Amtsgericht:Geldstrafe für Erinnerungslücken

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Betrunkener Mann begegnet Bahnsecurity mit Naziparolen

Von Christian Deussing, Herrsching

Der Mann war betrunken in der S-Bahn eingeschlafen und spät nachts von DB-Sicherheitsleuten im Herrschinger Bahnhof geweckt und angesprochen worden. Doch der Fahrgast hatte aggressiv reagiert und laut Anklage gerufen: "Sind hier Ausländer? Sieg Heil und Heil Hitler." Diesen Vorfall vom Januar vergangenen Jahres bestätigte ein Bundespolizist im Prozess vor dem Amtsgericht Starnberg, wo sich der 23-jährige Küchenhelfer wegen "öffentlichen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" verantworten musste. Der Münchner wurde zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt, wobei eine vorherige Strafe wegen Widerstands und Beleidigung von Vollstreckungsbeamten miteinbezogen worden ist.

Es sei ihm gar nicht bewusst gewesen, was er da gesagt habe und stehe auch nicht dazu, erklärte der vielfach, aber nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte. In der Verhandlung gab er sich reumütig, behauptete jedoch, sich an seinen Wutausbruch im Bahnhof nicht mehr richtig erinnern zu können. Das nahm ihm aber Richterin Christine Conrad angesichts seiner 1,2 Promille Alkohol im Blut nicht ab, denn mit diesem Wert sei er noch wahrnehmungsfähig gewesen. Der Grund des Ausrasters habe wohl in der "alkoholbedingten Enthemmung" gelegen, so die Richterin.

"Der Mann war total von Sinnen, und wir mussten die Polizei verständigen", erinnerte sich ein Mitarbeiter der Bahnsecurity in der Verhandlung. Als Zeugin sagte zudem die Ex-Bewährungshelferin des Angeklagten aus und betonte, dass er ihr nie mit rechtsradikaler und ausländerfeindlicher Gesinnung aufgefallen sei. Sie wisse aber, dass er unter Alkoholeinfluss in den Zügen und Bussen oft eingeschlafen sei. Dennoch wies der Staatsanwalt darauf hin, dass der junge Mann Parolen einer "menschenverachtenden Ideologie" geschrien habe, was nicht zu dulden und generalpräventiv entschieden zu ahnden sei. Andererseits wertete der Ankläger das Verhalten des Mannes als spontane Tat, die er nicht aus Gesinnung, sondern aus dem "Affekt heraus als Ventil seiner Aufregung" begangen habe. Der Staatsanwalt beantragte daher auch nur eine Geldstrafe.

Das Gericht würdigte, dass der 23-Jährige sein Leben komplett geändert, einen festen Wohnsitz und einen Job habe, den er offenbar zuverlässig ausübe. Zudem sei der Mann Vater geworden, was ihn wohl auch stabilisiere.

© SZ vom 14.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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