Amtsgericht Starnberg:Sozialstunden statt Stadion für Löwen-Fan

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Ein Pöckinger richtet mit der Spraydose einen Schaden in Höhe von 30 000 Euro an. Dafür muss der 21-Jährige jetzt einhundert Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.

Von Armin Greune, Starnberg

Zumindest um diese Aufgabe ist die Anklägerin nicht zu beneiden, auch wenn sie Allegro und fast stolperfrei absolviert wird: Eine geschlagene Viertelstunde lang rattert sie die Straftaten herunter, die dem 21-Jährigen zur Last gelegt werden. Drei Jahre lang hat er privates und öffentliches Eigentum in Starnberg, Pöcking und Feldafing mit Spraydose und Aufklebern verunziert. Minutiös listet die Staatsanwältin ein Betrugsdelikt und 73 Fälle von Sachbeschädigung auf, der Schaden beläuft sich alles in allem auf mehr als 33 000 Euro. Am Ende der zweistündigen Verhandlung im Starnberger Amtsgericht räumt der Beschuldigte 54 Fälle im Wert von 30 000 Euro ein - und ist erleichtert, ohne Freiheitsentzug davon gekommen zu sein.

Er muss allerdings in Kauf nehmen, an einigen Wochenenden auf seinen zentralen Lebensinhalt zu verzichten, weil er bis zum Herbst 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit ableisten muss und nicht ins Stadion ziehen kann. Die Leidenschaft des Pöckingers lässt sich in drei Buchstaben oder vier Ziffern zusammenfassen, wie seinen schriftlichen Botschaften zu entnehmen ist. Wenn er nicht "TSV" oder "1860" auf Fenstern, Verteilerkästen, Ampeln, Unterführungen, Hauswänden, Hinweisschildern und Hundetoiletten hinterließ, waren es Parolen wie "Fuck FCB" oder "Rote müssen sterben". Zudem soll der Angeklagte Dutzende Aufkleber der 60er-Fangruppe " Banda 1158" und einer " Cannabis Crew" im öffentlichen Raum angebracht haben. Diese Fälle streitet er freilich ab, auch wenn die Sticker massenhaft bei der Durchsuchung seiner Wohnung im Juli 2017 beschlagnahmt wurden. Die habe er bloß als Sammelbestellung für den Freundeskreis aufbewahrt. Er habe nur gesprüht und auf keinen Fall illegale Drogen "glorifiziert", wie sein Verteidiger betont.

Das erscheint glaubhaft, hatte der Angeklagte doch mit legalen Drogen genug Probleme. Wie auch die jüngste Straftat beweist, die das Gericht spontan zum Verfahren hinzuzieht: Anfang 2019 hatte er mit drei Freunden nach dem Besuch eines Eishockeyspiels in Garmisch ein Taxi genommen, das sie nach Starnberg brachte. Dort büxten die Fahrgäste dann aus, weil sie blank waren. Der heute 21-Jährige wurde jedoch kurz darauf von der Polizei gefasst, als er die Scheiben seines Autos freikratzte - und bevor er sich mit 1,3 Promille ans Steuer setzen konnte. Der Taxifahrer erhielt seine 122 Euro gleich nach einem beamtenbegleiteten Bankbesuch.

Der Vorfall ereignete sich drei Tage vor dem 21. Geburtstag des Pöckingers - dem Tag, an dem sein "Welpenschutz" auslief, wie es der Verteidiger ausdrückt. So aber können alle Delikte nach Jugendrecht geahndet werden, denn eine Reifeverzögerung des Angeklagten steht außer Zweifel. Auch viele Sachbeschädigungen seien inzwischen finanziell oder selbsttätig wiedergutgemacht: Nächtelang habe er auf Krücken mit Schrubber und Drahtbürste die Graffiti beseitigt, der Pöckinger kann dazu eine Vorher-Nachher-Fotodokumentation im Gericht vorlegen. Selbst als der Anwalt zur Entlastung vorbringt, sein Mandant habe nicht aus Spaß am Schadenstiften oder Frust über die auf den Hund gekommenen Löwen gesprüht, sondern als "notwendiges Übel, um sich selbst künstlerisch zu verwirklichen", verzieht Richter Ralf Jehle keine Miene.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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