Freunden der ernsten Musik ist der Begriff der Hofkapelle in erster Linie als Bezeichnung für Orchester an Fürstenhöfen bekannt. Aber er hat auch eine zweite Bedeutung, die insbesondere in Bayern bekannter ist: Er bezeichnet die meist winzigen Zeugen bäuerlicher Frömmigkeit, die zu jedem Hof von stattlicher Größe nicht zuletzt als Symbol des Reichtums von Gottesgnaden gehören. Zusammen mit den vielen barockisierten Dorf- und Wallfahrtskirchen sowie Votivkapellen bilden sie ein dichtes Netzwerk ländlicher Gottesfurcht. Sie sind ebenso die Basis bayerischer Tradition und Kultur. Die Veranstalter der „Ammerseerenade“ haben ihr Publikum am Sonntag auf vier Routen zu Konzerten in diesen schlichten Sakralräumen auf Wanderschaft geschickt.
Ziel dieses ungewöhnlichen Kulturgenusses ist es, die Ammerseeregion mit der sie bestimmenden bäuerlich-kirchlichen Kultur greifbar zu machen, betont die zweite Vereinsvorsitzende Doris M. Pospischil. Es habe die Hoffnung bestanden, dass sich an jedem Ort dort beheimatete Musiker und Musikanten finden lassen, die das musikalische Programm gestalten könnten. Der Plan sei zwar nicht überall aufgegangen, sagt Pospischil. In der Regel gelinge es jedoch, die Konzerte mit Protagonisten aus der Ammerseeregion zu besetzen.
Die „Ammerseerenade“ ist ein Festival klassischer Musik, das mit sieben Konzerten zwischen dem 14. und 28. September rund um den Ammersee stattfinden wird, doch der Kapellentag setzt der Musik keine Grenzen. Amateure wie professionelle Musiker und Musikanten sollen mit Unterhaltsamem, Populärem, Volkstümlichem und Klassischem ein möglichst breites Publikum erreichen und Inhalte mit Orten in Beziehung setzen – und dies in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal. Der Erfolg ist überwältigend. Regnerisches Wetter ist inzwischen sogar geradezu hilfreich, um den Run auf die Sakralräume mit ihrem begrenzten Platzangebot im adäquaten Rahmen zu halten.
Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Vereinsvorsitzenden Hans-Joachim Scholz, wählte Pospischil diesmal die Ostroute für sich, auf der sie besonders bei der Station in Herrsching-Rausch von einer „idealen Konstellation“ schwärmte. Im pittoresken Weiler Rausch findet sich die 1833 erbaute Hofkapelle „Mariens Vermählung“. Zu klein für ein Konzert im Innenraum, doch mit einer großen Kastanie davor, die weitgehend Schutz vor Regen bietet. Unter einem Baldachin hatte die heimische, rein weiblich besetzte Hausmusikgruppe „SaitenRausch“ mit Blockflöten, Fidel, Gitarre, Harfe und Kontrabass Aufstellung genommen. Dargeboten wurde eine breite Palette in Bayern gepflegter Tänze wie Marsch, Polka, Zwiefacher oder Schottisch, aber auch Ohrenschmeicheleien mit Volksmusik aus Frankreich und England. Und weil Hausmusik eine familiäre Angelegenheit ist, durften auch die zwei Buben Jonathan am Tenorhorn und Philipp am Akkordeon ihr Können zum Besten geben.
Komponiert hatte das Stück der Breitbrunner Musiker und Musikant Hansi Zeller, der mit Finni Melchior im Duo „Klangzeit“ auch schon in früheren Zeiten den Kapellentag bereichert hat. Kaffee und selbst gebackenen Kuchen gab es der Nachmittagsstunde entsprechend im Anschluss: gelebte Dorfkultur vom Feinsten eben. Begonnen hatte die Tour mit dem Zimbalisten aus Belarus Michail Leontchik in der Hofkapelle „Maria Schnee“ von 1877 in Aidenried auf einem Hügel mit herrlichstem Seeblick.
Und da im Anschluss die evangelische Erlöserkirche in Herrsching von 1956 über viel Platz verfügt, nahm sie das seit bereits 41 Jahren musizierende Heinz Jürgens Akkordeonorchester Kaufering in Beschlag. Mit saftigem Sound gab es internationale Pop- und Volksmusik sowie bekannte Filmmusik. Am deutlichsten demonstrierte der Klangkörper seine Musikalität in „Cerf-volant“ aus dem französischen Streifen „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ in romantisch-nostalgischer Empfindsamkeit.
Klassik erwartete die Kulturnomaden im zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert sukzessive entstandenen „St. Johannes der Täufer“ in Breitbrunn mit dem Duo Christoph Goldstein (Violine, Viola) und Johannes Beham (Klavier und E-Piano). Das in Landshut verortete Duo war auch nicht zum ersten Mal dabei. Mit Raritäten weniger bekannter Meister war das Duo stets für Überraschungen gut. Darunter sind Werke des „tschechischen Mozarts“ Jan Křtitel Vaňhal, Nostalgisch-Romantisches vom in Dachau von den Nazis ermordeten Robert Dauber oder auch Temperamentvolles aus der Feder des rumänischen Geigenvirtuosen Grigoraș Dinicu. Doch auch „Schlager“ wie Bachs „Air“ oder „Der Schwan“ von Saint-Saëns begeisterten das Publikum. Die Ostroute endete in Inning-Schlangenhofen, wo mit der Kapelle St. Michael ein Kleinod von 1680 die Hörer empfing: Suzan Baker (Gesang, Gitarre) und Dennis Lüddicke (Gitarre) präsentierten Songs aus eigener Feder. Was blieb, ist die Vorfreude auf die Heimaterkundung im nächsten Jahr – auf welcher Route auch immer.