Ammersee:Ein Stück Italien

Seit zehn Jahren verbindet Annunciata Foresti in einem Stellwerk in Dießen Kunst mit der Liebe zu ihrer Heimat

Von Katja Sebald, Dießen

Vor zehn Jahren kaufte Annunciata Foresti ein altes Häuschen am Bahnübergang in Dießen und machte aus dem ehemaligen Stellwerk ein "Kunstwerk": Sie baute es zum Atelier und Ausstellungsraum aus, öffnete die Türen für befreundete Künstler, überließ einen Teil des üppig bewachsenen Grundstücks den Tieren und machte einen anderen Teil zum Skulpturengarten. Sie schuf einen Ort der Begegnung für die Dießener und für sich selbst ein kleines Stück Italien. Jetzt feiert sie das Jubiläum mit einer Ausstellung und mit einem kleinen Büchlein, in dem sie die Geschichte des Hauses mit der ihres eigenen Ankommens am Bahnhof in Dießen verbindet.

Annunciata Foresti, 1953 in einem Dorf in der Nähe von Bergamo in Norditalien geboren, kam als Gastarbeiterkind nach Deutschland. Ihr Vater hatte beim Bau der Siedlung Neusöcking Arbeit gefunden, 1959 zog die Familie nach und lebte anfangs mit in der Barackensiedlung, in der die Bauarbeiter untergebracht waren. Für die lange Fahrt mit der Eisenbahn über die Berge hatte die Mutter den Kindern Knoblauchketten um den Hals gehängt - gegen Krankheiten und gegen böse Geister. In den Siebzigern lebte Foresti in München, probierte mehrere Berufe aus, studierte schließlich Sozialpädagogik und fand zur Kunst. 1980 zog sie nach Dießen, wo auch ihre drei Töchter aufwuchsen. Ihre neue Heimat nördlich der Alpen sei das landschaftliche Spiegelbild ihrer alten Heimat auf der anderen Seite, sagt sie: Hier wie dort sei es gleich weit bis zu den Bergen.

Dießen: Stellwerk - Annuciata Foresti

Die Künstlerin Annunciata Foresti hat vielen Künstlern die Möglichkeit zum Ausstellen gegeben. Auch ihre eigenen Werke sind in ihrem Stellwerk zu sehen.

(Foto: Nila Thiel)

Auf der Suche nach einem neuen Atelier stieß Annunciata Foresti 2010 auf das stillgelegte Stellwerk nördlich des Bahnhofs. Das 1937 errichtete Gebäude hatte keine Funktion mehr, seit die Züge bei der Einfahrt in den Bahnhof nicht mehr mechanisch, sondern elektronisch gesteuert wurden. Es stellte sich heraus, dass es nicht zu vermieten war, sondern abgerissen oder verkauft werden sollte. Foresti sah nicht den schmucklosen Industriebau, der obendrein stark renovierungsbedürftig war, sondern hatte von Anfang an ein "Haus für die Kunst" vor Augen. Sie überbot die Marktgemeinde und andere Kaufinteressenten, bekam den Zuschlag - und danach einen Haufen Arbeit.

Mit viel Gespür und sehr viel Rücksicht auf die ursprüngliche Architektur sanierte sie das schmale, hohe Haus, richtete sich oben ein lichtes Atelier und unten einen winzigen Ausstellungsraum ein. Um das italienische Rot für die Fassade auszusuchen, reiste sie mit der Farbkarte eigens nach Murano. Vor allem aber legte sie den Garten an, pflanzte allein dreißig verschiedene Rosen, dazu Hortensien und Wein. Im Sommer stehen Oleander, Zitronenbäumchen und sogar ein Feigenbaum in Kübeln vor dem Haus. Wer durch das kleine Gartentürchen tritt, steht mit einem Schritt in Italien. Nicht nur Touristen bewundern das leuchtend rote Haus, auch die Dießener empfinden es offensichtlich als echte Bereicherung: 2013 wurde das Stellwerk vom Heimatverein Dießen als "Haus des Jahres" ausgezeichnet.

Dießen: Stellwerk - Annuciata Foresti

Das einstige Stellwerk hat Annunciata Foresti in ein "Haus für die Kunst" verwandelt - mit einem mediterran anmutenden Garten. Das war vor mittlerweile zehn Jahren - das Jubiläum feiert die Künstlerin nun mit einer Ausstellung

(Foto: Nila Thiel)

Eine Bereicherung ist das Stellwerk aber vor allem für die regionale Kunstszene: 2011 bestückte der Maler Bernd Zimmer die erste von insgesamt 14 Sonderausstellungen im Stellwerk, es folgten Produzentenausstellungen, verschiedene Bildhauer stellten im Skulpturengarten aus, zum Töpfermarkt gab es mehrere Jahre lang ein Fotokabinett, und einmal verkaufte Foresti, die auch Gründerin des Vereins "Kunstformat" ist, zusammen mit anderen Künstlern "Cheap Art". Seit 2017 ist die unermüdliche Organisatorin und Netzwerkerin in Sachen Kunst auch Beauftragte der Kreiskulturtage im Landkreis Landsberg, deshalb lässt sie es im Stellwerk etwas ruhiger angehen und nutzt es vor allem für sich selbst: In den Sommermonaten lässt sie sich von dem Blick aus dem Atelierfenster und von ihrem herrlichen Garten zum Malen inspirieren. Im Lauf der Jahre entstand dort eine Serie von Ammerseelandschaften, einen Sommer lang malte sie nur den See und im nächsten Jahr die Berge, bevor sie sich den Blüten vor der Tür zuwandte. Die schönsten Bilder zeigt sie an den kommenden beiden Wochenenden zusammen mit ganz neuen Arbeiten.

Zur Jubiläumsausstellung (bis zum 11. Juli 2021 jeweils Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr) erscheint das Buch "10 Jahre Stellwerk - vom Stellwerk zum Kunsthäuschen" als Sonderedition (erhältlich auch in der Buchhandlung "Colibri" in Dießen und in der Buchhandlung "Timbooktu" in Schondorf).

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