Der Autor und ehemalige Co-Präsident der Münchener Schriftstellervereinigung „Turmschreiber“, Alfons Schweiggert, hat 14 Bücher und zahlreiche Beiträge in Zeitungen und Magazinen über den großen Komiker und Humoristen Karl Valentin geschrieben. Sein neuestes Buch „Karl Valentin und die Musik“ hat Schweiggert als Begleitbuch zur Valentin-Ausstellung geschrieben, die bis 1. Dezember im Buchheim Museum in Bernried zu sehen ist. Die Neuerscheinung, die vom Allitera Verlag herausgebracht worden ist, wurde zur Ausstellungseröffnung am 31. August im Buchheim Museum präsentiert. Die SZ sprach mit Schweiggert über sein Interesse an Karl Valentin und wie es zu dem Buch kam.
SZ: Wie kamen Sie auf das Thema Karl Valentin und die Musik?
Alfons Schweiggert: Ich war erstaunt, als ich feststellte, dass Valentins Beziehung zur Musik bislang nur beiläufig und am Rande thematisiert worden war, obwohl sie von zentraler Bedeutung ist. Seine künstlerische Laufbahn begann Valentin nämlich nachweislich mit Musik. Wie und auf welche Weise Musik das Leben dieses „Menschen von erstaunlicher Musikalität“, wie Wilhelm Hausenstein Karl Valentin bezeichnete, beeinflusste, wo Musik sich überall in sein Leben und das seiner Partnerin Liesl Karlstadt bohrte, es bestimmte und davon bestimmt wurde und darüber, dass sein künstlerisches Schaffen ohne Musik überhaupt nicht denkbar ist, damit habe ich mich erstmals intensiv befasst.
Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit dem Kurator und Forum-Humor-Vorsitzenden Reinhard Wittmann?
Kontakte zwischen uns bestanden schon vorher, da Reinhard Wittmann gemeinsam mit Gerhard Polt für das „Forum Humor und komische Kunst“, in dem in München endlich auch die komische Kunst einen würdigen Platz erhalten sollte, auf der Suche nach einer Bleibe war. Da sich der Plan, in der Münchner alten Viehmarktbank nach deren Renovierung einzuziehen, zerschlug, wandte sich das Forum Humor nach Bernried an den Starnberger See.
Wie sah die Zusammenarbeit mit Wittmann aus und welchen Anteil haben Sie an der Ausstellung?
Reinhard Wittmann und ich waren uns einig, dass er der Kurator der Ausstellung sein sollte, die er mit dem „Forum Humor und komische Kunst“ im Buchheimmuseum auch einrichtete, während ich mich der Erforschung von Valentins musikalischem Werdegang und dessen Bedeutung für sein künstlerisches Wirken widmete.
Was war zuerst da – die Idee zum Buch oder die Idee zur Ausstellung?
Im Gespräch mit Reinhard Wittmann entstand gemeinsam die Idee zur Ausstellung und zu einem Begleitbuch, das ich verfassen sollte und das nun im Münchner Allitera Verlag erschienen ist. Valentins Nachlassverwalter Gunter Fette, der auch ein Geleitwort zum Buch verfasste und Valentins Urenkelin, Rosemarie Scheitler steuerten an die 100 Fotodokumente zum Buch bei.
Eigentlich wäre es logisch, die Ausstellung im Münchener Karl-Valentin-Museum zu zeigen. Warum findet die Ausstellung im Buchheim Museum in Bernried statt?
Für das „Valentin-Karlstadt-Musäum“ stand wegen des seit langem geforderten Brandschutzes die Existenz auf dem Spiel. Bei angedachten Umbaumaßnahmen kam es zu Diskussionen zwischen Brandschutz, Denkmalschutz und dem Musäum. Geldsorgen der Stadt München spielten dabei auch eine große Rolle. Eingebrachte Ideen des „Forums Humor und komische Kunst“ wurden verworfen. Bis heute herrscht immer noch keine definitive Klarheit, was passieren wird. In dieser Situation war die geplante Ausstellung „Valentin und die Musik“ im Musäum nicht denkbar. Und so kam Reinhard Wittmann das Angebot des renommierten Buchheim Museums gerade recht, hier die Ausstellung zu machen. Außerdem hat Valentin durchaus einen Bezug zum Starnberger See, in dem er einst, wie er berichtet, „ein Karpfenrennen“ veranstalten wollte, wozu es aber nicht kam. Aber wenigstens findet jetzt eine Ausstellung statt. Zudem steht in Planegg an der Würm, die ihr Wasser aus dem Starnberger- oder Würmsee bekommt, auch sein Landhaus in dem er bis zu seinem Tod lebte.
Sie haben den Valentin-Preis gegründet. Wie kam es dazu und was soll er bewirken?
2007 anlässlich des 125. Geburtstags von Karl Valentin habe ich in Valentins Geburtshaus in der Münchner Au nicht nur die „Valentin-Karlstadt-Gesellschaft“, sondern auch den „Großen Karl Valentin-Preis“ ins Leben gerufen, was die Erben Valentins und Valentins Nachlass-Verwalter Gunter Fette sehr begrüßten. Mit diesem Preis sollten Persönlichkeiten geehrt werden, die in der Nachfolge Valentins herausragende eigenständige künstlerische Leistungen vorweisen können. Der Preis wurde nicht jedes Jahr vergeben, da ein solcher Zwang mit der Eigenart von Karl Valentin nicht kompatibel ist. Bisher wurde der Preis erst fünfmal vergeben, 2007, 2010, 2012, 2017 und 2022. Dazu organisierten wir im Münchner Volkstheater jeweils eine Matinée. 2019 wurde der „Große Karl Valentin-Preis“ von mir dann der Stadt München anvertraut, von der künftig die Organisation übernommen wird und die den Preis unter dem erweiterten Namen „Großer Valentin-Karlstadt-Preis“ als städtischen Preis weiterführt. Eine fachkundige Jury, der auch ich angehöre, bestimmt den oder die jeweiligen Preisträger und den „Rahmen“ der Vergabe. Als ich seinerzeit den Preis erfand, musste ich mir auch überlegen, woraus der Preis denn bestehen soll. Da gab es für mich nur eine Antwort: Der Preis muss aus NICHTS bestehen. Es ist dies der weltweit erste und einzige Preis, der aus NICHTS besteht. Die Preisträger erhalten also keine Urkunde, kein Preisgeld, einfach nichts.
Gerhard Polt hat das Vorwort zu Ihrem Buch geschrieben. Ist er auch Valentin-Preisträger?
Ja, Gerhard Polt erhielt mit der Biermösl-Blosn 2007 erstmals das Nichts. Er nahm den Preis auch nur deshalb, weil er aus nichts bestand! Polt kennt alle meine Publikationen über Valentin und schrieb schon ein Geleitwort in meinem Buch „Karl Valentin und die Politik“. Da auch er das Thema „Valentin und die Musik“ höchst spannend fand, steuerte er auch zu diesem Buch gerne ein Geleitwort bei.
Im Buch beschreiben Sie den musikalischen Werdegang Karl Valentins und seine stille Liebe zur Musik. Wie kam es zu dem Desaster mit seinem selbst gebauten Orchestrion?
Valentin beherrschte an die 15 Instrumente, doch es reichte ihm nicht, sie einzeln zu spielen und so baute er sich „Das Lebende Orchestrion“, einen Apparat mit rund 30 von ihm eigenhändig aneinandergefügten Instrumenten, die er alle gleichzeitig spielen wollte und konnte. Es sollte eine Sensation werden. Doch da seine Tournee mit diesem Zentnerkoloss zum völligen Desaster wurde, zerstörte er, wie er sagte, das Monstrum in einem „Löwenbräubier-Riesenrausch“ mit einem Hackl. Von da an lag Valentin lebenslang im Kampf mit Musik und die Musik im Kampf mit ihm. Seine ersten Bühnenabenteuer absolvierte er als „Mister Valentin, musikalischer Clown“, wurde dann ein Volkssänger, begleitet von Liesl Karlstadt, seiner „Frau Musica“.
Sie berichten auch, dass er sich schon im Kindergarten weigerte mit der Flöte ein Stück vorzuspielen. Wo fanden Sie diese Geschichten und Anekdoten über den Komiker und Humoristen?
Valentin äußerte sich in seinen Erinnerungen ausführlich über „seine frühe Liebe zur Musik“. Im Alter von vier Jahren kam er in den Kindergarten an der Ohlmüllerstraße. Dort sollte er, wie er schreibt, bei einem Maifest auftreten. „Bei den Proben habe ich brav gespielt“, so Valentin, dann kam die Aufführung. „Bitte blas uns doch ein Lied“, so wurde auch er aufgefordert. „Moanas i hätt mögen?“, so gestand er. „Ned ums Verrecken hätt i mögn. Warum, weiß ich heut noch nicht. Die Musik hab i deshalb nicht aufgegeben.“ Doch dieses „unerklärliche Nichtmögen“ bei Auftritten ist Valentin ein Leben lang geblieben und war ein erstes Anzeichen dafür, was er auch später mit Musik auf der Bühne und im Film so alles anstellte.