Süddeutsche Zeitung

Ammersee:Ton, Steine, Streit

In Dießen wird seit geraumer Zeit heftig um den richtigen Belag für die Seeanlagen gerungen. Der Gemeinderat fühlt sich nun bei der Auswahl massiv übergangen.

Von Armin Greune

Zwei Karren mit Steinen stehen in der Mitte der zum Sitzungssaal umgenutzten Turnhalle: Der Kontrast zwischen den Vorstellungen des Gemeinderats und dem, was das Landschaftsplaner-Büro Lohrer/Hochrein für den neuen Belag in den Dießener Seeanalagen bestellt hat, sticht jedem ins Auge. Auf der einen Seite eine große und eine kleinere Platte, beide gebraucht, mit unregelmäßigen Kanten und dunkler Patina, bekannt als "Charlottenburger Krustenplatten". Daneben lebloser, hellgrauer Granit, zu uniformen Quadraten zugeschnitten, die größten im Format 50 mal 35 Zentimeter.

Kein Wunder, dass sich die meisten Gemeinderäte übergangen, ja brüskiert fühlen. Schließlich hatte man sich nach langen Workshops darauf geeinigt, großformatige, unregelmäßige Platten verlegen zu lassen. Und als im Februar 2021 die Planungsfirma stattdessen wegen der einfacheren Verlegung ein Pflaster aus roten Granit im Reihenverband präsentierte, stellte das Gremium einstimmig klar, dass eben kein homogenes Muster wie in der Dießener Mühlstraße und auf dem Untermüllerplatz gewünscht wird: "Das Pflaster ist in der Ausführung als Großformatplatten - analog des in der Bahnhofstraße vor dem Café Goldammer verlegten Belags - in unterschiedlichen Größen zu verlegen", wurde im Sitzungsprotokoll festgehalten. Dass Herbert Kirsch ergänzte, dass der Granit aus dem Bayerwald stammen solle, wurde nicht schriftlich fixiert.

Das gute Dutzend Paletten für die Seeanlagen, das nun bereits auf dem Volksfestplatz lagert, stammt aus Portugal. In der Sitzung am Montagabend schlagen Planerin Ursula Hochrein Wellen der Empörung entgegen. Thomas Häring verlangt vergeblich Auskunft darüber, wer entschieden habe, den Beschluss des Gremiums zu ignorieren. "Wer zahlt, schafft an" ist wiederholt von mehreren Seiten zu hören. Gabriele Übler meinte, sie habe den "Charme des Untermüllerplatzes bis heute nicht entdecken können", die Plattenwüste sei "heiß und steril"; die Kollegen im Gemeinderat hätten sich "jahrelang dafür rechtfertigen müssen, wie so etwas geschehen konnte". Johann Rieß wird noch deutlicher: "Es darf nicht sein, wir uns 100 Jahre über dieses Scheiß-Pflaster ärgern werden, das wir nicht beschlossen haben".

Schmid-Azar versichert, man habe das Gremium "nicht vorsätzlich betrügen wollen" und deutet an, in Teilflächen vor dem Kiosk und vor dem ADL-Pavillon könnte noch ein Belag ähnlich der Charlottenburger Platten verwendet werden. Hochrein räumt ein, dass gebrauchte Steine und unruhige Kanten mehr Charme ausstrahlen. Sie führt aber ins Feld, dass die dadurch entstehenden, größeren Fugen die Barrierefreiheit einschränkten. Gebrauchte Platten seien auch wegen der Gewährleistung nicht zu empfehlen, größere Formate seien bei Schwerlastverkehr eher bruchgefährdet und müssten auf Betonbett verlegt werden. Krustenplatten wären aufwändiger zu verarbeiten und um bis zu 100 Euro pro Quadratmeter teurer als der bestellte Granit; dieses Material für 2000 Quadratmeter Fläche zu erhalten, sei "problematisch".

Worauf Rieß vorschlägt, die von Juni an vorgesehene Pflasterung um ein Jahr zu verschieben, bis genügend Krustenplatten zusammen sind. "Noch ein Jahr Baustelle ist unverantwortlich" , wirft hingegen Franz Sanktjohanser ein. Roland Krater findet, man hätte das Material "vorher kontrollieren müssen". Es sei "blöd gelaufen", nun aber sollte man "im Sinne der ganzen Sache zustimmen". Nach 90 Minuten Debatte ist auch Bürgermeisterin Sandra Perzul um Schadensbegrenzung bemüht: Eine Ablehnung der Ausführungsplanung sei abzusehen. Sie will deshalb kommende Woche größere Flächen mit dem Granit für den Gemeinderat zur Bemusterung auslegen lassen und einen Kompromiss suchen. Am 16. Mai soll in einer Sondersitzung über den Belag entschieden werden, dann steht auch das Bürgerbegehren zum Parkplatz an der Rotter Straße auf der Tagesordnung.

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