Andechs:"Beschränkte Handlungsmöglichkeiten"

Rechtsanwalt Gerhard Spieß

Gerhard Spieß ist seit dem Jahr 2000 Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mediator. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Öffentliches Baurecht, Städtebauliche Verträge, Wasser- und Umweltrecht sowie Bürgerbegehren.

(Foto: oh)

Fachanwalt Gerhard Spieß berät bayerische Gemeinden bei ihrem Vorhaben, gesetzeskonform kostengünstigen Wohnraum für Einheimische zu schaffen

Interview von Ute Pröttel, Andechs

Beim komplizierten Vorhaben, einen "Grundsatzbeschluss zur Beschaffung bezahlbaren Wohnraums" zu fassen, wird die Gemeinde Andechs vom Münchner Fachanwalt Gerhard Spieß beraten, der im Starnberger Ortsteil Söcking wohnt. Dabei regelt die bayerische Verfassung den Sachverhalt klipp und klar. Im Gespräch mit der Starnberger SZ berichtet Spieß von seinen bisherigen Erfahrungen aus anderen Gemeinden.

SZ: Wie viele Gemeinden beraten Sie zu dem Thema?

Gerhard Spieß: Das dürften aktuell so gegen 20 bis 30 sein. Eine genaue Zahl habe ich jetzt aber nicht im Kopf.

Wie viele Gemeinden im Landkreis Starnberg haben einen solchen Beschluss bereits gefasst?

Im Landkreis Starnberg werden es sicher zehn Gemeinden sein. Ein Grundsatzbeschluss macht in der Regel jedoch nur dann Sinn, wenn eine Gemeinde in nächster Zeit mehrere Baugebiete nach diesem Schema ausweisen will.

Dem Gemeinderat Andechs geht es besonders darum, dass auch nicht so finanzkräftige Einheimische die Gelegenheit bekommen, Grund und Boden in ihrer Heimatgemeinde zu erwerben. Ist das über einen solchen Grundsatzbeschluss möglich?

Die Europäische Kommission und die Bundesrepublik haben sich unter maßgeblicher Mitwirkung der bayerischen Staatsregierung endlich auf verbindliche Eckdaten für die Zulässigkeit von Einheimischenmodellen geeinigt. Diese haben bereits Eingang in das neue Baugesetzbuch (BauGB) gefunden. Vor diesem Hintergrund kann auch eine Wohnbauförderung für Einheimische bei Grundstücken, aber auch Miet- und Eigentumswohnungen stattfinden.

Kennen Sie ein konkretes Beispiel, wo sozial Schwächere tatsächlich zum Zuge gekommen sind?

Konkrete Beispiele finden sich in Planegg, der Stadt Germering und der Stadt Landsberg, die ein sehr großes neues Baugebiet nach den Grundsätzen der Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN) ausgewiesen hat. Auch in der Stadt Geretsried ist ein großes Projekt in Planung.

Wie könnte man der wilden Spekulation um Grund und Boden Einhalt gebieten?

Das ist eine gute Frage. Dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert, pfeifen die Spatzen ja vom Dach. Das Landgericht Berlin hält sie aktuell sogar für verfassungswidrig. Den Gemeinden stehen leider nur beschränkte Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Beim Abschluss städtebaulicher Verträge ist die Gemeinde auch nicht frei. So kann etwa nicht für das gesamte Baugebiet ein bestimmter Verkaufspreis oder Mietpreis festgelegt werden. Dem Eigentümer muss in der Regel ein Gutteil der Flächen verbleiben, die er ohne Bindung veräußern oder vermieten kann.

In Österreich gibt es eine Bodensteuer. Was halten Sie davon?

Der Bodenfonds und der kommunale Wohnungsbau in Wien sind sicher leuchtende Beispiele kommunaler Wohnbaulandausweisung für bezahlbaren Wohnraum. Noch interessanter ist der planerische Mehrwertausgleich in der Schweiz. Kurz gesagt ist das eine Art Gemeinwohlabgabe bei der Ausweisung von Bauland. Hier können die einzelnen Kommunen eine gesetzlich geregelte Planungsgewinnabschöpfung durchsetzen.

Wie sieht es in Deutschland aus?

Verfassungsrechtlich wäre das mit unserem Grundgesetz durchaus zu vereinbaren. Es hat hier schon in den 70er Jahren - Hans-Jochen Vogel war hier ein Vorreiter - Versuche gegeben, einen solchen Planungsgewinnausgleich gesetzlich zu verankern. Zur Umsetzung kam es aus politischen Gründen nicht. Oder schauen Sie nur in die Bayerische Verfassung: Dort steht in Art. 161 Abs. 2: "Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen." Dem steht aber das Baugesetzbuch im Wege. Es gilt: Bundesrecht bricht Landesrecht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: