Süddeutsche Zeitung

Freizeit in Bayern:Urlaubsgefühl adé an Deutschlands längster Promenade

Wegen der Pandemie war es Herrschinger Wirten in den vergangenen zwei Jahren erlaubt, am Ufer des Ammersees Tische und Stühle aufzustellen. Das ist nun vorbei - zum Leidwesen von Ausflüglern und Gästen.

Von Astrid Becker

Wenn Gabi Thyssen auf die Bank am Kiesstrand von Herrsching blickt, muss sie herzlich lachen. "Schauen Sie sich das an, die wurde angeschwemmt. Ist das nicht Ironie des Schicksals?", fragt sie. Gabi Thyssen ist die Betreiberin des Ammerseehotels direkt an der Seepromenade. In den vergangenen zwei Jahren hatte sie am Ufer, direkt dort, wo derzeit die Bank steht, Tische und Stühle aufgebaut - mit Genehmigung der Bayerischen Seenverwaltung. Doch nun ist damit Schluss, was Ausflügler ebenso ärgert wie die Herrschinger selbst. Kein Wunder: Die Promenade ist schließlich berühmt - mit ihren 8,5 Kilometern die längste ganz Deutschlands, was eindrucksvoll auch das Bayerische Fernsehen in seiner Reihe "Heimat der Rekorde" dokumentiert hat. Und was viele gerade während des Lockdowns bei ausgiebigen Spaziergängen am See zu schätzen gelernt haben.

Auch Peter Grassmann. Der einstige Vorstandsvorsitzende von Carl Zeiss kennt das Hotel zwar bereits seit mehr als 50 Jahren, er hat 1967 dort, noch bei den Vorbesitzern, sogar seine Hochzeit gefeiert. Und er ist noch immer regelmäßig zu Gast in dem Lokal direkt an der Uferpromenade. Im vergangenen Jahr, so erzählt er, sei er sogar mehrmals wöchentlich dort gewesen und habe das Sitzen direkt am See sehr genossen. Doch ihn treibt nicht nur um, dass es nun mit dem eigenen Spaß vorbei ist. Im Gegenteil: Er sieht in Naherholung aktiven Klimaschutz. "Wir haben doch eine Verantwortung, attraktiv zu sein. Es kann doch kaum im Sinne von Nachhaltigkeit sein , wenn jetzt jeder wieder in die Dominikanische Republik fliegt oder nach Rimini fährt."

Und zu einer attraktiven Naherholung gehöre Gastronomie dazu, in einer Gemeinde wie Herrsching nun mal auch direkt am See. Das sagt Grassmann aber keineswegs nur als enttäuschter Privatmann, sondern weil er sich seit vielen Jahren im Verein Ammersee-Ostufer für Mensch und Natur engagiert. Ein Verein, der sich beispielsweise für den Erhalt des natürlichen Schilfgürtels stark gemacht hat - und im Zuge dessen auch für Sichtschneisen: "Schauen Sie beispielsweise auf das Gebiet zwischen Herrsching und seinem Ortsteil Breitbrunn, da ist alles so zugewuchert, das ist aber ökologisch falsch, weil sich zu viel Humus bildet, was wiederum an einem Wellenschlagufer schlecht fürs Schilf ist." Diskussionen darüber führt er seit Jahrzehnten mit der Seenverwaltung. Mal mit mehr Erfolg, mal mit weniger.

Grassmann wendet sich auch an die Gemeinde und das Landratsamt

Und genau dort hat er nun erneut Protest gegen die nicht mehr erteilte Genehmigung für ein paar Tische und Stühle am Promenadenufer eingelegt - und sich deswegen auch an die Gemeinde und an Landrat Stefan Frey gewandt. Herrschings Bürgermeister Christian Schiller würde sich auch einen anderen Weg wünschen, wie er der SZ auf Anfrage bestätigte. Und auch Frey (CSU) will Grassmann bei seinen Bemühungen unterstützen. Zumindest hat Frey dies dem Herrschinger Protestführer schriftlich zugesichert, sein Brief liegt der SZ vor. Doch ob all dies zum gewünschten Erfolg führen wird, muss dennoch bezweifelt werden.

Denn die Seenverwaltung hat sich selbst einen strikten Kurs auferlegt, wenn es um die Uferbereiche geht, für die sie zuständig ist - im Gegensatz zur Wasserfläche, die dem Landratsamt Landsberg obliegt. Vorrang, so sagt es nun der hiesige Seenverwaltungsleiter Johannes Leicht, habe immer der Landschaftsschutz, der am Ammerseeufer auch die Kiesuferbereiche umfasst, und "natürlich auch der Vogelschutz von internationalem Rang in diesem Gebiet".

Aufgabe der Bayerischen Seen- und Schlösserverwaltung sei es nun einmal, die Seeufer frei von Nutzungen zu halten, die über den "Gemeingebrauch hinausgehen und die für den Ammersee als natürliches Gewässer untypisch oder gar schädlich sind", wie es auch in einer schriftlichen Stellungnahme der Verwaltung heißt. Eine gastronomische und damit gewerbliche Nutzung des Ammerseestrandes würde dieser seit den Siebzigerjahren praktizierten Entlastungspolitik zuwiderlaufen, ist dort zudem zu lesen.

Freilich: In den vergangenen zwei Jahren wurde diese Entlastungspolitik anders ausgelegt. Und das, so sagt auch Leicht, habe direkt mit der Pandemie zu tun und den daraus folgenden Beschränkungen für alle, unter anderem eben auch für die Gastronomie, deren Umsätze durch die Auflage, Mindestabstände einzuhalten und nur eine bestimmte Anzahl von Gästen bewirten zu dürfen, recht schlecht ausfielen. Aus diesem Grund hatte damals das bayerische Wirtschaftsministerium Kommunen und Behörden gebeten, die Wirte bei der Vergrößerung ihrer Freischankflächen zu unterstützen. In München etwa wurden plötzlich Tische und Stühle auf Gehwegen oder Parkplätzen zugelassen, an Stellen also, an denen das viele Jahre für undenkbar gehalten wurde.

"Das war wie Klein-Italien", sagt die Wirtin

Und deshalb durfte auch Gabi Thyssen ihre Außengastronomie auf den Kiesstrand verlagern - mit der Auflage, die Gesamtzahl ihrer genehmigten Plätze dadurch nicht zu erhöhen. "Das war wie Klein-Italien. Das hat das Niveau gleich noch mal gehoben." Ein bisschen enttäuscht ist sie daher schon, heuer keine Genehmigung dafür mehr erhalten zu haben: "Auch wenn ich dafür mehr Servicepersonal bräuchte, das seit der Pandemie sehr schwer zu bekommen ist, hätte ich mir die Tische und Stühle dort sehr gewünscht." Auch weil Gäste laufend danach fragten, wie sie sagt. Nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass in München etwa noch immer viele Wirte größere Freischankflächen haben als vor der Pandemie.

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