Andechs:Aller Anfang ist schwer

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Ausgezeichnete Solisten: Katharina Burkhart (links) und Theresa Holzhauser zusammen mit Chor und Dirigentin Sul Bi Yi (rechts). (Foto: Arlet Ulfers)

Kirchenmusikerin Sul Bi Yi gibt mit Rossinis "Petite Messe Solenelle" ihren Einstand als Dirigentin

Von Reinhard Palmer, Andechs

Als Organistin ist die Südkoreanerin Sul Bi Yi in Andechs längst angekommen. Seit vergangenem November wissen auch Konzertbesucher, dass die in München ausgebildete Musikerin eine glänzende Orgelvirtuosin ist, was auch ihre Wettbewerbserfolge belegen. Die Bewährungsprobe am Pult im oratorischen Fach musste noch auf sich warten lassen, bedarf doch die Einstudierung eines Vokalwerkes ihre Zeit. Und schließlich mussten sich die Andechser Chorgemeinschaft - oder was nach Anton Ludwig Pfells Abgang davon verblieb - und die Kirchenmusikerin Yi erst einmal durch die gemeinsame Arbeit kennenlernen.

Ein fliegender Wechsel, wie er andernorts als ideale Lösung stets angestrebt wird, war vom Kloster offenbar nicht gewollt. Die Folgen waren nun nicht zu übersehen: Mit der Glanzzeit unter Pfell mit einem mächtigen Chorapparat von 90 Stimmen, einem namhaften Orchester und renommierten Solisten hatte dieser Einstand Yis wenig zu tun. Der Florianstadel musste nur zur Hälfte bestuhlt werden, und der knapp 30-köpfige Chor wirkte etwas verloren auf der großen Bühne. Selbst die Originalfassung der "Petite Messe Solenelle" von Rossini, die für zwei Klaviere und Harmonium konzipiert ist, büßte einen Flügel ein.

Mit der Ausführungsqualität hat dies natürlich wenig zu tun, auch wenn die Reduktion wegen der trockenen Akustik des Florianstadls doch auch viel Substanzverlust bedeutete. Punkten konnte die Aufführung in erster Linie mit dem jungen Solistenquartett, das nicht nur Stimmigkeit in der Zusammenstellung bewies, sondern auch mit imposanten Stimmen aufwarten konnte. Allen voran die Mezzosopranistin Theresa Holzhauser, die mit ihrem warmen, dunklen Timbre und klarer Artikulation schön geformtes Volumen beisteuerte.

Auf der Männerseite bot der Südkoreaner Heeyun Choi eine Entsprechung zugunsten der Ensemblebalance. Sein weich und plastisch durchgeformter Bass bot dem Ensemble-Klangkörper eine solide Basis. Klangschön und vergleichbar lyrisch ebenso die hohen Stimmen, obgleich es die Stimmlagen mit der Akustik schwerer hatten. An den Partien der Sopranistin Katharina Burkhart und des südkoreanischen Tenors Sung Ming Song war die Herkunft des Komponisten vom Opernfach am deutlichsten zu erkennen. Rossini hatte den höheren Stimmen spektakulärere Dramatik zugedacht, während die tiefen Parts dem feinsinnigeren Ausdruck zugewandt sind. Die Duette, Terzette und Quartette betörten indes mit farbenreicher Klangschönheit und hochmusikalischer Formung.

Die Andechser Chorgemeinschaft konnte gut mithalten, zumal die Kammerchorgröße reichlich mehr Volumen bot als das im Original vorgesehene Doppelquartett. Rossini hatte allerdings vom Opernfach her auch dem Chor eine reich nuancierte Farbvielfalt und dynamische Differenzierung zugedacht, die im Florianstadel bei weitem nicht ausgeschöpft war. Vor allem was die weiten Rücknahmen betrifft. Im Credo und Sanctus, wo Chor und Solistenensemble von Rossini nahezu einen Farbrausch komponiert bekommen haben, kam die Klanggestaltung dem Ziel schon näher. Die komplexen Stimmgeflechte etwa im "Christe eleison" des Kyrie a cappella oder im "Et resurrexit" des Credo meisterte die Chorgemeinschaft in transparenter Klarheit.

Sul Bi Yi, die ihre Aufgabe am Pult souverän und präzise erledigte, kam allerdings aus dem Taktschlagen nicht weit hinaus. Sie vermochte auf diese Weise auch nicht ausreichend in die Gestaltungstiefen vorzudringen. Was sich erklären lässt: Sie hat ihr Meisterstudium erst 2016 beendet, es fehlt ihr mithin an Praxiserfahrung, die sie hoffentlich in Andechs sammeln kann. Die Reduktion der Besetzung hatte also auch den Vorteil, Yi nicht zu überfordern.

Die südkoreanische Pianistin So Hyang In und der Freisinger Domorganist Benedikt Celler am Harmonium bewiesen reichlich Einfühlungsvermögen, um die Kargheit zur besonderen Qualität zu erheben. Große orchestrale Wirkungen kamen in den Höhepunkten dennoch zustande, so auch wirkungsvoll im betörend schönen "Agnus Dei"-Finale, als sich Theresa Holzhausers Mezzosopran schönmelodisch über dem strahlenden Chorsatz erhob.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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