter pro Jahr" ist, sieht Glaab als Geschäftsgeheimnis an.

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