Kultur im Landkreis Starnberg:Junges Orchester mit musikalischer Reife

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Eingespieltes Team: Antony Sintow-Behrens am Klavier wird von Dirigent Artem Lonhinov angeleitet. (Foto: Georgine Treybal)

Das Junge Philharmonische Orchester München überzeugt bei seinem Auftritt im Florian-Stadl unter der Leitung von Artem Lonhinov – auch weil Musiker und Dirigent perfekt harmonieren.

Von Reinhard Palmer, Andechs

Drei Klavierkonzerte nacheinander an einem Abend zu hören, ist ein seltenes Erlebnis. Aber das Publikum im Andechser Florian-Stadl bekam auch reichlich Zeit zwischen den Werken, das Gehörte zu verinnerlichen. Das war auch nötig, denn die drei ausgewählten Werke von Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven und Camille Saint-Saëns haben es in sich. Das Konzept entwickelte Veranstalterin Gabriele Dressler zusammen mit der Vorstandsvorsitzenden des Pianistenclubs München, Susanne Absmaier.

Für den Orchesterpart konnte das Junge Philharmonische Orchester München unter der Leitung von Artem Lonhinov gewonnen werden. Seit 2014 lebt der erst 29-jährige Ukrainer schon in Deutschland und studierte an der Münchner Musikhochschule. Die Liste der renommierten Klangkörper, die er bereits dirigieren durfte, ist erstaunlich lang und verleiht ihm die nötige Sicherheit, um am Pult eloquent agieren zu können. Dies ist vor jungen Musiker nicht immer ratsam, doch das Junge Philharmonische Orchester verfügt über die Disziplin, Präzision und vor allem Musikalität, mit dem Dirigenten aufs Engste zu kommunizieren und seine Intentionen straff umzusetzen.

Hinzu kommt eine erfrischende Begeisterungsfähigkeit, die sich hier vor allem in Musizierlust, Vitalität und Frische äußerte, wie man sie selbst bei routinierten Klangkörpern bisweilen vermisst. Der Abend bot die seltene Möglichkeit, ein großes, ja im Grunde entscheidendes Stück der Entwicklung der Gattung Klavierkonzert mitzugehen. Auch wenn alle drei Konzerte mit Virtuosität keinesfalls geizten, war dies trotzdem mit einem steigenden technischen Anspruch verbunden, den sich die Solisten des Abends aus den Reihen des Pianistenclubs entsprechend ihrer Erfahrung im konzertanten Fach stellen konnten, wobei alle drei mit nahezu perfekter Spieltechnik überzeugten.

Der Münchner Anthony Sintow-Behrens konnte sein Debüt mit einem Orchester erst vor knapp einem Jahr absolvieren. Ihm fiel die Aufgabe zu, mit vergleichsweise wenigen Ausdrucksmöglichkeiten das Haydn-Werk wirkungsvoll und spannend auf den Punkt zu bringen. Haydn hegte keinen Ehrgeiz, eine konzertpianistische Karriere zu machen, bot aber angesichts der Mozart-Konkurrenz mit dem D-Dur-Konzert von 1782 – Haydns letztem Werk dieser Gattung – eine sehr solide Arbeit in der klassischen Konzertform an.

Und ja: Konkurrenz belebt das Geschäft. Sintow-Behrens, der die etwas romantisierenden Kadenzen selbst komponierte, konnte hier überaus vital in die Tasten greifen, allerdings mit Bedacht in der Ausgestaltung, steckte doch die Möglichkeit der Nutzung des seinerzeit neuen Hammerklaviers noch in den Kinderschuhen. Das Cembalo mit seiner Registerdynamik war daher immer noch die häufigste Option.

Der 23-jährige Solist machte aber reichlich Gebrauch von Verdichtungen, Phrasiertechniken und Rubato, um eine üppig differenzierte Interpretation zu präsentieren – klar und transparent im Zusammenwirken mit dem Orchester, das dem Pianisten in Sachen spritziger Leichtigkeit in nichts nachstand. Es verfügte über reichlich Substanz und dramatisches Kolorit und schaffte es so, Beethovens op. 15 in C-Dur, das kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert entstand, in satter Plastizität zu formen. Das ist angesichts des symphonischen Charakters fundamental für dieses Werk.

Zum Schluss gibt es frenetischen Applaus

Die 25-jährige Münchnerin Viviana-Zarah Baudis brachte dazu das nötige Temperament ein, Beethovens noch auf der Wiener Klassik basierende Klavierkonzert von den Vorbildern des relativ jungen Komponisten zu lösen. Baudis‘ enthusiastisches Einfühlungsvermögen trug deutlich zur Homogenität der Ausführung bei. Den nahtlosen Austausch zwischen ihr und dem Orchester hatte Lonhinov auch so weit im Griff, den Klavierpart der brillant kolorierenden Pianistin mit dem hell perlenden Anschlag wirkungsvoll zu exponieren.

Im zentralen Andante con moto fanden dennoch alle zur nötigen Warmtonigkeit, die dem klangsatten Satz große Ausdruckskraft verlieh. Mit dem Dialog zwischen der in Gold gehüllten Pianistin und der Orchesterklarinette bekam das euphorisierte Publikum eine Preziose serviert. Die Virtuosität und Bravour von Baudis hinterließ schon einen großen Eindruck, sodass Zweifel aufkamen, ob noch eine Steigerung in der Abenddramaturgie möglich war. Doch die waren schnell verflogen, als Aglaya Zinchenko mit Saint-Saëns‘ g-Moll-Opus 22 von 1868 loslegte und die Jungen Philharmoniker mit Verve und reichem Kolorit mitzogen.

Dem seinerzeit in Frankreich vorherrschenden Typus des Concerto brillant erteilte Saint-Saëns eine Absage zugunsten einer dramatischen Rolle des Soloinstruments, was den Musikern die Berechtigung gab, mit großer Wucht und ungezügelt alle Register zu ziehen – sowohl in den Ausdrucksformen als auch in der Farbdifferenzierung. Die Erfahrung und grandiose Spieltechnik der 45-jährigen Konzertpianistin waren gepaart mit einer Kraft und Energie, die man der zierlich wirkenden Russin kaum zugemutet hätte. Dieses Temperament versetzte auch das Orchester in Ekstase. Der frenetische Applaus des Publikums war die geradezu logische Folge.

 

 

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