Utting:Apfelwein vom Ammersee

Lesezeit: 2 Min.

Sina Setzer und Luis Lüps aus Utting brauen gemeinsam Cidre, den "Süper Brüt". Auf Papas Arm mit dabei ist Tochter Ronja. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Sina Setzer und Luis Lüps setzen ihren eigenen Cidre an - ein ebenso kompliziertes wie spannendes Experiment.

Von Katja Sebald, Utting

Diesmal gibt es weder eine Rollenbeschreibung noch ein Drehbuch. Auch ein YouTube-Tutorial ließ sich nicht finden. "Alles steht im Zeichen des Experiments", sagt der Schauspieler Luis Lüps aus Utting, der in Corona-Zeiten unter die Winzer gegangen ist und zusammen mit seiner Lebensgefährtin Sina Setzer gerade den zweiten Jahrgang von "Süper Brüt" angesetzt hat, dem ersten am Ammersee produzierten Cidre.

Im Sommerurlaub 2020 kauften die beiden an einem Marktstand in der Bretagne bei einem netten jungen Winzer ein paar Flaschen des typischen Apfelweins, im Herbst 2021 standen sie selbst ein paar Mal auf dem Uttinger Wochenmarkt und verkosteten mit Freunden und Bekannten ihren selbstgemachten Cidre. Dazwischen lag ein langes Corona-Jahr. Erst war es nur die wehmütige Erinnerung an den schönen Urlaub. Dann kam die Überlegung, wie man sich im Lockdown sinnvoll beschäftigen könnte. Und schließlich ergab sich über einen Freund die Möglichkeit, auf den Obstplantagen in Breitbrunn Äpfel zu ernten, vor allem späte Sorten und Fallobst. "Das waren schöne Nachmittage im Freien, die auch im Lockdown gut möglich waren", erinnert sich Sina Setzer.

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Mit Freunden und mit der Familie wurden die Äpfel geklaubt, sortiert, gewaschen und zerkleinert. Im Weinkeller von Vater Lüps wurden die Tanks aufgestellt, in denen der Cidre gären sollte. Aber wie geht das? "Im Internet findet sich dazu so gut wie nichts", musste Luis Lüps feststellen. Er kontaktierte einen Winzer im Allgäu, der mit einer Französin verheiratet ist und, weil man sich sympathisch war, immerhin ein paar Geheimnisse verriet. Die Kenntnisse zu chemischen Prozessen, die Sina Setzer als Diplomrestauratorin mitbrachte, waren zwar eindeutig von Vorteil, aber bei Weitem nicht ausreichend. Ein kleines Anleitungsheft zur Herstellung von Cidre in französischer Sprache ließ sich schließlich auftreiben, der Rest war notgedrungen learning by doing.

Um die für den Cidre typische Mischung aus fruchtigen, süßen und herben Aromen zu erzeugen, sollten die Äpfel möglichst spät geerntet und danach noch ein paar Wochen gelagert werden. Man sollte auf Spontangärung setzen, also keine Reinzuchthefen zugeben. Um den Prozess zu starten, sollte es möglichst warm sein, danach aber auf keinen Fall zu warm, denn die Gärung soll langsam bei niedrigen Temperaturen erfolgen. Nach einigen Wochen kann der Most abgefüllt werden, für die Flaschengärung braucht er dann noch einmal mehrere Monate. Kurz nach der Geburt ihrer Tochter Ronja im Mai 2021 konnten Setzer und Lüps die erste Flasche Cidre öffnen. Beinahe hätte der Cidre den gleichen Namen wie das Kind bekommen, dann aber entschied man sich für "Süper Brüt" und ein von Sina Setzer gezeichnetes wolliges Schaf in Apfelgrün und Apfelrot auf dem Etikett: Es ist eine kleine Hommage an die Schafe, die unter den Apfelbäumen in Breitbrunn weideten.

Der vergangene Sommer stand für Luis Lüps ganz im Zeichen des Theaterprojekts "Das Meditier", das in Schondorf aufgeführt wurde. Mit dem ELLE-Kollektiv macht er "immersives Dorftheater": Inszenierungen, für die leerstehende Gebäude wie auch Schauplätze unter freiem Himmel zu Orten werden, an denen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. Jetzt haben die Vorbereitungen für ein neues Projekt am Pathos-Theater in München begonnen. Sina Setzer arbeitet seit Oktober in Teilzeit als Restauratorin. Trotzdem haben sie auch dieses Jahr wieder Zeit für den Cidre gefunden. "Diesmal wollen wir viele neue Dinge ausprobieren und alle Fehler vermeiden", sagt Lüps. Die Äpfel für den zweiten Jahrgang sind vor allem Spenden aus verschiedenen Uttinger Gärten. Eine kleine Menge soll in einem eigens angeschafften Eichenfass gären.

Nach dem Ansetzen des Cidre Anfang Januar müssen sie jetzt beinahe täglich im Weinkeller die Temperatur und vor allem den Hefegehalt prüfen. Angesichts des großen Aufwands und des geringen Ertrags ist der "Süper Brüt" wohl eher keine Alternative zu Theater und Restaurierung - aber ein schönes Experiment und ein großes Vergnügen.

© SZ vom 21.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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