Adventskalender für gute Werke :"Bad Boys" auf Pokaljagd

Adventskalender für gute Werke : Besprechung vor dem Spiel: Jürgen Frommelt (3. v. li.) und Robert Söllner (2. v. li.) betreuen die Fußballmannschaft.

Besprechung vor dem Spiel: Jürgen Frommelt (3. v. li.) und Robert Söllner (2. v. li.) betreuen die Fußballmannschaft.

(Foto: Arlet Ulfers)

Von der Lebenshilfe betreute Jugendliche spielen einmal in der Woche Fußball - Geld für einen Ausflug fehlt

Von Carolin Fries, Starnberg

"Darf ich sauer sein, wenn die gegnerische Mannschaft ein Tor schießt?" Jürgen Frommelt wiederholt kurz vor Spielbeginn noch einmal die Regeln. "Ja", antwortet Sebi. "Aber ich darf dem Gegner nicht auf die Fresse hauen", fährt der 18-Jährige fort. Nachdem das geklärt ist und alle für eine Minute geschwiegen haben, "um runterzukommen", wie der Psychologe Robert Söllner erklärt, beginnt das Spiel. Jeden Freitag um 14 Uhr treffen sich die "Bad Boys", etwa 15 geistig behinderte Kinder und Jugendliche (Mädchen sind nicht ausgeschlossen) aus der Heilpädagogischen Tagesstätte der Lebenshilfe in Starnberg in der Sporthalle der benachbarten Fünfseenschule mit ihm und dem Erzieher Jürgen Frommelt, um gemeinsam Fußball zu spielen. Der jüngste Spieler ist zehn, der älteste 20.

"Es geht schon ziemlich zur Sache", erzählt Söllner, der extra mit einem weichen Volleyball spielen lässt. "Ich lasse aber auch bewusst viel laufen", betont er. Der 45-Jährige spielt im Freiburg-Trikot mit und ist nebenbei Schiedsrichter. Schwere Fouls ahndet er mit einem gellenden Pfiff, mitunter verweist er die Spieler auch auf die Strafbank. Doch viel öfter spricht Söllner die Jungs direkt an, doch den Ball auch einmal abzuspielen, anstatt mit Gewalt aufs Tor zu schießen und auf den Einsatz der Ellenbogen zu verzichten. Während es Spieler gibt, die unentwegt laufen und mit großem Körpereinsatz um den Ball kämpfen, scheinen andere nicht so recht zu wissen, wohin sie eigentlich laufen sollen. Doch auch sie bekommen früher oder später einen Ball vor die Füße, darauf achten Söllner und Frommelt. Ihnen ist die Freude an der Bewegung wichtig, aber noch viel mehr: Die Jungs sollen Frustrationstoleranz lernen und soziale Kernkompetenzen wie Rücksichtnahme und Teamwork erwerben, so der 61 Jahre alte Frommelt. Doch auch ein gegenseitiges Kräftemessen soll stattfinden dürfen, "die Kinder wachsen ja insgesamt doch sehr behütet auf", sagt Söllner. Aufgrund ihrer Behinderung würde in der Regel noch stärker darauf geachtet, dass sich niemand verletze. Dabei bräuchten die Jungs speziell in der Pubertät auch die Möglichkeit, ihre Kräfte spielen zu lassen. "Wenn sie ihren Körper kontrollieren können, fällt es ihnen meist leichter, auch das Verhalten bewusst zu steuern."

Die sportliche Leistung spielt nur am Rande eine Bedeutung, zumindest wenn man die Trainer fragt. Sie ziehen kein Ausdauer- oder Techniktraining durch, "brauchen wir nicht", sagt Söllner augenzwinkernd. Die Jungs sehen es ähnlich und überschätzen ihre Fähigkeiten gerne. Das macht sie unheimlich sympathisch, ganz gleich, ob sie sich als Mario Mandžukić vorstellen oder schlicht als "bester Stürmer". Wenn man sie fragt, wofür sie trainieren, dann sind sich alle einig: Sie wollen den Pokal zurückholen! Jedes Jahr im Sommer treten die "Bad Boys" gegen die FußballMannschaft des Wohnheims der Lebenshilfe an. Zweimal konnten sie bislang schon gewinnen, in diesem Jahr aber haben sie unglücklich mit 4:5 Toren verloren. "Wir holen den Pokal zurück", sagt Frederik, 20, und seine Mannschaftskollegen nicken verschwörerisch. Die Kinder und Jugendlichen kennen sich ausschließlich aus der Sporthalle, Robert Söllner würde sich darum über eine Teambildungsmaßnahme freuen, für die allerdings die finanziellen Mittel fehlen: zusammen in eine Gaststätte fahren und bei Pommes und Spezi die Übertragung eines Fußballspiels verfolgen. Dann könnten sie gemeinsam fachsimpeln. Und hoffentlich auch über Tore jubeln.

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