Analyse:Jein zu Jamaika

Kommunalpolitiker von FDP und Grünen freuen sich über ihr gutes Abschneiden bei der Bundestagswahl. Sie rechnen allerdings mit zähen und schwierigen Verhandlungen der möglichen Koalitionspartner.

Von Otto Fritscherund Peter Haacke, Starnberg

Tristesse bei Schwarzen und Roten, Gelb und Grün im Aufwind, und ein Dämpfer für die AfD: Einen Tag nach der Bundestagswahl waren die Ergebnisse im Wahlkreis 224 mit den Landkreisen Starnberg, Landsberg und der Kreisstadt Germering das meistdiskutierte Thema. Wer koaliert mit wem? Was ist möglich nach dem vorzeitigen Ausstieg der SPD aus den Koalitionsverhandlungen? Hat ein "Jamaika"-Bündnis mit Union, FDP und Grünen überhaupt eine ernsthafte Chance?

Analyse: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger glaubt, dass die Koalitionsverhandlungen schwierig werden.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger glaubt, dass die Koalitionsverhandlungen schwierig werden.

Die FDP in absoluter Feierlaune. "Ich bin immer noch high", sagt Britta Hundesrügge, die Direktkandidatin der FDP am Montagmittag zur SZ. Sie sei gerade beim Frühstück, nach der Siegesfeier in Berlin. "Ich bin einfach dem, der neben mir stand, um den Hals gefallen", sagt sie und lacht. Mit 17,07 Prozent im Landkreis und 14,16 Prozent im Wahlkreis hat sie jeweils das bayernweit beste Erststimmen-Ergebnis aller FDP-Kandidaten für den Bundestag erzielt. Mit weitem Abstand. "Kein anderer war zweistellig", sagt sie, und "Ja, ich bin ein bisschen stolz." Nun hofft Hundesrügge, dass es mit dem Jamaika-Bündnis klappt: "Da kann man nicht kneifen, das geht nicht." Und dann immer wieder die gleiche Frage, auch aus Kreisen ihrer Partei. Ob sie bereit wäre, bei der bayerischen Landtagswahl im Herbst 2018 zu kandidieren. "Vielleicht mach' ich es, vielleicht auch nicht", sagt sie locker und lacht. Für Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, liberales Urgestein und ehemalige Bundesjustizministerin, ist eine erneute Kandidatur - "für was auch immer" - kein Thema mehr. "Es ist die Stunde für Jüngere." Aber sie habe sich in den Bundestagswahlkampf stark eingebracht, und werde dies auch bei der Bayernwahl tun. Wie steht sie zu Jamaika? "Es wird schwierig, aus der rechnerisch möglichen Mehrheit auch ein tragfähiges Ergebnis zu machen." Sie schätzt die Chance auf eine tatsächliche Koalition mit CDU, CSU und Grünen auf "ein bisschen über 50 Prozent". Martin Zeil, ehemaliger bayerischer FDP-Wirtschaftsminister, bis die FDP bei der letzten Wahl aus dem Landtag flog, war bei der Siegesfeier der Liberalen in München. "Wir haben in den vergangenen Jahren ja schon alle Höhen und Tiefen erlebt", sagt er. Wobei für ihn eine erneute Kandidatur für den Landtag gut vorstellbar ist. "Ich bin bereit, in einem Team aus jungen und erfahrenen Leuten mitzumachen." Allerdings nicht im Landkreis Starnberg, sondern im benachbarten Weilheim-Schongau. "Die haben mich gefragt, ob ich mit anschieben will, weil in Starnberg läuft es eh sehr gut." Die langjährige FDP-Kreisvorsitzende Sigrid Friedl-Lausenmeyer freut sich über das Top-Ergebnis an ihrem Wohnort Feldafing: 22,02 Prozent. "Toll, aber ich will mir das nicht allein auf die Fahne schreiben."

Starnberg

Auch Kerstin Täubner-Benicke rechnet mit schwierigen Verhandlungen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Die Grünen im Landkreis Starnberg haben gemischte Gefühle: Einerseits freuen sie sich dank ihres treuen Wählerklientels über leicht gestiegene, stabile Ergebnisse im unteren zweistelligen Bereich, andererseits schaut man mit Schaudern und Unbehagen auf den rechten Rand des politischen Spektrums. Grünen-Direktkandidatin Kerstin Täubner-Benicke zeigt sich nach engagiertem Wahlkampf mit 12,75 Prozent der Erststimmen sehr zufrieden. "Es ist besser gelaufen als befürchtet", sagte die Kreisvorsitzende. Ihr positives Gesamtergebnis wird jedoch vom Ergebnis der AfD getrübt. Täubner-Benicke: "Ich denke, dass die sich noch selbst enttarnen werden". Im Hinblick auf eine Koalition mit CDU/CSU und Liberalen erwartet sie ergebnisoffene Verhandlungen, bei der grüne Schwerpunkte eine Rolle spielen sollen. Ähnlich sieht das Bernd Pfitzner: Er erwartet "spannende, aber schwere Verhandlungen", bei denen sich "alle Beteiligten bewegen müssen". Pfitzner legt Wert auf Kernpunkte grüner Politik. Ob die FDP allerdings bei Themen wie Klimawandel, Energiewende oder Automobilindustrie mitspielen wird, steht in den Sternen. Am Ende der Verhandlungen müsse ohnehin die grüne Basis über eine Regierungsbeteiligung entscheiden. Größeren Widerstand vermutet er in der CSU, bei der er einen "Drift nach rechts" festgestellt hat. Seine Idealkombination wäre daher "Jamaika ohne CSU". Auch Kreisrätin Martina Neubauer freut sich über ein "tolles Ergebnis für die Grünen". Mit Blick nach rechts müssten nun aber alle demokratischen Kräfte zusammenhalten. "Jamaika" sei durchaus eine Lösung; es stünden schwierige Verhandlungen an mit dem Ziel, eine "legitimierte Regierung zu basteln".

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