Süddeutsche Zeitung

Essen und Trinken im Fünfseenland:Ein Hauch von Vietnam am Ammersee

Minh Hieu Duong hat mit seiner Frau Thi Mai Lan Nguyen ein neues Restaurant in Utting eröffnet, in dem er die Küche seiner Heimat zeitgenössisch und modern interpretiert.

Von Astrid Becker

Schon bei der Anfrage am Telefon nach einem persönlichen Gesprächstermin wird eines klar: Dieses neue Lokal in Utting braucht sich über mangelnden Gästeandrang nicht zu beklagen. Man hört Geschirr klappern und einen Geräuschpegel, der auf anregende Unterhaltungen schließen lässt. Wer das vietnamesische Restaurant "Kimora" dann später am Mittag betritt, gewinnt schnell den Eindruck, dass mindestens halb Utting die Eröffnung dieses Asiaten herbeigesehnt hat. Seit dem Sommer wurde das Haus, in dem zuvor ein Italiener war, umgebaut. Liebevoll haben die neuen Pächter das Lokal gestaltet, bis sie es vor kurzem Ende Oktober für ihre Gäste aufsperren konnten.

Auf jeglichen Kitsch, wie er oft in anderen asiatischen Lokalen zu finden ist, haben sie beim Interieur verzichtet. Vielmehr wirkt das "Kimora" (auf Deutsch: einzigartig) zwar edel designt, aber alles andere als ungemütlich. An der Decke, gleich sichtbar vom Eingang aus, hängen Lampen in der Form von Fischen, die aus einzelnen Bambusstäben gestaltet sind. Die Wände erstrahlen in beruhigendem Blaugrün, einzelne Sitzbänke sind passend dazu in Petrol gehalten: An Wasser lässt diese Farbauswahl denken - an den Ammersee ebenso wie ans Südchinesische Meer, das sich um Vietnam schmiegt. Minh Hieu Duong lacht, als er diesen ersten Eindruck vernimmt - um dann wenig später zuzugeben, dass dies auch völlig beabsichtigt war: "Wir haben das alles selbst so entworfen", sagt er. Wir, das sind er und seine Frau Thi Mai Lan Nguyen. Das Paar hat das Lokal gepachtet, weil es über gute Beziehungen zum Eigentümer des Hauses verfügt.

Man muss die Geschichte vielleicht von vorn erzählen. Denn der Wirt, der in seinem neuen "Kimora" auch selbst am Küchenherd steht, ist vor sechs Jahren nach Deutschland gekommen. Und eigentlich hatte er ganz andere Pläne: Er studierte Elektrotechnik und jobbte nebenbei mehrmals in der Woche in der Gastronomie im Sushi-Lokal seines Onkels. Schon bald merkte er, wie wenig sein Herz für sein Fach, vielmehr aber für die Kulinarik schlägt: "In Vietnam kochen eigentlich alle", erzählt er. "Ich habe es von meiner Mutter gelernt, von klein auf." Und das Kochen, die Gastronomie, das sei einfach "viel kreativer": "Mein Hobby war das, nun ist es meine Leidenschaft."

Die Wirte sind selbst vom Andrang der Gäste überrascht

Selbst ein Lokal zu eröffnen ergab sich durch die Geschäftspartnerin des Ehepaars. Sie betreibt drei Lokale in München - und einer dieser drei Standorte gehört dem Eigentümer des Hauses, in dem sich nun das "Kimora" befindet. Nach dem kompletten Umbau des einst italienischen Restaurants, der auch eine völlig neue Küche beinhaltete, wollten Minh Hieu Duong und seine Frau in der Ammersee-Gemeinde eigentlich mit einem "Softopening" starten. So steht es auch noch auf dem Plakat an der Terrasse des Hauses, auf der im Sommer 50 Menschen bewirtet werden können. Doch ihre Rechnung hatten die beiden ohne die Uttinger gemacht: Von Beginn an war der Andrang auf das innen ebenfalls etwa 50 Plätze fassende Lokal groß, sogar mittags. Am Abend, so erzählen die Pächter, gehe ohne Tischreservierung schon jetzt nichts mehr. "Das haben wir nicht erwartet, wir sind ja noch immer auf Personalsuche." Deshalb verwandelt sich Duong derzeit noch regelmäßig vom Koch in eine Servicekraft: "Wir brauchen dringend mehr Kellner und Küchenhilfen, Spüler zum Beispiel", sagt er. Doch jemanden dafür zu finden, ist derzeit nicht nur für sie, sondern für die gesamte Gastronomie ein Problem. Deshalb können im "Kimora" zwar Speisen zum Abholen bestellt werden, einen Lieferservice gibt es aber nicht: "Das würden wir personell nicht schaffen."

Dafür liegt Duongs besonderes Augenmerk auf den Gerichten, die er nach Rezepten seiner Mutter zubereitet. Mit einer kleinen Einschränkung: Manche Speisen werden weniger scharf zubereitet als in Vietnam. Der europäische Gaumen, so meint Duong, sei diese Art der Schärfe nicht gewöhnt. Wenn ein Gast jedoch die Originalrezeptur wolle, werde er das gewünschte Gericht auch genau so scharf zubereitet bekommen wie in seinem Heimatland, verspricht der Wirt und Chefkoch. Eine Aussage, die für Nichtkenner ein bisschen relativiert werden muss: Ohnehin besteht die vietnamesische Küche nicht nur aus besonders scharfen Speisen. Essenziell sind beispielsweise frische Kräuter, Koriander, Minze oder auch Sprossen, die zu vielen Gerichten zusätzlich gereicht werden. Auch Gewürze wie Zimt, Kardamom und Ingwer spielen eine große Rolle. Oder auch eine spezielle, lang fermentierte Fischsauce, die mit Zucker, Limettensaft, Chili und Knoblauch angerührt wird.

Recht modern auf der Speisekarte wirken die Bun Bowls

Reis und Reisnudeln sind ebenfalls nicht aus der vietnamesischen Küche wegzudenken. Duong serviert Reis beispielsweise gegrillt, eine Delikatesse, wie er sagt - ebenso wie seine Dumplings, also gedämpfte Teigtaschen, die verschieden gefüllt sind mit Rindfleisch, Gemüse oder Garnelen. Recht modern auf der Speisekarte wirken die Bun Bowls. Hinter diesem Namen verbergen sich vietnamesische Reisnudelschalen mit frischem Salat, Kräutern, Erdnüssen und Frühlingsrollen, die Duong mit einem Limetten-Chili-Dressing reicht. Auf der Karte finden sich aber auch klassische Currys, Grill- und Wokgerichte, vegetarisch zubereitet, mit Fisch wie Lachs, Thunfisch und Seeteufel, oder auch mit Hähnchen, Ente oder Rind. Wert legt Duong dabei auf regionale Zutaten - zumindest dort, wo dies möglich ist: etwa beim Fleisch.

Und dann sind da auch noch die Cocktailkreationen, die weit über das Übliche, etwa den Mai Tai, hinausreichen: ein Kimora Highball zum Beispiel, der aus Portwein, Orangenbitter, Grapefruit und Tonic gemixt wird. Oder der etwas japanisch anmutende Midori Fizz aus Melonenlikör, Pflaumenwein und Maracuja. Duong ist das Japanische daran sehr wohl bewusst, aber für ihn ist das auch Ausdruck der wechselnden Einflüsse auf die Küche Vietnams: aus China etwa oder Thailand, aber auch von der einstigen Kolonialmacht Frankreich.

Bei den Uttingern kommt das Restaurant und sein zeitgenössisches Konzept offensichtlich gut an: Auch in den Mittagspausen des Lokals zwischen 14.30 und 17.30 Uhr klingelt laufend das Telefon. Oder es stehen Leute vor der Tür, die nach den Öffnungszeiten fragen oder gleich einen Tisch reservieren wollen. Duong könnte wahrscheinlich täglich durchgehend öffnen, Montag ist bislang Ruhetag. Aber dafür müsste er erst einmal mehr Personal finden: "Vielleicht schaffen wir das ja irgendwann."

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