Energiewende :Heizen mit der Kraft des Ammersees

Lesezeit: 3 Min.

Eignet sich der Ammersee - hier aufgenommen in nördlicher Blickrichtung - als Energieträger für Seethermie? Das fragen sich derzeit mehrere Bürgermeister, die allesamt vor dem gleichen Problem stehen. (Foto: imago stock/imago stock&people)

Für die Anrainer-Gemeinden ist Seethermie eine reizvolle Option, Wärme zu erzeugen. Ein Vorbild ist Luzern am Vierwaldstättersee, wo sich die Bürgermeister über die neue Technik informiert haben.

Von Renate Greil, Schondorf

Mit Seethermie heizen und so die erneuerbare Energiequelle vor der Haustür nutzen: Diese Vorstellung findet in vielen Gemeinden rund um den Ammersee derzeit großen Anklang. Nur wurde diese Art der Wärmeerzeugung hierzulande bisher kaum realisiert, was auch an den bislang günstigen Preisen für fossile Energiequellen lag. Doch das ist Geschichte, die Vorgaben der Politik weisen in Richtung erneuerbare Energiequellen.

Die Schweizer nutzen Seethermie schon geraume Zeit. Schondorfs Bürgermeister Alexander Herrmann hat deshalb eine Besichtigungsfahrt nach Luzern am Vierwaldstättersee organisiert. Dort erzeugen gleich zwei Seethermie-Kraftwerke Wärme und Kälte. Herrmanns interessierte Reisebegleiter: Kolleginnen und Kollegen aus den Rathäusern der Nachbargemeinden wie Sandra Perzul (Dießen), Florian Hoffmann (Utting) und Walter Bleimaier (Inning). Verstärkt wurde die Delegation von Andreas Weigand, Geschäftsführer von Klima³, der Klima- und Energieagentur der Landkreise Starnberg, Fürstenfeldbruck und Landsberg am Lech.

Auch Herrschings Bürgermeister Christian Schiller hatte zunächst mitfahren wollen, war dann aber wegen der Hochwasserlage und kritischer Wetterprognosen vorsichtshalber zu Hause geblieben. Immerhin: Schiller sagt, dass er die Seethermie für das Ammersee-Ostufer als „interessante Möglichkeit im Fokus“ habe – und das schon seit einigen Jahren. Auch für den Bau des neuen Gymnasiums, das gerade in Herrsching gebaut wird, sei diese Möglichkeit bereits im Gespräch gewesen.

Die Energieerzeugung mit Seewasser hält Klima³-Chef Weigand aus technischer Sicht für relativ entspannt und wenig störungsanfällig. Im ersten Kreislauf wird vier bis fünf Grad kaltes Seewasser aus einer Tiefe von 20 bis 40 Metern abgepumpt. In einer Energiezentrale an Land wird dem Wasser mittels Wärmetauscher Energie entzogen. Das um wenige Grad abgekühlte Wasser fließt zurück in den See. Das Wasser des zweiten Kreislaufs an Land läuft durch eine Wärmepumpe, die gewünschte Heiztemperaturen erzeugt.

Andreas Weigand, Geschäftsführer der Klima- und Energieagentur "Klima³" der Landkreise Starnberg, Landsberg am Lech und Fürstenfeldbruck. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, dass in den Häusern selbst weitere Wärmepumpen arbeiten, die das Wasser aus dem sogenannten „kalten Netz“ für Heizung und Warmwasser mit 20 Grad Celsius noch weiter erhitzt. Leitungsnetze sind zum Beispiel aus München als Fernwärme bekannt, sagt Weigand. Für kleinere Orte würden aber keine so dicken Leitungen wie in München benötigt.

„Eine super Sache“ sei der Betrieb in Luzern, die Seethermie wird von den dortigen Stadtwerken betrieben, berichtet Weigand. Geplant seien dort weitere Kraftwerke. Bereitwillig hätten die Kraftwerksbetreiber ihre Informationen mit der Besuchergruppe vom Ammersee ausgetauscht. Allerdings verhalte sich jeder See anders und müsse individuell betrachtet werden. Im Unterschied zum Vierwaldstättersee könnte zum Beispiel am Ammersee keine Kälte mittels Seethermie geliefert werden, da der ohnehin immer wärmer werdende See sich noch weiter aufheizen würde. Auch gibt es bei der Seethermie stets Grenzen bei der Energienutzung, die vorab ausgelotet werden müssen.

Der Vierwaldstättersee bei Sonnenuntergang: Das schweizerische Binnengewässer ist mit 114 Quadratkilometern Fläche und 214 Metern Tiefe wesentlich größer und wasserreicher als der Ammersee. (Foto: Michael Buholzer/dpa)
Hightech für die Heizung: die See-Energie-Zentrale am Inseliquai in Luzern. (Foto: ewl energie wasser luzern)

Für die Anrainergemeinden am Ammersee sind zunächst zwei Machbarkeitsstudien erforderlich: In jedem Ort ist eine kommunale Wärmeplanung obligatorisch. Hinzu käme eine Expertise, die gutachterlich die Verträglichkeit der Seethermie für den Ammersee beurteilt. Die Nutzung der Seethermie sei jedoch ein Schritt, den die Seegemeinden miteinander gehen müssten, sagt Weigand. Zudem müsste in den Kommunen grundsätzlich überlegt werden, ob Wärmeversorgung als kommunale Aufgabe betrachtet werde.

„Je größer die Häuser, desto günstiger“

Mit der Seethermie versorgt die Stadt Luzern ihre umliegenden Stadtteile, in einer dörflichen Struktur sind die Bedingungen anders. Ob ein kommunales Wärmenetz letztlich mit Hackschnitzeln, Geo- oder Seethermie betrieben wird, sei aber unerheblich für die Investitionskosten. Auch in kleineren Orten gibt es dazu positive Beispiele wie in Seefeld, sagt Weigand. „Je größer die Häuser, desto günstiger ist es“, fasst Weigand zusammen. In der Regel werden vorrangig sogenannte Ankerkunden wie Schulen, große Betriebe oder Altenheime ans Netz angeschlossen – und damit auch die Häuser an den Straßenzügen auf dem Weg von der Energiezentrale dorthin. Ein ähnliches Prinzip kennt man vom Bau neuer Gasleitungen. Allerdings werde es auch immer Häuser geben, die außerhalb eines Wärmenetzes liegen.

Das „kalte Netz“ der Seethermie und ein Hochtemperaturnetz aus der Tiefengeothermie kann nicht direkt verbunden werden, hier bräuchte es zusätzliche Wärmetauscher, sagt Weigand. Seiner Meinung nach werde Wärme aus der Seethermie nicht günstiger sein als bei der Verbrennung von Hackschnitzeln, aber immerhin preiswerter als Geothermie. Zum Kraftwerk, das am Ammersee lediglich die Dimensionen eines Containers oder eines Einfamilienhauses aus den Sechzigerjahren habe, gehöre für ihn auch Stromerzeugung für die Wärmepumpen aus erneuerbaren Energien. In der Energieagentur wird das Projekt weiterverfolgt: Weigand strebt eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen an.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFolgen der Klimakrise
:Im schlimmsten Fall stirbt der See

Die Renken im Starnberger See sind viel kleiner als früher, und im Staffelsee erstickten im Oktober die Fische: Wie sich der Klimawandel bereits jetzt auf Bayerns Seen auswirkt - und wie die Ökosysteme gerettet werden könnten.

Von Celine Urban

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: