Süddeutsche Zeitung

Aktion:Strampeln und Sammeln

Im zehnten Jahr von "Stadtradeln" wollen die Organisatoren nicht nur viele Kilometer zusammenbringen, sondern vor allem politisch ein Zeichen setzen und auf das lückenhafte Radewegenetz im Landkreis hinweisen.

Von Carolin Fries, Starnberg

Flapsig formuliert geht es ums Jagen und Sammeln, die Aktion rührt damit an ganz ursprüngliche menschliche Instinkte: Drei Wochen lang, vom 25. Juni bis zum 15. Juli, sind die Menschen im Landkreis zur Teilnahme am Stadtradeln aufgerufen. Das heißt: mit dem Fahrrad anstatt motorisiert durch die Gegend zu sausen und die so gesammelten Kilometer zu addieren und online zu notieren. Gleich vorneweg: Im Fünfseenland schätzt man die Stadtradel-Aktion sehr, im vergangenen Jahr beteiligten sich etwa 4300 Leute daran, die gemeinsam 604 000 Kilometer zusammenbrachten. Der Landkreis Starnberg landete damit bundesweit auf Platz acht.

Knapp 500 Kommunen nahmen 2016 teil. Der Ehrgeiz bei den Organisatoren ist entsprechend groß, "die Konkurrenz wird immer größer", sagt Gerhard Sailer. Er koordiniert die Aktion in der Gemeinde Weßling, die zu den radaktivsten im Landkreis zählt. "Dabei waren anfangs viele skeptisch", erinnert sich Sailer. Als die Kommune dann 2012 quasi aus dem Stand heraus den Preis für die meisten geradelten Kilometer pro Einwohner gewann, waren die Zweifel wie weggeblasen. Die 2000 Euro Preisgeld investierte die Kommune in eine Fahrradreparatur-Station am Bahnhof. Warum Weßling beim Stadtradeln stets die Nase vorne hat? "Weil wir gut vernetzt sind und auch die Firmen vor Ort mitmachen", sagt Sailer.

Nach Gemeinden sortiert können sich auf der Webseite www.stadtradeln-sta.de Teams anmelden, sowohl geschlossen als auch offen für zusätzliche Teammitglieder. In Starnberg etwa haben sich bereits die "Leistungsträger" angemeldet, wie Koordinatorin Andera Schmölzer sagt: Trachtenverein, TSV Starnberg, SV Söcking, Seniorentreff, Grundschule, Blumensiedlung und mehr. Täglich oder wöchentlich werden die gesammelten Kilometer in das Kilometerbuch eingetragen. Dabei kann freilich geschummelt werden, doch Gerhard Sailer sagt: "Meistens sind die Leute zu genau und fragen zum Beispiel, ob auch halbe Kilometer zählen und wie die Kilometer des Hintermanns auf dem Tandem zu bewerten sind." Zu gewinnen gibt es nichts außer Ruhm und Ehre, der Preis für die radaktivste Gemeinde wurde im vergangenen Jahr mit e dem Preis für das fahrradaktivste Kommunalparlament ersetzt. 2000 Euro Prämie hat Landrat Karl Roth für den besten Stadt- oder Gemeinderat der Stadtradel-Aktion ausgelobt, "langfristiges Ziel sind schließlich Verbesserungen für Radfahrer im Landkreis, um eine entspannte und gesunde Mobilität zu fördern", so Roth. Gerhard Sailer sagt: "Die Politiker müssen selbst sehen, was zu tun ist." Im vergangenen Jahr gewann Inning die 2000 Euro, seither gibt es eine Ladestation für E-Bikes in der Gemeinde.

Eigentlich geht es nämlich nur am Rande um das Sammeln von Kilometern. Sinn der internationalen Aktion des Vereins Klimabündnis ist der Klimaschutz, also ein grundsätzliches Umdenken im Bereich der Mobilität. Das Problem: Die einzelnen Kommunen beteiligen sich zwar seit 2013 geschlossen an der Aktion, aber das heißt noch lange nicht, dass sie ein vorzeigbares Radwegenetz haben. "Betrachtet man die Gesamtsituation im Landkreis, wird es eher schlechter als besser", sagt Sailer. Überall würden neue Straßen gebaut, meist ohne begleitende Radwege und Übergänge. Für Samstag, 1. Juli, ist darum eine Fahrrad-Demo angesetzt. Start ist am Gilchinger Marktplatz um 15 Uhr, mit den Rädern geht es dann entlang der Staatsstraße nach Mamhofen. Im Jubiläumsjahr - die Aktion Stadtradeln feiert zehnjähriges Bestehen, vor 200 Jahren erfand Karl Freiherr von Drais mit seiner "Draisine" das Ur-Fahrrad - erhoffen sich die Organisatoren zahlreiche Kilometer. Viel wichtiger aber ist ihnen, dass sich der "neue Schwung", so das diesjährige Motto, auch politisch auswirkt.

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Quelle:
SZ vom 13.06.2017
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