Süddeutsche Zeitung

Andechs:Alles Andechs

Kloster und Molkerei kommen sich immer wieder in die Quere. Die juristische Auseinandersetzung geht in die nächste Runde.

Otto Fritscher

Der Streit zwischen den Bier brauenden Benediktiner-Mönchen vom Kloster Andechs und der Andechser Bio-Molkerei-Besitzerin Barbara Scheitz hat schon bundesweit Aufsehen erregt. Vor Gericht wurde über mehrere Instanzen darüber gestritten, wo millimetergenau das kleine Markenschutz-Emblem, das "R" im Kreis, auf den Joghurt-Bechern stehen darf; oder ob der Hinweis "Tradition seit 1908" auf der Milchtüte eine Irreführung der Verbraucher darstellen könnte.

Was wie eine bayerische Dorfposse ums Recht haben und Recht bekommen klingen mag, ist in Wirklichkeit eine mit harten Bandagen geführte Auseinandersetzung um handfeste wirtschaftliche Interessen. Man könnte es - juristisch nicht korrekt, aber verständlich - so ausdrücken: Wem gehört die Marke Andechs? Und wer darf unter dieser Marke Milch und Käse verkaufen? Nur die Molkerei oder auch das Kloster? Barbara Scheitz und die Klostergaststätten GmbH prozessieren seit Jahren in Deutschland. Dabei geht es um eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung. Auf europäischer Ebene gibt es zusätzlich einen markenrechtlichen Streit. Eine komplizierte Gemengelage.

Der Reihe nach: Vor dem Oberlandesgericht (OLG) hatte die Molkerei Scheitz kürzlich den Prozess ums "R" in ihrem Markenemblem "Andechser Natur" gewonnen. Der Streit geht nun aber in die nächste Runde, denn die Klostergaststätten GmbH hat einen Tag vor Ablauf der Einspruchsfrist beim Bundesgerichtshof (BGH) eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. "Wir haben das Urteil des OLG sorgfältig geprüft", begründet Martin Glaab, Sprecher der Klostergaststätten GmbH. Und: "Wir können die Argumente des OLG aufgrund der jüngsten Rechtsprechung zu ähnlichen Fällen nicht nachvollziehen."

Der Clinch auf europäischer Ebene dreht sich um die Markenembleme der beiden Unternehmen und die Frage, auf welchen Produkten diese vom Verbraucher verwechselt werden könnten. Das Kloster wirbt etwa auf dem Bierflaschen-Etikett mit dem Spruch "Genuss für Leib und Seele" und dem Zusatz "Kloster Andechs seit 1455", während die Molkerei ein grün-weißes Markenlogo "Andechser Natur" mit dem Zusatz "seit 1908" auf ihren Milch-Produkten verwendet. Der Streit eskalierte, als die Klostergaststätte, die lange Zeit von Scheitz beliefert worden war, selbst ins Geschäft mit Käse einstieg. Und vielleicht noch stärker einsteigen will, wie Sprecher Glaab durchblicken lässt.

Die Molkerei reklamiert aber gegenüber dem Kloster das ältere Recht an Milchprodukten für sich. Deshalb soll es dem Kloster verwehrt werden, Milch und Milchprodukte unter dem Markenlogo "Kloster Andechs" auf den Markt zu bringen. Dann, so die Argumentation der Molkerei, bestünde nämlich für den Verbraucher "Verwechslungsgefahr" mit der Marke "Andechser Natur". Gegen eine für die Molkerei positive Entscheidung des "Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt" (HABM) in Alicante, eine Behörde der EU, hat das Kloster vor einem Jahr Beschwerde eingelegt. Eine Entscheidung steht aus, wird aber in den nächsten Monaten erwartet. "Der Ausgang dieses Beschwerdeverfahrens vor dem HABM ist von viel weiter reichender Konsequenz als die Entscheidung in der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung", begründet Glaab. "Denn hier sind unsere Markenrechte in ihrer Substanz auf europäischer Ebene betroffen. Für uns geht es hierbei um den Schutz unseres Unternehmens." Zum Beispiel sei die Frage berührt, "welche Produkte das Kloster entwickeln kann, in Lizenz oder als Eigenproduktion." Käse? Oder Joghurt?

Barbara Scheitz will in diesem Fall auch nicht zurückstecken und die Auseinandersetzung durch einen "Nichtigkeitsantrag" beim Amt in Alicante beenden. "Milch und Milchprodukte sind unser Kerngeschäft. Das müssen wir über das Markenrecht absichern", sagt sie. Gegen die Entscheidung des HABM kann theoretisch noch auf zwei Ebenen vor Gericht geklagt werden, bis zum Europäischen Gerichtshof. Zu der Frage, ob das Kloster auch diese Instanzen in Anspruch nehmen würde, sagt Martin Glaab: "Das werden wir zu gegebener Zeit entscheiden."

Für Barbara Scheitz ist klar: "Wenn es schon kein friedliches Miteinander gibt, sollten wir zumindest ein friedliches Nebeneinander finden." Ein frommer Wunsch.

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SZ vom 05.07.2013
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